"Schwodl is unser Leeem": 30 Jahre Frauenfußball beim SSV - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 17.07.2023 um 06:00 Uhr
"Schwodl is unser Leeem": 30 Jahre Frauenfußball beim SSV
MAGAZIN Vor drei Jahrzehnten lernte der Frauenfußball zunächst auf eher wackligen Füßen auch in End das Laufen. In ewiger Erinnerung an ein Gründungsmitglied, das die tatsächliche Gründung aus tragischen Gründen nicht mehr miterleben durfte, schwangen sich die Frauen des Schwabthaler SV mit nicht weniger als fünf Meisterschaften in den letzten gut zehn Jahren zu einer der Top-Adressen im Bezirk Oberfranken auf.
Von Bernd Riemke

„Fußballverrückte Mädels aufgepasst!“ Mit diesem Slogan wurden im Frühsommer 1993 nicht nur die örtlichen Bushaltestellen im Lautergrund zugepflastert nachdem sich namentlich Simone Dinkel, Daniela Herold, Sabine Kargoll und Kerstin Stern bemüßigt gefühlt hatten, ihren Traum von einer Frauenfußballmannschaft beim Schwabthaler SV Wirklichkeit werden zu lassen. Mit enormem Enthusiasmus und wild entschlossener Leidenschaft gelang es dem euphorischen Quartett tatsächlich, ausreichend Mitstreiterinnen für ein erstes Training an einem Montag im August des Jahres 1993 zu gewinnen. Als Vorreiterin, die mit ihrer nicht enden wollenden Begeisterung in beeindruckender Manier ansteckend wirkte und so das weibliche Fußballfieber im Ort und darüber hinaus grasieren ließ, galt die erst 16-jährige Simone Dinkel, die auf tragische Weise zwei Wochen vor dem geplanten ersten Training bei einem Verkehrsunfall verstarb.

Allen Unkenrufen zum Trotz

Die Erinnerung an die ehrgeizige Fußballerin verblasste nie und die zunächst nicht enden wollende Trauer, spornte die Clique der begeisterten Mädchen getreu des Mottos „Aufgeben gilt nicht“ nur noch mehr an, den Traum ihrer Freundin wahr werden zu lassen. Trotz hinlänglich bekannter Vorurteile des so genannten starken Geschlechts und trotz der zu erwartenden sportlichen Unzulänglichkeiten der blutigen Anfängerinnen in den Anfangszeiten, ließen sich die tapferen Kickerinnen nicht entmutigen. Schon in der Satzung des Schwabthaler Sportvereins heißt es, dass „Kameradschaft, Geselligkeit und Frohsinn fester Bestandteil“ des Vereinslebens sind. Dieses nahmen sich selbstredend auch die jungen Frauen zu Herzen und ließen sich von zum Teil deftigen Niederlagen nicht beirren. Die eigene unerschütterliche Begeisterung und das Andenken an Simone Dinkel ließen die 1. Frauenmannschaft des SSV zu einer verschworenen Gemeinschaft werden, die auf und neben dem Platz zu einem echten Team heranwuchs und das Vereinsleben nachhaltig bereicherte.

Kerstin Stern (li.) ist nicht nur eine Frau der allerersten Stunde, sondern mit über 500 Einsätzen immer noch Rekordspielerin des SSV und "nebenbei" etliche Jahre Trainerin der Zweiten, Spielleiterin und Festausschussmitglied.
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Der Beginn einer Ära

Als Günter Senger und Georg Schneidawind das Traineramt übernahmen, sollten sich die ersten zaghaften Erfolge einstellen. Schon die ersten Siege wurden wie Meisterschaften gefeiert, was die Damen letztlich umso mehr anspornte, den eingeschlagenen Weg mit viel Trainingsfleiß und noch größerem Willen, sich stetig zu verbessern, weiterzugehen. Ein Meilenstein war schließlich die Gründung einer Mädchenmannschaft, die seit dem Jahr 2000 das Fundament für den Fortbestand und die sich daraus entwickelnden Erfolge bildete. Ein erster krachender Erfolg war die in der Saison 2003/04 errungene Kreisliga-Meisterschaft unter dem neu installierten Trainerduo Holger Müller und Heiko Seelmann, das über neun Jahre hinweg die sportlichen Geschicke bei den SSV-Frauen leiten sollte. Neun Jahre, in denen es in zuvor ungeahnte Höhen empor gehen sollte. Nachdem sich die in den bayerischen Landesfarben auflaufenden blau-weißen Mädels sukzessive in der Bezirksliga etablierten und zunehmend von der eigenen akribischen Nachwuchsarbeit profitierten, gelang in der Saison 2008/09 mit nur einer einzigen Niederlage die Meisterschaft in der Bezirksliga Oberfranken West, womit der Schwabthaler SV nur gut 15 Jahre nach seiner Gründung fortan und bis zum heutigen Tag stets mindestens in der höchsten Spielklasse des Bezirks Oberfranken kickte.

Aufbruch zu neuen Ufern

Doch damit nicht genug. Die Mannschaft um die Rekordspielerinnen Heidi Hagel, Simone Dinkel (geborene Baumann), Carina Keller, Stefanie Hellmuth und „Gründungsmama“ Kerstin Stern sicherte sich nach der Vizemeisterschaft im Premierenjahr in der darauffolgenden Spielzeit ungeschlagen erstmalig den Titel in der Bezirksoberliga Oberfranken. Zu diesem Zeitpunkt fand bereits ein erster kleiner Generationenwechsel statt und die Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen einen Schritt kürzer treten wollten, fanden sich in der 2009 neu gegründeten 2. Mannschaft wider. Nachdem die ambitionierte 1. Mannschaft voller Tatendrang ihre erste Landesliga-Spielzeit 2011/12 hinter sich gebracht hatte, machte sich ein wenig Ernüchterung breit, denn die Herausforderung war zunächst eine Nummer zu groß. So waren die folgenden Jahre solche der „Reife“. Weitere unangefochtene Meisterschaften in der Bezirksoberliga wechselten sich mit dem Abstieg aus der Landesliga ab, bis Theresia Vogt im Frühjahr 2015 das Traineramt übernahm und die Frauen des Schwabthaler SV zu einer der ersten Adressen im fränkischen Frauenfußball formte.

Heldenstatus für die erste Meistermannschaft des Schwabthaler SV in der Saison 2003/2004.
privat

Der SSV auf der Verbandsebene

Nach der insgesamt vierten Meisterschaft in der Bezirksoberliga in der Serie 2015/16 konnte sich der SSV nicht nur in der Landesliga etablieren, sondern beendete die Corona-Saison 2019/21 über die Quotientenregel nach einer famosen Hinrunde ohne eine einzige Niederlage letztlich auf dem 1. Platz, der zum Aufstieg in die Bayernliga führte. Die vereinseigene Theatergruppe musste Jahre zuvor wahrsagerische Fähigkeiten besessen haben, denn ihr Stück „Aufstand auf der Schwodler-Alm“ sollte nun in der höchsten Spielklasse des Freistaates und damit der vierthöchsten Spielklasse in Deutschland Wirklichkeit werden. Die Gegner, die nun auf dem schmucken Sportgelände in End ihre Visitenkarte abgaben, hießen plötzlich TSV Schwaben Augsburg, SpVgg Greuther Fürth oder FFC Hof. Klangvolle Namen, die allesamt mit Niederlagen im Gepäck wieder die Heimreise antreten mussten. Die gewaltige Unterstützung des gesamten Vereins, der sich eine gesamte Spielzeit lang im Ausnahmezustand zu befinden schien, ließ die Saison 2021/22 vor häufig großen Zuschauerzahlen zu einem unvergesslichen Erlebnis werden – auch wenn am Ende denkbar knapp der Wiederabstieg in die Landesliga zu Buche stand. Die Frauen des Schwabthaler SV haben sich längst einen Namen gemacht, sind weit über die Landkreisgrenzen hinaus und im Jahr ihres dreißigjährigen Bestehens sanft gefallen. Ein 4. Platz in der Landesliga beweist das Potenzial der Mannschaft, der nicht zuletzt dank eines von der U11 bis zur U17 durchgängig besetzten Juniorinnenbereichs, auch vor der mittelfristigen Zukunft nicht bange werden muss.

Unbestätigten Gerüchten zufolge trainieren die Legenden des SSV beinahe täglich mit einem Mentaltrainer unter Einhaltung eines strikten Ernährungsplans für ihr fulminantes Comeback in End am kommenden Festwochenende.
privat

Legendenspiel zum Festwochenende

Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Frauenfußballs beim Schwabthaler SV begeht der insgesamt viermalige Meister der Bezirksoberliga, einmalige Sieger des Bezirkspokals (2016), Meister der Landesliga Nord (2021) sowie langjähriger Landesligist (bislang sieben Spielzeiten) und Teilnehmer an einer Bayernliga-Spielzeit (2021/22) vom 21. bis 23. Juli 2023 ein Festwochenende, das mit einem Preisschafkopf und Schnauzturnier am Freitag Abend seinen Anfang nimmt. Umrahmt von einem Kleinfeldturnier für U- und Damenmannschaften, steigt am Samstag ab 17 Uhr das Highlight, wenn die SSV-Legenden ehemaliger Spielerinnen noch einmal auf dem grünen Rasen in sicher begeisternder Atmosphäre die Kräfte messen werden. Ein Wochenende ganz im Zeichen des Mädchen- und Frauenfußballs, der beim Schwabthaler SV nach eingangs erwähnten Vorbehalten in den Gründerjahren längst nicht einfach nur angekommen, sondern unwidersprochen zu einem Aushängeschild des Vereins geworden ist, in dem alle Mitglieder voller Stolz auf das „schwache Geschlecht“ blicken, das inzwischen drei Jahrzehnte lang bärenstark von sich reden macht!

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Bilanz Schwabthaler SV

Saison
Pl. 
Liga
2023/24
3. 
Landesliga Nord
 
2022/23
4. 
Landesliga Nord
 
2021/22
10. 
Bayernliga
2019/21
1. 
Landesliga Nord
2018/19
5. 
Landesliga Nord
 
2017/18
3. 
Landesliga Nord
 
2016/17
4. 
Landesliga Nord
 
2015/16
1. 
Bezirksoberliga Oberfranken
2014/15
10. 
Landesliga Nord
2013/14
1. 
Bezirksoberliga Oberfranken
2012/13
1. 
Bezirksoberliga Oberfranken
2011/12
11. 
Landesliga Nord
 
2010/11
1. 
Bezirksoberliga Oberfranken
2009/10
2. 
Bezirksoberliga Oberfranken
 
2008/09
1. 
Bezirksliga Oberfranken/W.
 


Rekordspielerinnen des SSV

(mit mehr als 300 Einsätzen)

Kerstin Stern 514


Simone Dinkel (geb. Baumann) 428

Andrea Landvogt 390

Stefanie Hellmuth (geb. Baumann) 390

Steffi Herold (geb. Dillinger) 386

Lisa Kestler 376

Carina Greiner 368

Carina Keller (geb. Müller) 364

Katrin Dillinger 340

Heidi Hagel 321

Jaqueline Spindler 315

Monika Moritz-Ruppenstein 307

Bezirkspokalsieg 2016

SpVgg Stegaurach: Dippold 2,4, Porzelt 3,8, Zimmermann 4,0, Reinhardt 3,7, Böhm 3,5, Stengel 3,1, Bogensperger 3,2, Müller L. 3,0, Mächtel 3,3, Wittmann 2,4, Wellein 3,1 / Kirchner, Schmaus, Güßregen A., Hirt, Schneiderwind 2,9 (67.)
Schwabthaler SV: Spindler 2,5, Müller Ch. 2,0, Hofmann 2,1, Rauh 2,9, Vogt M. 3,1, Keil 1,8, Kestler P. 2,5, Esch 2,4, Hellmuth S. 2,6, Lieb A. 2,6, Hornung S. 1,4, Kolb (79.), Engelmann (77.), Fischer L. (87.)
Tore: 0:1 Keil (18.), 1:1 Wellein (35.), 1:2 Hornung S. (55.)
Zuschauer: 120 | Schiedsrichter: Simon Winkler (DJK Don Bosco Bamberg 1950 e.V.)

Daten Schwabthaler SV

Schwabthaler SV
Gründung: 21.12.1966
Mitglieder: 415
Farben: blau-weiß
Abteilungen: Fußball


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