Auswüchse der Bürokratie: Das große Rätselraten um die Freiheiten im Sport - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 18.05.2021 um 17:00 Uhr
Auswüchse der Bürokratie: Das große Rätselraten um die Freiheiten im Sport
Es ist ein großes Dilemma im Pandemiegeschehen, dass beinahe wöchentlich neue Vorgaben kaum mehr verständlich an der Basis landen. Im Bereich des Sports zeigt sich, dass die einst so vermeintlich klar aufgestellte Matrix der Öffnungsschritte in der Realität mehr Fragezeichen als Antworten liefert. Wir versuchen den aktuellen Stand zu erörtern und landen bei der Frage: Wann bekommt das Kind wie viele Kugeln Eis?
Von Marco Galuska
Kommen wir gleich einmal auf den Punkt. Wo dürfen aktuell wie viele unter welchen Bedingungen Sport ausüben? Vorweg: Die genaue Antwort gibt es derzeit (noch) nicht! Denn möglicherweise ist die Aussage des Innenministeriums gegenüber dem BLSV vom vergangenen Freitag schon nicht mehr zeitgemäß. Ein Indiz, aber freilich noch keinen Beweis, liefert der heutige Beschluss aus dem Kabinett, wonach für Sportveranstaltungen draußen ab dem 21. Mai bis zu 250 Zuschauer (je nach Inzidenz mit oder ohne Test) zugelassen werden.

Der Bayerische Fußball-Verband versuchte ebenfalls mit einem Bericht Licht ins Dunkel zu bringen. Grundsätzlich wäre auch alles recht schnell zu erklären: Dort wo die Inzidenz über 100 liegt, geht kein Mannschaftssport, unter 100 mit Tests und unter 50 laut des seit 10. Mai gültigen Öffnungsschritts in Bayern sogar ohne. Soweit so gut. Wäre da nicht noch die entscheidende Einschränkung in einem letzten Satz, der in Großbuchstaben beginnt: WICHTIG: Auch bei einer weiteren Öffnungserlaubnis durch die zuständige Kreisverwaltungsbehörde gelten weiterhin die Gruppenbeschränkungen; Kontaktsport ohne Beschränkung der Teilnehmerzahl ist nicht möglich.

Gruppenbeschränkung trotz weiterer Öffnung?

Doch wo kommt diese Einschränkung nun plötzlich her? Wir begeben uns auf Spurensuche und fragen nach bei der Pressestelle des BFV: "Grundsätzlich beziehen wir uns auf die Angaben/Infos des BLSV. Der BLSV stand zum Thema in Kontakt mit dem Innenministerium." Also richten wir unsere Nachfrage an die Pressestelle des BLSV, der in seiner Handlungsempfehlung an die Vereine jene Beschränkung der Gruppengrößen ebenfalls aufführt. Und auch hier erhalten wir schnell eine Antwort. Man habe in der vergangenen Woche dem Innenministerium die Frage nach den Gruppengrößen gestellt und am 14. Mai folgende Antwort erhalten: "Es gelten – auch im Falle von weiteren Öffnungsschritten gem. § 27 der 12. BayIfSMV – die in § 10 Abs. 1 der 12. BayIfSMV geregelten Gruppengrößen bzw. Personenzahlen. Die Sportausübung ohne Begrenzung der Personenzahl ist nach den derzeit geltenden Vorschriften nicht möglich. Lediglich für geimpfte und genesene Personen finden die Kontaktbeschränkungen keine Anwendung (vgl. § 1a Abs. 3 Satz 1 der 12. BayIfSMV)."

Blick in die 12. BayIfSMV und keine Bestätigung

Es ist also grundsätzlich nachvollziehbar, dass BFV und BLSV ihre Meldungen entsprechend angepasst haben. Aber erscheint die Aussage des Innenministeriums nicht etwas willkürlich? Wir blicken also in die maßgebliche 12. BayIfSMV. Diese gibt es seit dem 5. März. Im §10 findet sich im Sport die Beschränkung auf die genannten Gruppengrößen. Allerdings sind im §27 "Weitere Lockerungen" als inzidenzabhängige Maßnahmen aufgeführt. Diese gelten seit dem 10. Mai. Und im §27 finden sich auch bei genauerem Hinsehen keine Einschränkung durch Gruppengrößen! Nicht mehr auf dem neuesten Stand (sondern vom 5. Mai) ist indes auch das Schaubild, das auf der Seite des Innenministeriums zu finden ist. Eine entsprechende Anfrage beim für die Verordnung zuständigen Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege blieb bislang noch unbeantwortet.

Das Eis nach den Hausaufgaben

Weitgehend unstrittig ist hingegen der bürokratische Prozess, der anläuft, wenn eine Stadt oder ein Landkreis konstant (also fünf Tage) unter der 7-Tage-Inzidenz von 100 bzw. 50 liegt. Die zuständige Kreisverwaltungsbehörde macht den neuen Status amtlich bekannt und fragt die dadurch möglichen Öffnungen über die Bezirksregierung beim Gesundheitsministerium an. Wenn das Einvernehmen aus München vorliegt, wird auch das offiziell bekannt gemacht und die Öffnungen benannt. Erst dann gelten die Öffnungen.

Zu kompliziert? An einem bildlichen Beispiel wäre der Vorgang also vereinfacht der: Der Vater (Gesundheitsministerium) sagt dem Kind (Kreisverwaltungsbehörde), dass es ein Eis gibt, wenn es die Hausaufgaben (7-Tage-Inzidenz konstant unterschritten) erledigt hat. Das Kind meldet sich nach den erledigten Hausaufgaben bei der Mutter (Bezirksregierung), die dem Vater ausrichtet, dass die Aufgaben erledigt seien und gestattet das Eis. Ob das Kind nach allen Kugeln Eis nachfragen lässt oder sich ein paar Kugeln nach den erledigten Hausaufgaben direkt gönnt, wird übrigens von den Kindern im Freistaat unterschiedlich gehandhabt. Ach ja, über die Portion der Eiskugeln müsste der Vater dann (vielleicht) auch noch einmal genauer mit dem Kind reden...

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§27 Weitere Öffnungsschritte

(Auszug aus der 12. BAYIFSMV)

(1) Wird in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt die 7-Tage-Inzidenz von 100 nicht überschritten und erscheint die Entwicklung des Infektionsgeschehens stabil oder rückläufig, so kann die zuständige Kreisverwaltungsbehörde im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und nach Maßgabe von Rahmenkonzepten, die von den zuständigen Staatsministerien im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege bekanntgemacht werden und in denen die erforderlichen Schutz- und Hygienemaßnahmen festzulegen sind, folgende weitere Öffnungen zulassen:
...
3. kontaktfreier Sport im Innenbereich sowie Kontaktsport unter freiem Himmel unter der Voraussetzung, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer über einen Testnachweis (...) verfügen;

(2) Wird in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt die 7-Tage-Inzidenz von 50 nicht überschritten und erscheint die Entwicklung des Infektionsgeschehens stabil oder rückläufig, so kann die zuständige Kreisverwaltungsbehörde im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege weitergehende erleichternde Abweichungen von den Bestimmungen dieser Verordnung in Bezug auf
...
3. den kontaktfreien Sport im Innenbereich und den Kontaktsport im Außenbereich.


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