U17 Europameisterin in Weißrussland: Anna Hausdorff wird zum Goldmädchen - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 25.05.2016 um 12:00 Uhr
U17 Europameisterin in Weißrussland: Anna Hausdorff wird zum Goldmädchen
MAGAZIN Seit gut zwei Jahren gehört Anna Hausdorff zum festen Stamm der deutschen Juniorinnen-Nationalmannschaft. Ihren bis dato größten Erfolg konnte die 16-Jährige unlängst bei der U17 Europameisterschaft feiern.  Wie sich Champions-League-Atmosphäre anfühlt verriet Anna Hausdorff unmittelbar nach ihrer Rückkehr gegenüber anpfiff.info.
Von Bernd Riemke
Pfingstmontag, 16. Mai 2016. Die Baryssau-Arena, in der sonst der heimische FK Bate nationale Titel am Fließband einsammelt und mitunter in der Champions-League für Furore sorgt, ist mit 10000 Zuschauern beinahe ausverkauft. Es sind die späten Abendstunden, in denen Anna Hausdorff, 16-jährige Schülerin des Maria-Ward Gymnasiums in Bamberg eine Goldmedaille für den Gewinn der U17-Europameisterschaft mit dem vielversprechenden deutschen Nachwuchs um den Hals gehängt bekommt. Das Finale gegen Titelverteidiger Spanien ging ins Elfmeterschießen und dort behielten die Juniorinnen mit dem Adler auf der Brust mit 3:2 die Oberhand. Mittendrin statt nur dabei: eine bescheidene Abwehrstrategin, die zur inoffiziellen Glücksbringerin des DFB-Teams wurde.

Die „Unbesiegbare“

Auf zehn Länderspiele brachte es Anna Hausdorff bisher – und kein einziges davon ging verloren. Ihre Premiere im schwarz-weißen DFB-Dress feierte sie im Sommer 2014 im schottischen Edinburgh als sie beim 12:0-Kantersieg der deutschen U15 zur Halbzeit eingewechselt wurde und nicht nur in diesem Einsatz einen derart nachhaltigen Eindruck hinterließ, dass die Bamberger Gymnasiastin seither zum festen Stamm der Nationalmannschaft gehört. Wenige Monate später stand sie beim Abspielen der Nationalhymne erstmals nicht mehr neben der Auswechselbank, sondern auf dem Rasen als sie gegen Holland im niedersächsischen Emsbüren vor der stattlichen Kulisse von 2500 Zuschauern auflief. Das erste Tor hat sie sich für ein heimatnahes Gastspiel aufgehoben. „Ich habe auf der linken Seite verteidigt. Bei einem Angriff über rechts habe ich mich mit nach vorne eingeschaltet und die Flanke volley genommen“, schildert Hausdorff ihren Treffer zum zwischenzeitlichen 7:0 in der 69. Minute im tschechischen Domazlice im Sommer 2015.

Zeugniskopien an den DFB

Hausdorff verteidigt während der Saison dank einer Sondergenehmigung in der männlichen U16 des FC Eintracht Bamberg 2010 in der Bezirksoberliga. „Da ist sie die Anna. Sie gehört einfach dazu“, konstatiert Papa Thomas, dass für seinen talentierten Sprössling beileibe keine Extrawurst gebraten wird. Anna Hausdorff selbst plant, sich noch mindestens zwei weitere Spielzeiten mit den „schnelleren und robusteren Jungs“ zu messen. Zum Wohle ihrer sportlichen Entwicklung und auch, weil die schulische Ausbildung absolute Priorität genießt. Ein Wechsel zu einem Frauen-Bundesligisten kommt daher (noch) nicht in Frage. „Kopien unserer Zeugnisse müssen wir regelmäßig an den DFB schicken. Wenn die Noten nicht stimmen kann es sein, dass man zu einem Lehrgang nicht mehr eingeladen wird“, zeigt die 16-Jährige auf, dass man beim Deutschen Fußballbund gesteigerten Wert auf eine solide Ausbildung der Nachwuchskickerinnen legt. Und solche Lehrgänge finden durchschnittlich einmal pro Monat statt – zwangsläufig nicht immer während der Ferienzeiten. Dass so ein Pensum eine zusätzliche Belastung darstellt, steht außer Frage. Ferienzeit ist für Anna Hausdorff daher oft Lernzeit, um die verpassten Unterrichtsinhalte nachzuholen. Ein Spagat, den die Schammelsdorferin bislang hervorragend meistert, so dass der Weg in den EM-Kader frei war.

Die 16-Jährige Gymnasiastin ist eines der hoffnungsvollsten Talente die das weibliche Fußball-Franken zu bieten hat.
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Minsk statt Mathe

Erst vier Wochen vor dem Eröffnungsspiel wurde Anna Hausdorff zu einem Vorbereitungslehrgang auf die Europameisterschaft eingeladen. Dort überzeugte sie derart, dass sie als jüngerer Jahrgang in den Kader des DFB für die Endrunde in Weißrussland nominiert wurde. Nach dem von der UEFA zwingend notwendig vorgeschriebenen Gesundheitscheck und der rechtzeitig eingeholten Schulbefreiung ging es – im Übrigen mit zwei studentischen Lehrkräften an Bord, die alle Mädchen mindestens 90 Minuten am Tag schulisch unterrichteten – in die weißrussische Hauptstadt Minsk. Begleitet von zahlreichen Wünschen aus der Heimat – unter anderem von einigen A-Nationalspielerinnen, die dem DFB-Nachwuchs via Smartphone kräftig die Daumen drückten.

Unaufgeregt ins Finale

Nach einem starken 2:2 zum Auftakt gegen Titelverteidiger Spanien zog die deutsche Elf relativ souverän durch ein 0:0 gegen Italien und ein abschließendes ungefährdetes 4:0 gegen Tschechien als Gruppenzweiter ins Halbfinale ein. Anna Hausdorff trug ihren Anteil beim torlosen Remis gegen die Squadra Azzurra bei. „Im Vorfeld war ich natürlich ein wenig aufgeregt. Mit dem Anpfiff war das allerdings wie weggeblasen“, schildert sie den Moment, in dem sie erfahren hat, zu ihrem ersten Turniereinsatz zu kommen. Trainerin Anouschka Bernhard – die von allen Spielerinnen respektvoll gesiezt wird – attestierte ihr im Nachhinein einen souveränen Auftritt. Einen, bei dem sie als rechte Außenverteidigerin die sich bietenden Räume nutzen und sich in die Offensive einschalten sollte. „Nach einem langen Ball verschätzte sich meine Gegenspielerin. Ich nahm das Leder auf, lief bis zur Grundlinie und spielte den Rückpass in den Fünfer“, schildert Hausdorff eine von ihr kreierte Großchance, die jedoch nicht zum Torerfolg führte. Der Weg der deutschen Mannschaft führte indes über ein 4:3 im Halbfinale gegen England zur Neuauflage des Eröffnungsspiels. Nach 80 regulären Minuten stand ein torloses Remis auf der Anzeigentafel in der prall gefüllten Baryssau-Arena. Das Elfmeterschießen musste die Entscheidung herbeiführen und da sollte der DFB-Nachwuchs kühleren Kopf bewahren. Nach dem letzten verwandelten Treffer zum 3:2 brachen alle Dämme. „An Tagen wie diesen“ dröhnte noch lange in den weißrussischen Nachthimmel, unter dem die deutschen Juniorinnen ihren EM-Titel feierten.

„Hallo, Herr Soldat“

„Es war ein außergewöhnliches Ereignis“, fasst Anna Hausdorff den insgesamt 16-tägigen Trip nach Weißrussland zusammen. „Alle Nationalmannschaften waren im gleichen Hotel untergebracht. Ich habe bei dem Turnier nicht nur fußballerisch viel gelernt, sondern bin auch menschlich weitergekommen“, wagte der Teenager einen Blick über den sportlichen Tellerrand hinaus. Einen unerlaubten Blick ganz anderer Art riskierten die Mädchen als sie ohne großen Hintergedanken das Fenster ihres Hotelzimmers öffneten. Dieses lag wiederum genau gegenüber des weißrussischen Präsidentenpalastes, was unweigerlich dazu führte, dass urplötzlich bewaffnetes Militär im Zimmer stand und die jungen Damen freundlich aber doch bestimmt darauf hinwies, dass es – wohl aus Angst vor Anschlägen auf das Staatsoberhaupt - verboten sei, jene Fenster zu öffnen. Andere Länder, andere Sitten. Das stellte Anna Hausdorff auch bei ihren wenigen Streifzügen durch Minsk fest. „Besonders auffällig war, dass nirgendwo Müll auf dem Boden lag und dass es unter Strafe verboten war, in Parks nicht auf den Wiesen, sondern unbedingt auf den angelegten Wegen zu gehen.“

Im Jahr 2014 gab Anna Hausdorff (2.v.re.) ihre Premiere im DFB-Dress beim Gastspiel im schottischen Edinburgh.
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Nach der EM ist vor der WM

Zurück in Deutschland waren die frisch gebackenen Europameisterinnen zu einem Empfang bei der Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball im Deutschen Fußballbund, Frau Hannelore Ratzeburg, geladen. Mit im Gepäck hatten die stolzen Nachwuchs-Stars  nicht nur ihre Goldmedaille, sondern auch das Siegertrikot des Turniers. Im Falle von Anna Hausdorff das mit der Rückennummer 13 – eine, mit der schon ganz andere Nationalspieler zu Helden wurden…
Diesen nächsten Schritt kann die Zehntklässerin des Maria-Ward Gymnasiums ab dem 25. September gehen, wenn in Jordanien die U17-Weltmeisterschaft angepfiffen wird, für die sich der europäische Titelträger automatisch qualifiziert hat. Während das Nahziel also WM-Teilnahme lautet, zieht es die 16-Jährige, die wie kaum eine andere in der Lage ist, ein Spiel zu lesen und mit ihrer defensiven Zweikampfstärke zu überzeugen weiß, nach erfolgreich abgelegtem Schulabschluss womöglich in die 1. Frauenfußball-Bundesliga. „Man kann alles verbessern“, verweist Anna Hausdorff auf ihren schwächeren linken Fuß sowie ihr nicht ganz makelloses Kopfballspiel und weiß folglich genau, woran sie auf ihrem Weg, den sie ebenso zielstrebig wie selbstbewusst verfolgt, noch arbeiten muss.

Drei Männer  an ihrer Seite…

Herausragende Unterstützung erfährt sie dabei nicht nur von ihren Eltern. „Ohne sie wäre das nicht möglich. Sie fahren mich zum Training oder den Lehrgängen. Mein Papa ist zwar auch mein Kritiker, verteilt aber auch ausgewogen Lob“, gibt sich die 16-Jährige erfreulich reflektiert.  Maßgeblichen Anteil an der Entwicklung einer talentierten Fußballerin hin zu einer Junioren-Nationalspielerin haben zweifelsohne auch ihre beiden bisherigen Trainer. „Ohne Sebastian Schnugg und Roland Schirling, die einhundertprozentig hinter ihr stehen und sie von Anfang an als Mädchen bei den Jungs regelmäßig spielen lassen, wäre so ein Erfolg nicht möglich“, schickt Papa Thomas Hausdorff ein dickes Dankeschön an die Übungsleiter der JFG Ellertal beziehungsweise des FCE Bamberg 2010, die mit der täglichen Trainingsarbeit den Grundstein für eine vielversprechende Karriere legen. Eine, die mit dem Gewinn der U17-Europameisterschaft sicher noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht hat.

anpfiff.info gratuliert Anna Hausdorff auf das Allerherzlichste!

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Steckbrief A. Hausdorff

Anna Hausdorff
Alter
24
Geburtsort
Bamberg
Wohnort
Schammelsdorf / Bremen
Familie
ledig, 0 Kinder
Nation
Deutschland
Größe
165 cm
Beruf
Studentin der Wirtschaftswissenschaften
Hobbies
Mit Freunden treffen (am See)
Starker Fuß
Rechtsfuß
Lieb.-Position
Innenverteidiger
Erfolge
- 17 Länderspiele (U15-U17)
- U17 Europameisterin 2016
- 32 Zweitligaeinsätze (1 Tor) für TSG Hoffenheim 2
Stationen:
- 2006 - 2012 JFG Ellertal
- 2012-2017 FC Eintracht Bamberg 2010
- 2017-2020 TSG Hoffenheim 2
seit 07/2020 SV Werder Bremen

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