Zum 75. Geburtstag: Karl-Heinz Carra – seine letzte Spielersitzung - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 25.01.2017 um 12:00 Uhr
Zum 75. Geburtstag: Karl-Heinz Carra – seine letzte Spielersitzung
MAGAZIN Ein harter Hund mit Gerechtigkeitssinn: Karl-Heinz Carra prägte über viele Jahrzehnte den Spielkreis. Zu seinem 75. Geburtstag scharte der Tausendsassa etliche Weggefährten um sich – und jeder wusste eine Anekdote über ihn zu erzählen.
Von Leo Hühnlein, Fränkischer Tag
Der Forchheimer Karl-Heinz Carra prägte über Jahrzehnte die Fußballszene im Spielkreis Forchheim und darüber hinaus. Zunächst als Aktiver, dann als Spielertrainer und Trainer stand Carra seit Mitte der 50er Jahre am und neben dem Spielfeld. Auch ein Schicksalsschlag konnte ihn nicht daran hindern, seinen geliebten Sport auszuüben.

Generationen von Fußballern und Funktionären kennen seinen Namen noch heute. Der inzwischen 75-Jährige wirkte im gesamten Forchheimer sowie im Bamberger Landkreis. Anlässlich seines Jubeltags folgten zahlreiche Weggefährten der Einladung nach Schlaifhausen, wo Carra einst ebenfalls lehrte. Der Saal im Gasthaus Schüpferling war bis auf den letzten Platz gefüllt – und doch hätte der Jubilar „noch 500 weitere Leute gerne dabei gehabt“.

Neben der Familie und den Fußballern gratulierten einige Arbeitskollegen unter den etwa 80 Gästen ihrem ehemaligen Vorgesetzten. Bemerkenswert deshalb, weil Carra einst nicht nur die Interessen des Unternehmens als Führungsperson vertrat, sondern sich als Betriebsrat auch für seine Mitarbeiter einsetzte. Doch sein Herz gehörte dem Fußball. Bereits beim Gesprächstermin, gut zwei Wochen vor seinem Jubeltag, blitzten die Augen lausbubenhaft. Es sprudelte nur so aus ihm heraus, wenn er von Erfolgen und Niederlagen erzählte, so, als wäre es gestern gewesen. Der Platz würde nicht ausreichen. Wir versuchen es trotzdem.

Viele Gäste hatte Karl-Heinz Carra zu seinem 75. Geburtstag. Der Saal im Gasthaus Schüpferling war prall gefüllt.
Fränkischer Tag

Geboren wurde Carra 1942 in Berlin. Als der Vater in Bad Steben Polizeichef wurde, zog die Familie nach Issigau nahe Lichtenberg an der Grenze zu Thüringen, ab 1950 nach Forchheim. In seiner Schul- und Jugendzeit schloss sich der talentierte Kicker erst der SpVgg Jahn und danach dem VfB Forchheim an, bevor er 1962 als Student in München ein Schlüsselerlebnis erfuhr: Karl „Charly“ Mai, Weltmeister von 1954, startete als Trainer beim MTV München – dort kickte Student Carra: „Mich faszinierte seine ruhige, gelassene Art. Er wusste, wie man mit Menschen umgeht.“ Also wurde Carra nach dem Studium selbst Coach und heuerte als Spielertrainer beim TSV Lichtenberg an, wo er auch die Jugendmannschaft trainierte. Er hatte Blut geleckt. Nach Rückkehr in Forchheim 1965 übernahm er die Schüler- und Jugendmannschaft des VfB, mit denen er sechs Meisterschaften und Kreismeisterschaften, außerdem vier prestigeträchtige Stadtmeister-Titel holte – und ließ sich beim Trainieren auch vom Winter nicht aufhalten: „Auf den Plätzen lagen 30 Zentimeter Schnee und es gab damals keine Chance, die Felder zu räumen. Also trainierte ich mit meinen Jungs in der Unterführung beim Bahnhof, denn dort unten lag ja kein Schnee.“

In den Folgejahren coachte Carra zwölf verschiedene Vereinsmannschaften. Manche davon mehrmals und sogar gleichzeitig. Stets galt eine eiserne Regel: „Für meine Spieler war ich entweder der Trainer oder Herr Carra. Das hatte für mich mit Respekt und Disziplin zu tun. Ich wollte vermeiden, dass einer ruft: Hey Carra. Denn so ruft man seinen Hund.“

Als er gleichzeitig in Bammersdorf und in Sassanfahrt in der Landesliga arbeitete, erlebte er beim ASV die größte Enttäuschung seiner Karriere: „Nach dem Training hatte ich die Spielersitzung gehalten, anderntags erfuhr ich aus dem Fränkischen Tag von meiner Entlassung. Da passte es gut, dass Kirchehrenbachs Coach Erich Tauchmann dem Lockruf von Meisterspieler Robert „Zapf“ Gebhardt folgte und 1979 als dessen Co-Trainer zum 1. FC Nürnberg wechselte. So trainierte ich mit dem TSV Germania und Bammersdorf weiterhin zwei Vereine gleichzeitig.“ Dieses Kunststück wiederholte Carra später, als er den SV Weilersbach zum Klassenerhalt führte und nebenbei mit der B-Jugend von Jahn Forchheim zwei Meisterschaften gewann.
Zu jedem Verein, den er übernahm, gäbe es Bücherfüllendes zu erzählen, doch alles wäre ohne den Rückhalt der Familie nicht möglich gewesen. Vor allem Ehefrau Brigitte begleitete ihren Mann nahezu ausnahmslos in all den Jahren. Schon die Hochzeit 1963 ging als „echte VfB-Hochzeit“ durch die Presse, nachdem das Brautpaar durch den Spalierbogen der Handballerinnen und der Fußballer geschritten war. Brigitte, genannt „Micky“, war Mitbegründerin der VfB-Damenhandballmannschaft.

Aus der Ehe gingen mit Uwe, Marion und Angela drei Kinder hervor, die ebenso Sportler-Gene in die Wiege gelegt bekamen. Alle waren talentierte Leichtathleten, wodurch ihnen der Titel „Sportlichste Familie der Kreise FO/ERH“ verliehen wurde. Sohn Uwe verbrachte die Jugendjahre beim 1. FC Nürnberg, ihm gelang beinahe der Sprung in den Profibereich. Nachdem Ehefrau und Mutter Brigitte im November 2015 verstorben war, reifte in Karl-Heinz der Plan, sich an seinem 75. Geburtstag von den langjährigen Weggefährten würdig zu verabschieden.

Der SV Weilersbach im Jahr 1984 nach dem Entscheidungsspiel um den Klassenerhalt gegen den SC Adelsdorf: Karl-Heinz Carra (li. oben), direkt daneben: sein Sohn Uwe.
privat

Die Begrüßungsrede im vollen Schüpferling-Saal begann der Jubilar standesgemäß mit dem ihm eigenen Humor: „Früher bei den Spielersitzungen waren es oft mehr Leute, aber dafür war es schneller still, wenn ich aufstand.“ Es folgte ein kurzweiliger Umriss der Laufbahn mit Auszügen aus einzelnen Stationen, zu denen er Gäste persönlich ansprach: „Von Rudi Bieneck und seiner Gattin Betty habe ich alles bekommen, als ich in Egloffstein trainierte – auch wenn es mitten in der Nacht war.“

In Bammersdorf überraschte ihn der ungeheure Vertrauensvorschuss: „Dort haben sie mir direkt nach Amtsantritt mein Gehalt für ein halbes Jahr im Voraus bezahlt. Heute wäre das undenkbar.“ Carra dankte es nach einer dramatischen Saison und zwei Entscheidungsspielen gegen Waischenfeld mit Meisterschaft und Aufstieg. Mitentscheidend sei gewesen, dass Carra auf die Jugend setzte und im Januar die beiden 17-jährigen Hermann Seitz und Norbert Dörfler freimachen ließ. Letzterer folgte dem Trainer später nach Ebermannstadt und ersetzte Peter Striegel als Torwart, womit er dessen bis heute unerreichte Stürmerkarriere mit 498 Toren ermöglichte.
Auch an den Tischen wurden lebhafte Erinnerungen erzählt. Der gebürtige Kirchehrenbacher Robert Finze, der unter Carra beim SV Weilersbach spielte, erinnert sich an ein Abstiegsspiel gegen Adelsdorf: „Nach zwei Minuten unterlief mir per Hinterkopf ein Eigentor zum 0:1, in der Pause war die Hölle los. Karl-Heinz peitschte uns nach vorn nach dem Motto: Jetzt erst recht, und wir gewannen noch mit 3:2. Damals war ich ein unbequemer Spieler, aber Karl-Heinz war nie nachtragend. Er war ein harter Hund, aber immer gerecht.“

Franz Stein, ehemals Klubboss beim SV Pretzfeld: „Er hat die Spieler gesiezt. Da ich Vorsitzender war und ihn verpflichtet hatte, durfte ich als einziger Karl-Heinz sagen.“ Heinz Bernhardt hatte Carra als Spielleiter in Schlaifhausen verpflichtet und bewunderte ihn als Spieler: „Was Udo Lattek in den 70ern für die Bundesliga war, war Karl-Heinz für den Fußballkreis. Er war wie ein Ersatzvater zu mir, vor allem, weil ich meinen eigenen sehr früh verlor. Er hat von den Spielern nie mehr verlangt, als er von sich selbst verlangt hätte und beherrschte den schmalen Grat zwischen Motivation und persönlicher Beleidigung perfekt.“

Karl-Heinz Carra feierte seinen 75. Geburtstag. Über Jahrzehnte hat er den Fußball im Spielkreis mitgeprägt.
Fränkischer Tag

Eine besondere Stellung nimmt der FC Leutenbach ein. Nachdem Carra 1992 durch einen Schicksalsschlag ein Bein verloren hatte, folgten 14 Operationen, der damals 50-jährige Fußball-Enthusiast drohte, daran zu zerbrechen: „Als mich der Vorsitzender Erwin Stöhr fragte, ob ich mir zutraue, die Concordia zu trainieren, konnte ich es nicht glauben. Die zwei Jahre haben mir unglaublich geholfen, meinen inneren Frieden zu finden. Endlich konnte ich mich wieder austoben.“ Der spätere Vereinschef Markus Geck überreichte Carra eine Dauerkarte auf Lebenszeit für alle FC-Begegnungen.
Stellvertretend für alle Anwesenden ließ Klaus Milke die sportliche Laufbahn in Anekdoten Revue passieren. Für jede Kurzgeschichte zog er ein Präsent aus dem prall gefüllten Geschenkkorb. Carra schloss mit einem Gruß an alle Gäste: „Der Fußball schenkte mir sehr viel Freude – und sehr viele Freunde, wie ihr seht.“ Es gab stehenden Applaus, ein Großer geht.

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Steckbrief Karl-Heinz Carra

Karl-Heinz Carra
Sportlicher Werdegang

Stationen als Spieler(trainer):
1954 – 1957: SpVgg Jahn Forchheim (Schüler und Jugend). 1958 – 1961: VfB Forchheim (Jugend und Senioren). 1962: MTV München (unter Trainer Charly Mai). 1963 – 1964: TSV Lichtenberg (Spielertrainer der Senioren)

Stationen als Trainer:
1963: TSV Lichtenberg (Jugendtrainer). 1965: VfB Forchheim (Schüler/Jugend)

Stationen bei Herren-Teams:
SC Egloffstein (Vizemeister + Meister), VfB Forchheim, FC Leutenbach, ASV Sassanfahrt (gleichzeitig SV Bammersdorf), SV Bammersdorf (Meister, gleichzeitig Kirchehrenbach), TSV Kirchehrenbach (eingesprungen für Erich Tauchmann), TSV Ebermannstadt, SV Weilersbach (gleichzeitig B-Jugend Jahn Forchheim: 2x Meister + Kreismeister), SpVgg Obertrubach, SV Pretzfeld, (Vizemeister + Meister), SpVgg Effeltrich (Vizemeister), FC Schlaifhausen (Meister)


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