Das große Doppelinterview: Die Bundesliga spricht fränkisch! - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 10.09.2014 um 06:00 Uhr
Das große Doppelinterview: Die Bundesliga spricht fränkisch!
MAGAZIN Zwei Spieltage ist die neue Saison der Frauenfußball-Bundesliga gerade erst jung, da stehen mit den favorisierten Teams schon wieder die altbekannten Gesichter auf den vorderen Plätzen. Mittendrin statt nur dabei sind zwei fränkische Aushängeschilder. anpfiff.info bat Julia Simic und Jessica Wich zum Gespräch. Die Situation der beiden könnte unterschiedlicher nicht sein…
Von Bernd Riemke
Wie Phönix aus der Asche stieg einst die Frankenwälderin Jessica Wich auf. In ihrer ersten Saison in der Bundesliga gewann die heute 24-Jähige die Deutsche Meisterschaft mit Turbine Potsdam und sicherte sich gar die interne Torjägerkanone. Danach folgte jedoch eine sportliche Leidenszeit der Vollblutstürmerin. Den Hamburger SV musste sie nach nur einer Spielzeit wieder verlassen, weil die Hanseaten ihre Mannschaft aus der höchsten deutschen Spielklasse zurückzogen. Der anschließende Wechsel in die Bankenmetropole zum Spitzenteam 1. FFC Frankfurt brachte schließlich nicht die erhofften Einsatzzeiten. Beinahe folgerichtig wagt die gebürtige Kronacherin nach Elbe und Main nun einen Neuanfang am Rhein. Bei den aufstrebenden Kickerinnen von Bayer 04  Leverkusen gilt es für Wich vor allem wieder Spielpraxis zu bekommen und das tun, wodurch sie kometenhaft zum Beginn ihrer Karriere einschlug: Tore schießen.

Seit Beginn dieser Spielzeit trägt Jessica Wich das Trikot von Bayer 04 Leverkusen.
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Frau Wich, Sie standen zwei Jahre beim FFC Frankfurt unter Vertrag. Wie beurteilen Sie rückblickend diese sportlich schwierige, aber auch herausfordernde Zeit?
Jessica Wich: Die Zeit in Frankfurt war eine Erfahrung mit Höhen und Tiefen. Ich hatte trotz allem eine schöne Zeit in Frankfurt, die ich keinesfalls missen möchte in meiner sportlichen Karriere. Ich konnte mich sportlich weiterentwickeln und auf hohem Niveau trainieren. Dennoch bin ich sehr glücklich über meinen Wechsel zu Bayer 04 und freue mich auf die neue Herausforderung.

Welche Umstände führten dazu, dass Sie sich einer neuen sportlichen Herausforderung, sprich einem Vereinswechsel, gestellt haben?
Jessica Wich:  Meine zweites Jahr in Frankfurt lief sportlich und persönlich gesehen nicht wie erwünscht. Um mich persönlich weiterzuentwickeln wollte ich wieder mehr Spielpraxis sammeln.

Und welches waren dann die ausschlaggebenden Faktoren, die für einen Wechsel zu Bayer 04 Leverkusen gesprochen haben?
Jessica Wich: Die Gespräche mit dem Trainer Thomas Obliers verliefen sehr positiv und haben mich unter anderem von Bayer überzeugt. Ebenso aber auch die hervorragenden Trainingsbedingungen und das junge Team mit großem Potential haben mich positiv gestimmt.

Sie zogen von der fünftgrößten Metropole Deutschlands ins eher beschauliche rheinische Land. Wie haben Sie sich in der neuen Heimat eingelebt? Worin sehen Sie die größten Unterschiede zwischen Frankfurt und Leverkusen?
Jessica Wich:  Ich bin mittlerweile gut angekommen. Die Mannschaft hat mich sehr gut aufgenommen und der Spaß am Fußball ist wieder zurück. Das sind zwei ganz unterschiedliche Städte, die beide ihre Vor- und Nachteile haben. Ich mag an Leverkusen, dass es überschaubar ist und man dennoch alles in der Nähe hat was man braucht. Und Köln nebenan bietet alle Möglichkeiten. Hin und wieder fehlen mir aber auch die Hochhäuser am Main. Grundsätzlich hat mir bisher aber jede Stadt gefallen, in der ich gelebt habe.

Trotz Ihrer selbst noch jungen 24 Jahre zählen Sie - nicht zuletzt dank über 100 Bundesligaspielen - zu den erfahrenen Akteurinnen im "Küken-Kader" von Bayer 04. Welche Rolle streben Sie im Team an? Werden Sie automatisch Führungsaufgaben übernehmen?
Jessica Wich: Natürlich möchte man als einer der älteren Spielerinnen eine Führungsrolle übernehmen, aber das kann man nicht nur durch ein bestimmtes Alter beeinflussen.  Ich denke da spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Ich möchte als Vorbild vorangehen, in schwierigen Spielen den Kopf nicht hängen lassen und dadurch meine Mitspielerinnen mitreißen, wenn es mal nicht so läuft.

Auf welcher Position würden Sie sich denn selbst gerne sehen? In vorderster Front oder doch eher hinter den Sturmspitzen?
Jessica Wich: Ich denke da bin ich ganz flexibel, ich spiele alles gern abgesehen von der Vierer-Kette.

Sie tragen die Rückennummer 7. Hat es damit eine besondere Bewandtnis? Haben Sie sich die Nummer herausgesucht oder war sie einfach noch frei?
Jessica Wich: Ich habe mich bewusst für die 7 entschieden und hatte Glück, dass sie noch frei war. Ich mag die Nummer einfach sehr gern und hatte sie schon in den Jugendmannschaften. Sonst gibt es eigentlich keinen weiteren Bezug dazu.

Welche sportlichen Ziele haben Sie sich persönlich für die Saison 2014/15 im neuen Verein vorgenommen?
Jessica Wich: Ich möchte der Mannschaft helfen und selbst zu alter Stärke zurückfinden. Nach einem Jahr mit sehr wenig Spielzeit wird mir die Spielpraxis nach und nach Sicherheit geben. Und natürlich möchte ich auch an meiner Torausbeute arbeiten.

Wohin kann der Weg von Bayer 04 in dieser Saison mit einem immer noch sehr jungen Team führen?
Jessica Wich:  Das werden wir von Spiel zu Spiel sehen. Unser Ziel ist natürlich so viele Punkte wie möglich zu holen und wer weiß, vielleicht stehen wir am Ende auf Platz vier oder fünf.

Sie haben in jungen Jahren die Heimat verlassen. Pflegen Sie noch intensive Kontakte ins Frankenland und können Sie sich eine Rückkehr vorstellen?
Jessica Wich:  Der Kontakt zu meiner Familie ist sehr gut und auch extrem wichtig für mich. Meine Eltern sind so oft es geht bei meinen Spielen. Ansonsten besteht sehr wenig Kontakt. Eine Rückkehr ist momentan noch sehr weit entfernt, aber man weiß ja nie wo der Weg noch hinführt.

Julia Simic spielte in Potsdam eine bärenstarke Rückrunde und zog mit ihrem Team ins Halbfinale der Champions-League ein, wo sie am späteren Sieger VfL Wolfsburg im deutsch-deutschen Duell scheiterte.
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Während Jessica Wich nach fulminantem Start auch die Schattenseiten des Profifußballs kennenlernte, ging Julia Simic in den letzten Jahren den umgekehrten Weg. Gerade auf dem Sprung in die deutsche Nationalmannschaft setzten sie zwei Kreuzbandrisse beinahe zwei Jahre lang außer Gefecht. Den Neuanfang wagte sie ebenfalls in Potsdam und sollte eine persönliche erste Spielzeit hinlegen, die von zahlreichen Höhen, aber vor allem gegen Saisonende auch von bitteren Enttäuschungen geprägt war. In Erinnerung bleiben vor allem neun Liga- und drei Champions-League-Tore, der Einzug ins Halbfinale der Königsklasse sowie die beinahe in allerletzter Minute verpasste Chance auf den Titelgewinn in der Bundesliga. Die 25-Jährige, die zum Auftakt gegen Herford bereits wieder mit dem Runden ins Eckige traf, hat inzwischen auch über 70 Bundesligaspiele in ihrer Vita stehen und mit den Turbinen in der laufenden Spielzeit Großes vor!

Frau Simic, im Sommer 2013 zog es Sie von der Weltstadt mit Herz ins beschauliche Potsdam vor die Tore der Bundeshauptstadt. Wie haben Sie sich denn inzwischen eingelebt?
Julia Simic: Ich habe neun Jahre in München gelebt, dort meine Schule beendet und studiert, weshalb ich es als meine Heimat bezeichnen würde. Diese zu verlassen ist immer ein großer Schritt, unabhängig davon, wohin man geht. Die Mentalität und die Kultur sind hier ein wenig anders, aber ich fühle mich in diesem kleinen, überschaubaren Städtchen sehr wohl. Außerdem habe ich Berlin mit seinen unzähligen Shopping-Möglichkeiten und leckeren Restaurants in unmittelbarer Nähe. Da wir während der Saison maximal zweimal am Tag trainieren bleibt genügend Zeit etwas zu unternehmen.

Wo können Sie denn abschalten und einmal nicht an Sieg oder Niederlage denken?
Julia Simic: Ich bin natürlich viel mit meinem Beagle Coco unterwegs. Der Buga-Park mit kleinen Fußballplätzen und einem Beachvolleyball-Feld ist immer einen Ausflug wert und Sanssouci habe ich beinahe direkt vor meiner Haustür. Aber auch der Neue Garten mit dem Heiligen See ist fußläufig zu erreichen, so dass es hier genügend Möglichkeiten gibt, einmal abzuschalten.

Sportlich haben Sie eine ereignisreiche Saison mit dem Halbfinale  der  Champions-League und dem Kampf um die Meisterschaft bis zum vorletzten Spieltag hinter sich gebracht. Wo sahen Sie Ihre persönlichen Highlights?
Julia Simic: Schon das erste Saisonspiel zu Hause gegen Jena war ein Highlight. Zwischen den beiden Kreuzbandrissen habe ich ganze sieben Minuten in der Liga gespielt. Das war die erste Partie nach zwei Jahren, in denen ich auch eine tragende Rolle hatte. In der Hinrunde konnten wir einige Spiele nach Rückstand noch drehen und sind als Mannschaft einfach zusammengewachsen. Etwas Besonderes war natürlich auch mein erster Titel als wir beim Hallenmasters nach zwei Niederlagen eigentlich schon ausgeschieden waren und am Ende doch noch das Turnier gewinnen konnten. Die Lust darauf, miteinander zu spielen haben wir dann mit in die Rückrunde genommen und neun Spiele am Stück gewonnen. Erst am Schluss kam ein kleiner Einbruch, mit dem wir trotzdem alles verspielt haben. Das bleibt in den Köpfen hängen, was schade ist, weil die Saison eigentlich viele Highlights hatte.

Dazu darf doch sicher auch die Teilnahme an der Champions-League gezählt werden?
Julia Simic: Natürlich. Im Achtelfinale gegen Olympique Lyon galten wir als klarer Nicht-Favorit und waren nach dem 0:1 zu Hause im Hinspiel auch schon so gut wie ausgeschieden. Das Spiel in Lyon nach erneutem 0:1-Rückstand noch 2:1 zu drehen und weiterzukommen war mit das schönste Erlebnis. Champions-League hat grundsätzlich einen Flair, den die Liga zwangsläufig nicht bieten kann. Egal, ob wir in Lyon in einem topmodernen Stadion vor 12000 Leuten spielen oder bei ASD Torres auf Sardinien, wo die Bedingungen weniger professionell waren.

Sie drangen schließlich bis ins Halbfinale vor, waren in der Liga lange Zeit Spitzenreiter und standen am Ende was Titel und Qualifikation für den internationalen Wettbewerb angeht, mit leeren Händen da. Überwiegt der Stolz auf das Erreichte oder die Enttäuschung über die verpassten Chancen?
Julia Simic: Die Niederlagen, weil das einfach die letzten Entscheidungen waren. Potsdam hat über Jahre hinaus immer international gespielt und wir waren bis 95 Minuten vor Saisonende Meisteranwärter. Dann am Ende nur Dritter zu werden ist bitter und das gilt es jetzt besser zu machen.

Sie selbst  konnten wieder eine komplette Saison verletzungsfrei durchspielen. Wie beurteilen Sie Ihre eigenen Leistungen?
Julia Simic: Ich glaube, dass eine Entwicklung vom ersten Tag bis zum letzten Spiel stattgefunden hat. Nach der langen Verletzung muss man einen Prozess durchschreiten, die ersten Fouls wegstecken und sowohl psychisch wie physisch merken, dass alles hält. Vor allem in der Rückrunde, wo ich konstanter spielen konnte, bin ich mit meiner persönlichen Leistung sehr zufrieden und möchte nun dort einsteigen, wo ich letzte Saison aufgehört habe.

Vor Ihren Verletzungen gehörten Sie bereits einmal zum Kader der Nationalmannschaft. Ist das jetzt wieder ein Ziel?
Julia Simic: Ich habe sicher noch den Traum, ein Länderspiel zu machen. Wenn man sich voll reinhängt und erfolgreich ist, dann hat man den Anspruch die nächste Etappe zu nehmen. Ich weiß allerdings um meine Konkurrenz und werde versuchen mich weiterhin mit guten Leistungen im Verein der Bundestrainerin anzubieten, um vielleicht doch im nächsten Jahr bei der WM dabei zu sein.

Und die Ziele im Verein? Rückt – da Sie international nicht vertreten sind – auch der DFB-Pokal wieder mehr in den Fokus?
Julia Simic: Natürlich. Da wollen wir auf jeden Fall weit kommen. So ein Finale vor vielen Fans bekommt man sonst auf nationaler Ebene nicht geboten. Das ist auf jeden Fall ein Ziel, aber auch für die Champions-League wollen wir uns wieder qualifizieren. Das heißt  Platz eins oder zwei. Gegen die vermeintlich schwächeren Teams müssen wir wie in der vergangenen Saison zuverlässig unsere Punkte holen und gegen die Spitzenmannschaft die Big Points setzen. Das ist uns letztes Jahr nicht gelungen.

Unweit des „Karli“ – Ihrer Heimspielstätte – liegen die Filmstudios von Babelsberg. Wann sehen wir Sie zum ersten Mal in einer Gastrolle bei „Gute Zeiten - Schlechte Zeiten“?
Julia Simic : Bisher ist noch niemand auf die Idee gekommen, uns zu fragen. Wenn so ein Angebot käme wären wir vielleicht sogar offen, darüber zu sprechen. Vielleicht ist ja dieses Interview jetzt der Anstoß dazu (lacht).


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Steckbrief J. Simic

Julia Simic
Spitzname
Sici
Alter
35
Geburtsort
Fürth
Wohnort
Mailand
Nation
Deutschland
Größe
162 cm
Beruf
Fußball-Profi
Hobbies
Hund Coco, Musik, Freunde, Shoppen, Lachen
2006 U18 Länderpokalsieger

2007 U19 Europameisterin

2008 U20 WM Bronzemedaille

2009 Vizemeister FC Bayern München

2011 Supercup Sieger FC Bayern München

2012 DFB Pokalsieger FC Bayern München

2014 DFB-Hallencup Sieger und Champions League Halbfinale mit FFC Turbine Potsdam.

2015, 2016 und 2017 DFB-Pokalsiegerin mit VfL Wolfsburg

2017 Deutsche Meisterin mit VfL Wolfsburg.

140 Bundesligaspiele (39 Tore)
15 Einsätze DFB-Pokal (5 Tore)
19 Champions-League Einsätze (6 Tore).
2 Länderspiele (A-Nationalmannschaft).

16 Einsätze FAWSL für West Ham United (2 Tore)

4 Einsätze Serie A für AC Milan.

Stand: 01.07.2021


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