Der legendäre Hans Maringer, Teil 2: Der Riedle-Entdecker auf der großen Bühne - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 04.07.2019 um 10:00 Uhr
Der legendäre Hans Maringer, Teil 2: Der Riedle-Entdecker auf der großen Bühne
Union Berlin ist der fünfte Verein der Hauptstadt, der es in die Bundesliga geschafft hat. Beim Aufstieg des vierten Berliner Bundesligisten Blau-Weiß 90 Berlin hatte ein waschechter Nürnberger entscheidend mitgewirkt, der als Legende des hiesigen Amateurfußballs gilt: Hans Maringer war nicht nur Vorstand des TSV Südwest, sondern auch zeitweise der Macher beim Berliner Bundesligisten. Wir blicken in 3 Teilen zurück.
Von Marco Galuska

Mit einem Ohr, so beschrieb es Hans Maringer einst selbst, war er schon Anfang der 1980er-Jahre in Berlin. Für gewöhnlich saß er dann am Samstagnachmittag im Auto und hörte im Radio, wie seine Jungs von Blau-Weiß gekickt haben - "aber erst, wenn das Spiel von den Südwestlern gerade aus ist", betonte der Vorstand des damaligen Landesligisten in einem Zeitungsinterview nach dem Aufstieg in die Bundesliga.

Die Firma Maringer grüßte nicht nur nach Berlin, sondern machte sich hin und wieder auch von der Jägerstraße aus auf den Weg zum Bundesliga-Spiel.
privat / Repro: fussballn.de

Bundesliga-Manager ganz nebenbei

Die Liebe und Nähe zum TSV Südwest (schließlich lag Maringers Firmensitz nur einen Steinwurf vom Sportplatz entfernt) - blieb auch weiterhin bestehen, auch nachdem Blau-Weiß 90 Berlin 1986 tatsächlich in die Bundesliga aufgestiegen war und der Unternehmer aus Nürnberg als 2. Vorstand, Geldgeber und sportlicher Leiter in enger Abstimmung mit Trainer Bernd Hoss die Strippen zog. Dass man das Management aus der Ferne dem freundlichen Neueinsteiger mit dem Hut in der Bundesliga nicht so wirklich zutraute, wischte dieser betont fränkisch weg: "Ich weiß wirklich ned, was die Herren Kollegen Manager denn so den lieben langen Tag lang alles machen? Den Omnibus, den Flug, das Hotel, die Ausrüstung zu bestellen und ein bisschen PR für den Klub - das mach' ich doch ganz nebenbei!"

Maringers klaren Blick für die Sache, den Fußball-Sachverstand, wusste auch der 2016 verstorbene Hoss zu schätzen. "Die Zusammenarbeit war von einem großen gegenseitigen Vertrauen geprägt. Telefonisch stand der Kontakt sowieso jeden Tag von Nürnberg nach Berlin. Wir waren aber auch privat bei der Familie Hoss zum Essen eingeladen, da gab's schwäbische Maultaschensuppe und die Personalien oder die Aufstellung wurden dabei auch mal im Detail besprochen", erinnert sich heute Jürgen Maringer an das herzliche Verhältnis seines Vaters mit dem aus der Stuttgarter Region stammenden Trainer, der Blau-Weiß in die Bundesliga geführt hatte, zurück.

Bundesliga-Vorbereitung auf dem fränkischen Land

Ein Bundesligist zum Anfassen auf dem fränkischen Land: Vorbereitung auf die Saison 1986/87 in Kühedorf im Landkreis Roth.
privat

Die Vorbereitung auf die Bundesliga-Premiere der Berliner war so ungewöhnlich wie das Projekt Blau-Weiß 90 an sich. Nach Kühedorf im Landkreis Roth hatte Maringer das Team um Trainer Bernd Hoss gelotst, der Kontrast zu Berlin hätte kaum größer sein können. Trainiert wurde beim TV 21 Büchenbach, unglaubliche 13 Vorbereitungsspiele standen an. Dass das sicherlich etwas zu viel des Guten gewesen sei, war auch Maringer klar, andererseits hatte er entsprechend viele Anfragen von Vorstandskollegen und auch weiterhin ein Herz für den hiesigen Amateurfußball, wie die Anekdote aus dem Jahr 1988 belegt, als der TV Jahn 1863 zum 125-Vereinsjubiläum den finanziellen Vorstellungen des 1. FC Nürnberg nicht entsprechen konnte, Maringer davon Wind bekam und ohne Antrittsgeld seine Berliner vom Auswärtsspiel in Bayreuth in die Noris lotste.  

Die Lizenz durch den DFB gab es für die Bundesliga mit strengen Auflagen. Das von Konrad Kropatschek eingeführte und durch Maringer nun auf verlässliche Weise fortgesetzte Modell war beim Verband nicht wohlgelitten. Schließlich gehörte Maringer im Prinzip nun ein Bundesligist. Nicht wenige vermuteten, das belegen gar einige Fundstücke aus Print und TV aus der Bundesliga-Saison 1986/87, dass der Abstieg der Berliner von einigen Seiten auch nicht sonderlich bedauert wurde. "Zum einen muss man sagen, dass der Senat traditionell ganz klar die Hertha bevorzugt hatte, andererseits war es zu DDR-Zeiten auch umständlich, überhaupt nach Berlin zu kommen", erinnert sich Sohn Jürgen Maringer noch heute an die Umstände, die er im Teenager-Alter unmittelbar miterleben konnte. Vorsichtig formuliert Maringer junior: "Es waren sicherlich Entscheidungen dabei, die man heute mit dem Videoassistenten ganz sicher anders beurteilen würde."

Merkels Giftpfeile, Maringers Gelassenheit


Hans Maringer (links) beim Trainingslager nach dem Bundesliga-Aufstieg BW 90 Berlin im fränkischen Kühedorf. Bildmitte: Trainer Bernd Hoss
privat

Sportlich gesehen ging es für den Aufsteiger, ohne echte Stars, von Beginn an ums Überleben. Und auch die Presse, allen voran Bild-Kolumnist Max Merkel, ging alles andere als zimperlich mit dem Neuling im Oberhaus um: "Sollte Blau-Weiß die Klasse halten, kleide ich den Maringer von Kopf bis Fuß neu ein!" Maringer selbst reagierte gelassen und schlagfertig auf solche Angriffe aus dem Boulevard: "Meine Jacke entspricht sicher nicht neuester Mode, dafür habe ich mehr Ahnung vom Fußball als viele andere, die schicke Autos fahren und an jedem Finger einen goldenen Ring tragen."
 
Indes kam das Berliner Bundesliga-Stiefkind beim Publikum im großen Olympiastadion zunächst recht gut an. Nur der FC Bayern München - dem man in einem legendären Spiel ein 1:1 abtrotzen konnte - hatte nach der Vorrunde einen höheren Zuschauerschnitt vorzuweisen.

Vater und Sohn Maringer mit Trainer Bernd Hoss, zu dem der Kontakt fast schon familiär war.
privat

Jürgen Maringer erinnert sich an den regelmäßigen Ablauf in den Berliner Jahren: "Meist ging es am Freitagnachmittag vom Firmensitz in Eibach mit dem Auto los. Durch die DDR war das schon ein regelmäßiges Abenteuer mit einiger Wartezeit - und Willkür. Am Abend gab es das Treffen mit dem Trainer, da wurde noch einmal über die vergangenen Tage gesprochen. Am Samstag war dann die Vorbereitung auf das Spiel, mit gemeinsamen Mittagessen, dann ging es mit dem Bus ins Stadion, wobei mein Vater immer mit dem Auto hinterhergefahren ist. Rückblickend waren das natürlich Erlebnisse, die man nie vergessen wird, als Kind konnte ich mich im Innenraum frei bewegen, das Olympaistadion war gewissermaßen mein Wohnzimmer zu dieser Zeit - heute unvorstellbar!"

Riedle im Ronhof entdeckt


Hans Maringer und sein größter Transfercoup: Karlheinz Riedle entdeckte er beim Augsburger Gastspiel im Fürther Ronhof.
privat / Repro: fussballn.de

Dass Maringer nicht einfach ein finanzstarker "Fußballverrückter" war, sondern auch über eine sehr gute Menschen- und Spielerkenntnis verfügte, offenbarte sich in seinem größten Deal, als er den jungen Karlheinz Riedle vom FC Augsburg, der damals als Amateurverein bei der SpVgg Fürth zu Gast war, entdeckte. Obwohl mit Belgiens Nationalspieler René Vandereycken auch namhaft nachverpflichtet wurde - auch dieser Transfer ging in Maringers Zentrale ("ein Chefbüro wie ein Vereinsheim", so die Bild) in Nürnberg über die Bühne - reichte es am Ende für den Underdog nicht zum Klassenerhalt in der Bundesliga.

2:7-Klatsche beim Club für "taube Muck'n"

Ausgerechnet beim Auswärtsspiel beim 1. FC Nürnberg - das Abschlusstraining fand beim TSV Südwest statt - gab es für seine Berliner eine deftige 2:7-Packung, das schmerzte Maringer besonders: "Das war beschämend, die sind rumgelaufen wie taube Muck'n! Da sagen die Leute freilich zu mir: Was willst denn mit den Flaschen?"

Pressekonferenz nach dem Bundesliga-Spiel der Berliner beim 1. FC Nürnberg - Hans Maringer mit Trainer Bernd Hoss, daneben Sven Oberhof.
privat

Das Geschäftliche ließ Maringer bei all dem Enthusiasmus für den Fußball nicht aus dem Auge. So konnte er Riedle an den kommenden Deutschen Meister Werder Bremen für eine Millionen-Ablöse verkaufen. In jenem Deal war auch eine Klausel enthalten, die Blau-Weiß die Teilnahme am damals sehr gefragten Bremer Hallenturnier zusicherte.

Hallenkönige für einen Winter


Und die weiterhin mit einer tollen Kameradschaft ausgestatteten Berliner sollten in jenem Winter überraschend das Bremer Turnier und auch jenes in der ausverkauften Berliner Deutschlandhalle gewinnen. Beide Pokale sind noch in Maringers Nachlass zu finden, auch weil Hans Maringer auf den Einwand von Bremens Manager Willi Lemke, dass der Wanderpokal im nächsten Jahr zurückzugeben wäre, erwiderte: "Na Willi, do moast etz halt an Neier kaafn. Den behalt mer!

Als der VIP-Bereich noch bodenständig war: Bremens Manager Willi Lemke, der Karlheinz Riedle aus Berlin holte, aber seinen Hallenpokal abgeben musste.
privat

Nach dem Abstieg in die 2. Bundesliga machte Maringer weiter, scoutete (wie man heute sagen würde) vor der Haustüre nach weiteren Talenten. Als Riedle-Nachfolger holte er den jungen, ebenfalls extrem kopfballstarken Thomas Adler vom FC Herzogenaurach, mit dem auch Keeper Klaus Mösle nach Berlin wechselte. Helmut "Alu" Rahner kam später von den Club-Amateuren hinzu und wurde unter Trainer Horst Ehrmanntraut zum Profi.

Die Jahre im Profifußball waren gezählt

Indes waren die Jahre im Profifußball für Blau-Weiß 90 gezählt, obwohl zunächst zur Rückkehr in die Bundesliga nicht viel gefehlt hatte. Nach der Trennung unter Tränen von Trainer Bernd Hoss wurde vor allem auch die Renaissance bei Hertha BSC für die Mariendorfer zum Problem. Die Zuschauerzahlen gingen drastisch zurück. Obendrein wurde Maringer im Vorstand immer mehr ausgebootet und zog dann bald darauf einen Schlussstrich.

Thomas Adler, der später die SG Quelle Fürth und den TSV Buch in der Landesliga trainieren sollte, war der designierte Riedle-Ersatz und wurde nach drei Jahren bei Blau-Weiß auch als Toptransfer zu Bayer Uerdingen verkauft.
privat / Repro: fussballn.de

Thomas Adler, Alexander Kutschera und Helmut Rahner verkaufte Maringer im Paket an Bayer Uerdingen, andere Spieler an Stahl Brandenburg und stellte seine Aktivitäten bei Blau-Weiß 90 schließlich ein. Der Verein musste 1992 Konkurs anmelden und in der untersten Spielklasse neu starten.

Mittlerweile haben sich die Mariendorfer wieder in die fünftklassige Oberliga hochgearbeitet. Hans Maringer verstarb im Dezember 2010. Der Sportplatz des TSV Südwest ist längst nach ihm benannt.

Lesen Sie im dritten Teil: Erinnerungen an Hans Maringer!


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