Isabell Helldörfer im Porträt: "Erst müssen sie mir beide Beine brechen..." - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 26.04.2017 um 06:00 Uhr
Isabell Helldörfer im Porträt: "Erst müssen sie mir beide Beine brechen..."
MAGAZIN … sagt die 20-jährige begnadete Edeltechnikerin, die in jüngster Vergangenheit immer wieder arg von schwerwiegenden Verletzungen gebeutelt war, sich stets durch die kräfteraubende Reha kämpfte und schließlich wiedererstarkt auf den grünen Rasen zurückkehrte. Welcher Sucht sie stets erliegt oder zu welcher Gelegenheit sie gern Gitarre spielt, erzählt der weibliche Mario Götze im anpfiff-Porträt der Woche.
Von Bernd Riemke

„Mich hat nie jemand motivieren müssen. Seit ich laufen kann, bin ich entweder alleine auf den Sportplatz oder habe mit meinen Kumpels Fußball gespielt. Ich bin eigentlich jeden Tag dreckig und mit blauen Flecken nach Hause gekommen.“ Für Isabell Helldörfer war und ist Fußball ein besonders großer Teil ihres Lebens. Obwohl Papa Klaus im eigenen Garten hinter dem Haus sogar eigene Holztore für Klein-Isi genagelt hat, stand dem Beitritt in einen Fußballverein Mama Monika zunächst vehement im Wege. Die Verletzungsgefahr sei viel zu groß, mahnte das Familienoberhaupt, das inzwischen längst voller Stolz akribisch Buch führt über jedes Spiel, jedes Tor und jeden herausragenden Erfolg ihrer Tochter. Zu verdanken hat die 20-jährige Dribbelkünstlerin diesen Umstand ein stückweit auch dem damaligen Vorstand des TSV Plankenfels Karlheinz Will. Der „überrumpelte“ Mama Monika mit einem Spontanbesuch und nach einer nächtlichen Diskussionrunde am Küchentisch der Familie Helldörfer unterzeichneten schließlich beide Eltern die Einverständniserklärung, die dem fußballverrückten Nachwuchs das Kicken beim heimischen TSV ermöglichte. „Das war einfach eine geile Zeit. Ich war von Anfang an integriert, so als hätte ich schon immer dazu gehört. Im zweiten Jahr durfte ich schon die Kapitänsbinde tragen“, erinnert sich Isabell Helldörfer an ihre Anfänge bei den Jungs, wo sie im allerersten Spiel zwar als Versuchskaninchen im Tor stand, sich Trainer Bernd Zeilmann und ihre Mitspieler aber schnell einig waren, dass die pfeilschnelle und dribbelstarke Isi in die Sturmmitte gehört. Sie dankte es mit Toren am Fließband und fand – da ein gemeinsames Spielen mit den Jungs aus Altersgründen nicht mehr möglich war – über die JFG Fränkische Schweiz den Weg schließlich in die weibliche U17 des ASV Oberpreuschwitz.

„Die Preuschwitzer Zeit war nicht zu toppen

Die Jahre in der Talentschmiede des ASV sollten ohne Zweifel die erfolgreichsten in der jungen Karriere der Isabell Helldörfer werden. Schon wenige Trainingseindrücke genügten den Übungsleitern um zu erkennen, dass das 14-jährige Dribbeljuwel „viel zu wertvoll für die U15“ ist und so kickte der begnadete Rechtsfuß auf Anhieb in der Landesliga-U17. „Keiner konnte uns auch nur ansatzweise schlagen“, blickt Helldörfer auf ein erstes Jahr zurück, in dem sie neben Theresa Roß, Isabell Kastner oder Vanessa Preißinger verlustpunktfrei die Meisterschaft und den damit verbundenen Aufstieg in die Bayernliga feierte. Das entschiedende Spiel fand in Lohr am Main statt. Oberpreuschwitz gewann dank zweier Helldörfer-Treffer mit 2:1 und feierte bereits drei Wochen vor Saisonschluss den vorzeitigen Titelgewinn. „Nach dem Schlusspfiff sind wir in den Main gesprungen, der direkt neben dem Sportplatz fließt“, strahlt der Wirbelwind heute noch in Erinnerung an glorreiche Zeiten.

Isabell Helldörfer (li.) in ihrem Element. Sie beherrscht den direkten Ball in die Tiefe wie kaum eine andere.
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Gegen die Bayern in den Winkel

In der Bayernliga hießen die Gegner plötzlich 1. FC Nürnberg, Schwaben Augsburg oder FC Bayern München – allesamt Schwergewichte im bayerischen Mädchen- und Frauenfußball. Trotz Highlights wie einem knappen 3:2-Auswärtserfolg bei den Schwaben in Augsburg vor voll besetzten Tribünen, ging der ASV-Nachwuchs, der sich auf einem ansprechenden Mittelfeldplatz etablieren konnte, häufig als Underdog ins Spiel. So gab es gegen den FC Bayern zweimal nichts zu erben. Unvergesslich bleiben die beiden Pleiten der Dorfmadla gegen die Bundesliga-Youngster dennoch. „Ich habe ein Anspiel mit der Brust angenommen und den Ball in den Winkel gejagt. Danach sind alle eskaliert und ich lag im Sauhaufen natürlich ganz unten“, schildert Helldörfer ihr Traumtor in Deutschlands damals höchster Juniorinnen-Spielklasse. ASV-Trainer und großer persönlicher Förderer der jungen Frau mit der Spielmacher-Zehn auf dem Rücken war Raimund Philbert (heute Coach der BOL-Frauen des FC Eintracht Bayreuth), mit dem sie zudem mehrfach Bayerische Hallenmeisterschaften feierte.

Berufliche Ausbildung statt Fußball-Internat

Mehr Schweißperlen als leckeren Meistersekt vergoss Isabell Helldörfer während der Lehrgänge der Oberfranken- und Bayernauswahl, der sie zwei Spielzeiten lang angehörte. „Wir haben bis zu viermal täglich Sachen trainiert, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt“, staunt der Sturmfloh heute noch über die gleichsam intensiven wie lehrreichen Übungseinheiten. Weniger lehrreich als vielmehr folgenschwer war der Zusammenprall mit einem Baum während des Warmmachens bei einem Freundschaftsturnier mit der Auswahl im Westfalenpark in Dortmund im August 2009. Trotz einer leichten Gehirnerschütterung gab der behandelnde Arzt sein OK zum Weiterspielen, riet der gebürtigen Pegnitzerin jedoch, nach Möglichkeit, das Kopfballspiel zu vermeiden. Als der Ball im Finale jedoch „so schön geflogen kam, musste ich den einfach reinköpfen“, so Helldörfer, die in Horst-Hrubesch-Manier den 1:0-Siegtreffer erzielte und somit den 1. Platz für ihre Farben sicherte. Erfolge, Meisterschaften und Titelgewinne waren aber nicht zwingend der Antrieb für den reiselustigen Teenager, die Jagd nach dem runden Leder derart in den Vordergrund zu rücken. „Mir war gar nicht bewusst, wie gut ich Fußball gespielt habe“, lacht die 20-Jährige, die Anfragen des FC Nürnberg und FC Bayern ebenso ablehnte wie ein Angebot ins Fußball-Internet des FFC Turbine Potsdam zu wechseln. Dem innigen Familienmensch, der stets von Papa Klaus zu den Spielen begleitet wurde, waren die Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten, die Harmonie in der Heimat sowie der regelmäßige Kontakt zu langjährigen Freunden wichtiger.

Gänsehautmomente gegen Bundesliga-Nachwuchs

Das Angebot des brandenburgischen Bundesligisten kam, nachdem die U17 des FFC Turbine Potsdam in zwei Freundschaftsspielen gegen den ASV Oberpreuschwitz antrat. Beeindruckt vom Tempo, der Passgenauigkeit und den technischen Fertigkeiten des Nachwuchses des mehrmaligen Deutschen Meisters, zogen sich die ASV-Youngster dennoch beachtlich aus der Affäre. 2:3 und 1:4 hieß es jeweils am Ende und insbesondere das Heimspiel blieb nachhaltig im Gedächtnis. „Als ich zu Hause ein Tor geschossen hab, hat sich das vor so vielen Zuschauern angefühlt, wie im Stadion. Gänsehaut pur!“, schwelgt Helldörfer in Erinnerungen an eine Zeit, aus der immerhin eine lose Freundschaft mit der U20-Weltmeisterin von 2014 und heutigen Bundesligaspielerin des FFC Turbine Potsdam, Felicitas Rauch, übrig geblieben ist. In den eigenen Reihen spielte damals noch Isabell Kastner (heute FFC Hof), mit der sich Helldörfer auf dem Platz nahezu blind verstand. „Wir harmonierten als wäre sie mein zweites Ich“, so die heute 20-Jährige über ihre Mitspielerin aus ihren eigenen erfolgreichsten Tagen. Die sollten völlig überraschend ein jähes Ende finden.

Ob zum Shoppen oder für ein gemütliches Kölsch am Rheinufer. Isabell Helldörfer und Köln - das passt einfach.
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Die Leiden und die sportliche Wiederauferstehung der Isabell H.

Während eines Trainings im zweiten Bayernliga-Jahr der U17 des ASV Oberpreuschwitz fiel Isabell Helldörfer nach einem Fallrückzieher derart unglücklich auf ihr Knie, dass sich der schnell entstandene blaue Fleck nach genauerer Diagnose als Kreuzbandriss herausstellte. Nach neunmonatiger Pause gab es den ASV Oberpreuschwitz – der seine Frauenabteilung der SpVgg Greuther Fürth angliederte – in seiner ehemals gekannten Form nicht mehr. Helldörfer wechselte in die Landesliga zum benachbarten ASV Hollfeld, stellte den Spaß fortan über den Leistungsgedanken und kehrte eine weitere Saison später zu ihren fußballerischen Wurzeln zurück. Seit April 2014 geht sie wieder für den TSV Plankenfels in der Kreisliga auf Torejagd und kam in drei Jahren auf gerade einmal 34 Pflichtspieleinsätze, in denen sie sagenhafte 48 Tore erzielte. Ein Meniskusriss im September 2014 sowie eine herausgesprungene Kniescheibe im Juni 2016 zwangen Helldörfer immer wieder zu Zwangspausen. „Manchmal habe ich schon gezweifelt, aber ich höre erst auf, wenn sie mir beide Beine brechen“, beschwört die sympathische Strahlefrau schmunzelnd ihren Kampfgeist, der sie stets zurückbringt auf den Rasen, der für sie die Welt bedeutet. Erst Recht seit sie wieder da spielt, wo sie hingehört! Beim TSV Plankenfels fühlt sie sich einfach nur „sauglücklich“, mit ihren besten und engsten Freundinnen – allen voran Vanessa Preißinger mit der sie nicht erst seit gemeinsamen Auswahlzeiten mehr als nur die Jagd nach dem runden Leder verbindet - zusammenkicken zu dürfen. Ab und zu trainiert sie noch mit ehemaligen Weggefährtinnen beim FFC Hof und genießt förmlich den anschließenden Muskelkater, doch vorläufig gehört ihr fußballerisches Herz dem TSV. Zumindest in der regulären Saison, denn in der Winterpause vereint sich die Preuschwitz-Gang von einst in der Hobbytruppe FC Rossn Fanessa und verzaubert beim anpfiff Good Will Cup Fans und neutrale Zuschauer mit fußballerischem Augenschmaus, der die Truppe bereits zu zwei Turniersiegen in den vergangenen beiden Jahren führte. „Ich will spielen, dirigieren und anderen helfen“, umschreibt Isabell Helldörfer ihr Spiel. Eines, für das anpfiff.info der Miss Hundertprozent noch viele verletzungsfreie Jahre mit ihrem besten Freund dem Fußball wünscht, damit der weibliche Mario Götze so wirken kann, wie das Idol ihrer Kindheit: „Er war unauffällig, trotzdem immer anspielbar und hatte das Spiel immer im Griff!“ Isabell „Götze“ Helldörfer eben!

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Steckbrief I. Helldörfer

Isabell Helldörfer
Spitzname
Isi
Alter
27
Geburtsort
Pegnitz
Wohnort
Plankenfels
Familie
ledig
Nation
Deutschland
Größe
165 cm
Beruf
medizinische Fachangestellte
Hobbies
Fahrradfahren, Freunde treffen, Städtereisen, Urlaub
Starker Fuß
Rechtsfuß
Lieb.-Position
zentrales Mittelfeld ("10er")


Karriere in Zahlen I. Helldörfer

Spiele
85
Spiele gewonnen
51
Spiele unentschieden
7
Spiele verloren
27
Tore gesamt
88
Vereine
2
Aufstiege
3
Abstiege
2

Entweder...oder

Strand oder Ballermann
Beides! Anfang des Jahres verbringe ich gerne einen Urlaub am Strand, um mich in Ruhe vorzubräunen (lacht). Ende des Jahres mache ich aber auch gern Vollgas-Urlaub mit meinen Feier-Mädels.
Handtasche oder Schuhe
Ich bin schuhsüchtig! Mein letzter Einkauf waren drei Paar Nike, ein Paar Fußballschuhe und einmal Badelatschen. Mama und Oma motzen ab und zu, wenn wieder mal ein Päckchen geliefert wird...
Stadt oder Land
Köln ist eine meiner Lieblingsstädte, weil es immer was zu sehen gibt und man dort immer neue Leute kennenlernt. Bäume habe ich zu Hause auch genug, aber mal ein Käffchen oder ein Bier nach dem Shoppen trinken ? dafür ist Köln überragend. Ich bin ohnehin sehr abenteuerlustig und möchte immer etwas Neues erleben.
Musical oder Metal
Ich habe vermutlich noch nie etwas Schöneres gesehen als König der Löwen in Hamburg. Das war einfach perfekt inszeniert. Ich saß da, habe mich einfach nur über das Musical gefreut und den Augenblick genossen. Bei Heavy Metal denke ich mir eigentlich nur ?Hört auf!?
FCB oder BVB
Ich bin offiziell kein BVB-Fan, aber dere Spielweise, wie sie von hinten schnell nach vorne spielen, finde ich schon übelst geil. Die Bayern spielen mir zu kontrolliert. Das ist wie beim Handball ? immer um den Strafraum rum. Fußball schaue ich im Übrigen oft mit Oma Annemarie zu Hause auf der Couch.

Torheiten von Isabell Helldörfer

Mein schönstes Tor bleibt für mich immer in Erinnerung. Ich habe es in Drosendorf beim Auswärtsspiel in der Bayernliga mit der U17 erzielt. Unmittelbar nach einem Tor hat Isabell Kastner den Ball schon wieder erobert. Wir haben uns mit vier bis fünf Doppelpässen durch die gegnerische Abwehr gespielt und am Ende stand ich alleine vor dem Tor und musste nur noch einschieben.

Mein schönster Torjubel war unter anderem gemeinsam mit Josefine Laufer. Ich hielt die Eckfahne als Gitarre in der Hand, eine hat so getan, als ob sie singen würde und eine andere hat Lufttrommel gespielt. Wir haben das Tor und uns selber als Band gefeiert.

Die meisten Tore waren einmal acht Stück bei einem 17:0-Sieg mit der D-Jugend des TSV Plankenfels. Bei den Damen habe ich im Pokal gegen BSC Kulmbach einmal fünf Tore in einem Spiel erzielt.

Mein typisches Tor ist ein direkt verwandelter Freistoß, den ich über oder an der Mauer vorbeischlenze. Auf jeden Fall aber ist es ein Tor aus größerer Distanz.

Mein wichtigstes Tor habe ich mit der U17 in Lohr am Main erzielt. Die waren damals Zweiter in der Landesliga und unser einziger Konkurrent um den Aufstieg. Beim Auswärtsspiel in Unterfranken habe ich den 2:1-Siegtreffer erzielt.

Hintergründe & Fakten


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