Vor vierzig Jahren: 1.FCL bei der Deutschen Amateurmeisterschaft - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 16.04.2009 um 16:00 Uhr
Vor vierzig Jahren: 1.FCL bei der Deutschen Amateurmeisterschaft
MAGAZIN 1963 ging die neu formierte Bayernliga in ihre erste Spielzeit. In der seinerzeit höchsten Amateurliga lief auch der 1.FC Lichtenfels auf. Zehn Jahre sollte sich das Gründungsmitglied ununterbrochen die Ligazugehörigkeit sichern und in der „Ewigen Rangliste“ 1972 gar ganz oben stehen. Die erfolgreichste Spielzeit der Vereinsgeschichte lag da gerade einmal zwei Jahre zurück, als die „Roten“ um die Deutsche Amateurmeisterschaft spielten…
Von Bernd Riemke
Als Richard Mohnkorn zu Beginn der Saison 1969/70 das Traineramt am Maindamm übernahm geschah dies nicht unbedingt freiwillig. Wie er im Vorfeld überredet wurde, schildert er im Begleitheft zum Heimspiel der Saison.
FCL-Chronik
„Im Vordergrund steht das Konditionstraining und nach Möglichkeit stets mit Ball. Auch Waldläufe stehen oft auf der Tagesordnung“, wird Richard Mohnkorn in der örtlichen Presse im Herbst 1969 zitiert. Richard Mohnkorn ist seit wenigen Monaten Trainer einer Mannschaft, die in der Vorsaison 1968/69 die Bayernliga auf einem hervorragenden vierten Platz beendet hat – nur vier Punkte hinter Meister FC Augsburg, der damals noch unter der Bezeichnung BC  Augsburg an den Start ging. Eine Mannschaft, die seit Jahren zusammenspielt, die gewachsen ist und deren ausgesprochene Kameradschaft ihr großes Plus ist. Als Richard Mohnkorn dieses Interview gibt steht seine Elf in der höchsten deutschen Amateurklasse auf dem 1. Platz. Nach einer Auftaktniederlage gegen VfB Helmbrechts folgten nicht nur zehn Spiele in Reihe ohne Niederlage, sondern auch sechs Siege in Folge. Darunter jenes 1:0 bei der bis dato ungeschlagenen SpVgg Büchenbach am 19. Oktober 1969 vor gut 4500 Zuschauern, das den  1.FC Lichtenfels selbst nach ganz oben hievte.  Unumstrittener Leader der Korbstädter war Udo Neckermann, 32-jähriger Senior der Truppe, der der Hintermannschaft den nötigen Halt gab.

Vier Rote erinnern sich

Neben und vor ihm glänzte vor allem Hermann Holzschuh als unermüdlicher Ankurbler und Spielmacher ausgestattet mit dem guten Auge für den Mitspieler und ebenso präzisen Vorlagen in die Sturmspitze. Dort lauerte mit 36 Jahren der „Oldie“ der Truppe. „Man hat sich nur freilaufen müssen. Er hat alle aussteigen lassen und den Ball im richtigen Moment abgespielt. Sogar von der Torlinie hätte er wohl noch einen Rückpass gespielt“, beschreibt „Jimmy“ Dietz jenen Hermann Weigl, von dem er wohl selbst am meisten profitiert hat. Als klassischer Mittelstürmer war Dietz derjenige, der  die Torschützenlisten anführte.  Gemeinsam mit Reiner Riemke, der nicht nur dank seines kraftvollen rechten Fußes zu einem der schussgewaltigsten Akteure zählte, sondern auch aufgrund seiner Körpergröße herausragte. „Er war ein Fußballer – kein Kopfballer“, deckt Holzschuh heute jedoch noch schonungslos schmunzelnd die Schwächen des 1,90m groß gewachsenen Offensivspielers auf.

20 DM der Lohn – aber unbezahlbarer Stolz

Mit diesen Korsettstangen – und einem Torhüter Heinz Schmidt, der häufig Garant für knappe 1:0-Siege werden sollte – ging es in das siebte Jahr Bayernliga. Eines, das das erfolgreichste der Vereinsgeschichte werden sollte. Nach jenem Auswärtssieg in Büchenbach standen die Roten insgesamt sechs Spieltage lang an der Tabellenspitze und sollten im weiteren Verlauf nie schlechter als auf dem dritten Rang platziert sein. „Wir haben damals im Höchstfall 20 Mark bekommen, mussten unsere Mahlzeiten aber selbst bezahlen“, erinnert sich Hermann Holzschuh an strapaziöse Auswärtsfahrten nach Kaufbeuren, Passau oder zu den Amateuren des FC Bayern München. Des Geldes wegen wurde in den späten 1960er Jahren längst noch kein Fußball gespielt. „Lichtenfels war DER Verein in der Umgebung. Man war einfach stolz, wenn man das rote Trikot tragen durfte“, bringt Holzschuh die innere Verbundenheit zu „seinem“ Verein auf den Punkt und spricht seinen einstigen Mitstreitern damit aus der Seele. Dieser Stolz kam auch durch eine 1:5-Packung beim FC Wacker München im Dantestadion nicht ins Wanken, denn mit ihrer offensiven und mutigen Spielweise zogen die Lichtenfelser auch und vor allem auswärts die Massen ins Stadion. „…am zugkräftigsten bei Spielen auf den Plätzen der Gegner erwies sich der 1.FC Lichtenfels mit 14950 Zuschauern“, was einem Schnitt von über 2100 Fans pro Partie gleichkam, berichtete die Presse in ihrer Zwischenbilanz nach der absolvierten Vorrunde. Einmal noch sollte der FCL den Platz an der Sonne erklimmen. Nach einem Sieg über Helios München am 28. Dezember (!!) 1969.  „Eine Winterpause gab es nicht. Manchmal waren die Schneehaufen am Spielfeldrand so hoch, dass die Zuschauer gar nicht richtig zusehen konnten“, beschreibt Riemke die mitunter wohl irregulären Verhältnisse, an denen damals keiner Anstoß nahm.  Egal ob Schneetreiben oder Sommerhitze, vor allem die nordbayerischen Rivalenkämpfe wurden immer wieder vor prächtigen Kulissen ausgetragen. Bei durchschnittlich 2300 Zuschauern in jener Saison ragten die 6000 Anhänger im Hinspiel gegen VfB Coburg ebenso heraus, wie die 4500 Zahlenden im Rückspiel gegen den mittelfränkischen Vertreter aus Büchenbach. „Das waren zweifelsohne die Highlights für uns“, schärmt Hermann Weigl heute noch von der prickelnden Atmosphäre im Karl-Fleschutz-Stadion vor voll besetzten Rängen.


Stolz präsentiert sich der Bayernliga-Zweite, dessen Platzierung zur Teilnahme an der Deutschen Amateurmeisterschaft berechtigte.
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7000 Zuschauer und ein vermeintliches Handspiel

Richtig voll wurde es schließlich fünf Spieltage vor Saisonende am 19. April 1970, als Spitzenreiter FC Wacker München an den Main kam. 7000 Zuschauer strömten an den Fußballplatz, um die letzte vage Hoffnung auf den Meistertitel ihrer Elf mitzuerleben. Schnell geriet der Gastgeber 0:2 in Rückstand, ehe Riemke kurz vor dem Halbzeitpfiff per Elfmeter auf 1:2 verkürzte. Der gerade erst 18-jährige Karl-Heinz Zapf sorgte in der 54. Minute sogar für den Ausgleich – welchen der Schiedsrichter wegen angeblichen Handspiels nicht gelten ließ. „Ordner mußten ins Spielfeld gelaufene Fanatiker hinter die Barrieren zurückbringen“, beschreibt die örtliche Presse die „vor Wut kochenden“ Anhänger, die letztlich eine knappe Niederlage ihrer Mannschaft mit ansehen mussten. Der Zug nach ganz vorne war somit abgefahren, doch auch die Vizemeisterschaft war noch ein erstrebenswertes Ziel…

Teilnahme an der Deutschen Amateurmeisterschaft

In einem spannenden Saisonfinale sicherte sich Lichtenfels schließlich den 2. Tabellenplatz vor der SpVgg Büchenbach, welcher zur Teilnahme an der Deutschen Amateurmeisterschaft berechtigte. Nachdem man die Amateure des 1.FC Kaiserslautern – deren Trainer ein gewisser Werner Liebrich, Weltmeister von 1954, war – in zwei packenden Duellen ausgeschaltet hatte, wartete mit dem VFL Neckarau im Viertelfinale die nächste Herausforderung auf die Mohnkorn-Elf. Auf heimischem Gelände siegte man trotz frühem zwei-Tore-Rückstand noch mit 3:2 und auch in Neckarau führten die Roten durch zwei Dietz-Tore bis zur 78. Minute mit 2:1. Neckarau „mußte zu diesem Zeitpunkt drei Tore schießen, um eine Runde weiterzukommen und der VfL, auf den kein Mensch im Waldweg-Stadion auch nur einen Groschen gewettet hätte, machte das unmöglich Scheinende noch wahr“, geriet die schwäbische Presse ob des fulminanten Schlussspurts des VfL Neckarau ins Schwärmen. 2:4 verloren und ausgeschieden hieß es für Lichtenfels, der sein eigentliches Spiel des Jahres trotz vieler vergangener Höhepunkt immer noch erst vor sich haben sollte…

Den Club am Rande einer Niederlage

„Wir machen uns wenig Hoffnung auf den Sieg, aber wir wollen ein gutes Spiel liefern und uns so teuer wie möglich verkaufen. Dann haben sich meine Spieler und auch wir einen zehntägigen Urlaub in Krumpendorf am Wörthersee verdient“, erwartete nicht nur Trainer Richard Mohnkorn offensichtlich eine Niederlage gegen den eben aus der Bundesliga abgestiegenen 1.FC Nürnberg, der mit Nationalspieler Wenauer am 25. Juli 1970 im Karl-Fleschutz-Stadion antrat und letztlich nur denkbar knapp an einer Blamage vorbeischrammte. „Bei etwas Glück hätte es in Lichtenfels eine Sensation gegeben und der Club wäre auf der Strecke geblieben“, titelte die Tageszeitung in ihrer Ausgabe nach dem äußerst unglücklichen 0:1 gegen den 1.FC Nürnberg vor 7000 Zuschauern im DFB-Pokal.

Im Sportheim des 1.FC Lichtenfels schwelgten Hermann Holzschuh, Reiner Riemke, "Jimmy" Dietz und Hermann Weigl (v.li.) in alten Erinnerungen.
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Ohne Neid die schönsten Jahre verbracht

„Es gab Vereine, bei denen man nicht für ein Butterbrot spielen musste“, macht Dietz zwar deutlich, dass es für die herausragenden Protagonisten des 1.FCL durchaus Angebote – auch aus der 2. Bundesliga – gegeben hätte, den Verein zu wechseln. Dazu gab es für keinen der „elf Freunde“ aber wirklich einen Anlass. „Unser Zusammenhalt beeindruckt mich heute noch. Ohne Fußball hätten wir nichts von der Welt gesehen. Das war einfach die absolut schönste Zeit“, blickt Hermann Weigl immerhin auf 20 Jahre aktiven Fußball in der höchsten Amateurklasse Deutschlands zurück. Hermann Holzschuh kann sich dem nur anschließen: „Niemand konnte neidisch sein, weil keiner wirklich überbezahlt war“, rückt auch der heute 70-Jährige die Kameradschaft als Erinnerung an jene glorreiche Zeit in den Vordergrund. Eine Kameradschaft, die beim jährlichen gemeinsamen Urlaub geprägt wurde. „Das hat uns einfach zusammengeschweißt.  Noch heute treffen wir uns schließlich regelmäßig zu runden Geburtstagen“, beschreibt Reiner Riemke eine Gemeinschaft, die über Jahrzehnte hinaus Bestand hat.
Drei Jahre konnte sich der 1.FC Lichtenfels anschließend noch in der Bayernliga halten, ehe am Ende der Spielzeit 1972/73 der Abstieg in die Landesliga/Nord folgte. Nie wieder sollten die Roten in die höchste Amateurliga aufsteigen, die offensichtlich immer wieder dieselben Geschichten schreibt. „Wir haben in Schwandorf gerade 1:4 verloren und waren damals mit Privatautos zum Auswärtsspiel unterwegs. Zu Hause haben wir gemerkt, dass unser damaliger Trainer Heinz Eger fehlt. Wir hatten ihn vergessen und er ist mit dem Taxi schließlich nachgefahren“, gibt Hermann Holzschuh eine Anekdote zum Besten, die auch in heutiger Zeit nur allzu vertraut klingt…

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