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Artikel veröffentlicht am 09.02.2022 um 07:00 Uhr

Uwe Neunsinger im Interview: "Fußball ist für viele nur noch eine Option"

INTERVIEW Anfang November trat Trainerfuchs Uwe Neunsinger seinen Freundschaftsdienst auf Zeit an der Seitenlinie der SGV Nürnberg-Fürth 1883 an. Nach zwei Siegen zum Jahresabschluss überwintert das Fusionsteam auf dem vierten Tabellenplatz der Kreisliga. Warum er seine Mannschaft dennoch nicht zu den Aufstiegskandidaten zählt und welche Baustellen es zu beheben gibt, erklärt der 50-Jährige im fussballn.de-Interview der Woche.

Von Michael Watzinger

Uwe Neunsinger kehrte wegen eines Freundschaftsdienstes bei der SGV Nürnberg-Fürth 1883 an die Seitenlinie zurück.

fussballn.de

Hallo Uwe, vor ziemlich genau drei Monaten startete dein zeitlich begrenzter Freundschaftsdienst bei der SGV Nürnberg-Fürth 1883, für den du als Trainer an die Seitenlinie zurückgekehrt bist. Wie fällt ein erstes Zwischenfazit aus und worauf lag der Fokus in der Anfangszeit?

Uwe Neunsinger (50): Nachdem die Mannschaft zuvor aus sechs Partien lediglich einen Sieg verbuchen konnte und für ein Spitzenteam schon ein Stück weit im freien Fall war, gelangen uns vor der Winterpause noch zwei Zu-Null-Siege und wir konnten den Negativtrend stoppen. Wir haben der Truppe meine Arbeitsweise vorgestellt und die Jungs wollten dabei voll mitziehen. Deshalb wollten wir auf das vorhandene Team setzen. Nach aktuellem Stand war das jedoch ein Fehler, denn im Moment scheint der Kader wegen unplanmäßigen Abwesenheiten und Abgängen inzwischen stark dezimiert. Das spiegelt sich auch in der Trainingsbeteiligung wider, die für ein Spitzenteam zu schwach ist. Allerdings: die Jungs, die da sind, machen ihre Sache wirklich gut und zeigen sich äußerst engagiert!

Vor der Winterpause gab es unter der Ägide von Interimscoach Uwe Neunsinger für die SGV 1883 (in blau) gegen Hagenbüchach (in grün) und Vatanspor zwei Zu-Null-Siege. Dennoch fällt das erste Fazit des Trainerfuchses nicht komplett positiv aus...

fussballn.de / Kühnel

Das klingt nicht nach vollumfänglicher Zufriedenheit...

Neunsinger: In der Position, in der wir uns aktuell befinden, wollten wir eigentlich nochmal Druck auf die vorderen Mannschaften ausüben. Da die anderen Spitzenteams individuell ein ganzes Stück stärker aufgestellt sind als wir selbst, funktioniert das für uns aber hauptsächlich über die Faktoren Geschlossenheit und Fitness. Deshalb müssen wir in der Vorbereitung eigentlich mehr arbeiten als die Konkurrenz - und danach sieht es derzeit meiner Ansicht nach aber nicht aus. Das habe ich mir anders vorgestellt.

Das Transferfenster schloss zum 31. Januar endgültig. Was tat sich bei euch auf der Seite der Zu- und Abgänge?

Neunsinger: Ursprünglich war der Tenor der Mannschaft, gemeinsam arbeiten und angreifen zu wollen. Auch deshalb haben wir uns dazu entschlossen, keine Neuzugänge hinzuzuholen. Letztendlich gab es mit Abdulhadi Munteser, der uns mit unbekanntem Ziel verlassen hat, Jonas Ernesti, der nach Groß'lohe gewechselt ist, Serhat Ülkü, der sich der Turnerschaft Fürth anschloss, Lukas Marx, der nach Poppenreuth ging und zuletzt auch Felix Ullmann, der uns kurz vor Ende der Wechselfrist mitteilte, nach Buch wechseln zu wollen, von uns aber keine Freigabe bekommen hat, insgesamt fünf Abgänge. Hinzu kommt, dass Burak Babur nach einem erneuten Kreuzbandriss nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Mit Francesco Pugliese wurde abschließend von unserer Seite dann noch ein Spieler vom TSV Azzurri verpflichtet - er wird allerdings erst im Mai spielberechtigt sein. Zudem haben ja bereits viele Jungs aus dem eigenen Nachwuchs vor der Winterpause unter mir erste Einsätze in der Kreisliga erhalten - und ihre Sache sehr ordentlich gemacht!

Felix Ullmann (am Ball) gehört zu einem Quintett, welches das Fusionsteam im Winter verlassen hat.

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Mit dir als Interimstrainer und Mario Fisciano - derzeit Trainer der Kreisklassen-Vertretung - als interner Zukunftslösung zur neuen Saison hat man eine ungewöhnliche Situation im Verein. Wie verläuft die Zusammenarbeit im Hinblick auf das Tagesgeschäft und wie verlief sie während der Wechselphase?

Neunsinger: Die Aufstellung und Trainingsgestaltung fallen derzeit natürlich schon komplett in meinen Bereich. Wir sind allerdings im engen Austausch, was die Planung der Kader gerade in Sachen Spielzeiten der einzelnen Spieler angeht. Zudem sind beide Mannschaften, wie bereits erwähnt, derzeit nicht gerade üppig besetzt, weshalb wir auch schon Trainingseinheiten zusammengelegt haben. Während des Transferfensters war es nach den Zusagen aus der Mannschaft unser Plan, keine großen Dinge in Angriff zu nehmen - auch damit Mario im Sommer völlig freie Hand hat, das Team nach seinem Geschmack zusammenstellen zu können. Wie so oft gilt: Man kann das Leben nur vorwärts leben, aber rückwärts verstehen. Oder anders ausgedrückt: Im Nachhinein ist man immer ein ganzes Stück schlauer...

Ist eine gemeinsame Zusammenarbeit für Dich auch über die Saison hinaus vorstellbar?

Neunsinger: Das hängt natürlich auch davon ab, was der Verein sich vorstellt und was er will. Ich habe letztlich immer ein offenes Ohr und habe bereits in der Vergangenheit den einen oder anderen Ratschlag für Vereine parat gehabt. Letztlich ist das aber alles Zukunftsmusik.

Ungewöhnliche Konstellation: Interimstrainer Uwe Neunsinger (r.) stand beim Test gegen den ATSV Erlangen II gemeinsam mit Zukunftslösung Mario Fisciano (2.v.r.) an der Seitenlinie.

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Zurück zu deiner Mannschaft: Inzwischen hast du die Jungs ja schon besser kennenlernen können. Wo siehst du die Stärken und wo die Schwächen der Truppe?

Neunsinger: Die Jungs haben bislang eine tolle Moral gezeigt und sich auch von Rückschlägen nicht umwerfen lassen. Außerdem setzt das Team das Besprochene oftmals gut um, was ebenfalls eine Stärke darstellt. Auf der anderen Seite zeigt sich noch zu oft der jugendliche Übermut, sowohl was das Thema Chancenverwertung angeht - wir schießen deutlich zu viele Fahrkarten - als auch in Sachen Absicherung, wenn wir zu weit aufrücken und dann zu wenige Spieler hinter den Ball bekommen. Das sind jedoch Fehler, die zu unserer Entwicklung dazugehören und an denen wir arbeiten wollen. Damit habe ich überhaupt kein Problem!

Bereits vor der Winterpause hast du eine unheimlich junge Truppe auf das Feld geschickt. Dieser Trend hat sich beim ersten Test am Wochenende beim 3:3 gegen den ATSV Erlangen II, Spitzenreiter der Kreisliga Erlangen/Pegnitzgrund, fortgesetzt. Wie zufrieden warst du mit dem Auftritt der Mannschaft?

Neunsinger: Die Jungs haben gesehen, dass sie konkurrenzfähig sind - das war sehr wichtig für den Kopf! Nachdem stellenweise unterstellt worden war, dass sie nicht die nötige Qualität mitbringen würden, tat das schon unheimlich gut. Man hat gesehen, dass sie sich zur Wehr setzen und darüber hinaus in der Lage sind, sich auch gegen ambitionierte Gegner einige Torchancen zu erarbeiten. Im nächsten Schritt wird es darum gehen, diese noch kaltschnäuziger zu nutzen. Dennoch können wir aus diesem Spiel durchaus Positives mitnehmen.

Im ersten Test gegen den ATSV Erlangen II (in rot-schwarz) gab die junge Truppe der SGV Nürnberg-Fürth 1883 auf dem heimischen Kunstrasen eine gute Figur ab.

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Du hast die Themen Jugendlichkeit und Chancenverwertung bereits angesprochen. Mit David Greve kam ein erfahrener Akteur aus der 3. Mannschaft am Sonntag zum Einsatz - könnten erfahrene Akteure wie er oder auch Angreifer Cem Hür des Rätsels Lösung sein?

Neunsinger: David hat uns trotz seiner inzwischen 35 Jahren äußerst gut getan und wird auch weiterhin bei uns dabei bleiben - auch wenn mir das für unsere Merl-Bau-Truppe sehr Leid tut und das bestimmt auch nicht jedem gefallen wird. Was Cem angeht: Ich habe drei Stürmer im Kader und werde mit diesen arbeiten. Allerdings ist völlig klar, dass ich einzig das Wohl der Mannschaft im Sinn habe. Wenn ich der Meinung bin, dass er dem Team gut tut, habe ich keine Angst davor es auszuprobieren. Das Alter spielt für mich keine Rolle, wichtig ist nur, ob ein Spieler der Truppe helfen kann.

Ihr überwintert auf dem vierten Tabellenplatz und befindet Euch mit 33 Punkten noch in Reichweite zur Relegation. Wie siehst du eure Lage, gerade auch im Bezug zur Konkurrenz?

Neunsinger: Darüber mache ich mir zum jetzigen Zeitpunkt keine Gedanken! Fakt ist, dass schon der Auftakt gegen die Turnerschaft ein richtungsweisendes Spiel für uns sein wird. Die haben ordentlich nachgelegt und aus meiner Sicht absolutes Bezirksliga-Niveau, was deren bisherigen Testspiele noch einmal unterstrichen haben! Zudem kommt, dass wir durch einen taktischen Fehler meines Vorgängers mit einer ordentlichen Hypothek in das Spiel gehen, schließlich haben wir das Hinspiel zuhause mit 3:5 verloren und müssten nun mit 3:0 auswärts gewinnen, um den direkten Vergleich für uns zu entscheiden. Überhaupt habe ich in meinen Augen in der Gesamtheit keinen wirklichen Aufstiegsaspiranten bei meinem Antritt vorgefunden, sondern ein Team mit einigen Baustellen in puncto Taktik, Körperlichkeit und Charakter. Jetzt gilt es für mich das Ganze aufzuräumen, damit Mario im Sommer einen möglichst sauberen Neuanfang starten kann.

David Greve (l.), Kapitän der SGV Nürnberg-Fürth 1883 3 Merl-Bau, wird fortan bei der Kreisliga-Truppe dabei sein und soll dabei mithelfen, die Fusionself auf Kurs zu bringen.

fussballn.de / Strauch

Wie wird es bei dir nach Saisonende weitergehen? Bist du an der Seitenlinie noch einmal auf den Geschmack gekommen?

Neunsinger: Ich kann nicht leugnen, dass es nach wie vor befriedigend ist, wenn man mit einer jungen Mannschaft und einem klaren taktischen Plan einen Gegner, wie zum Beispiel Vatanspor, schlägt! Andererseits ist für mich inzwischen das Drumherum das Ganze nicht mehr wert. Es steht mir einfach zu sehr "das Ich" im Vordergrund und nicht mehr "das Wir". Aus meiner Sicht gibt es nur noch zwei, drei, vielleicht auch vier Vereine, in denen die Welt noch in Ordnung ist. Es hat sich in Sachen Einstellung einfach sehr viel in die falsche Richtung entwickelt - für viele ist Fußball keine Pflicht mehr, sondern lediglich eine Option... Das ist für mich, der immer 100 Prozent gibt, einfach nur schwer zu verstehen.