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Artikel veröffentlicht am 05.06.2013 um 18:00 Uhr
Mit Talent, Glück und Fleiß:
Benjamin Brand ist jüngster "Profi"-Referee
MAGAZIN
Beim Lehrabend der SR-Gruppe Bamberg war Anfang Mai 2013 mit Benjamin Brand der jüngste Schiedsrichter des Profifußballs zu Gast. Der 23-jährige Zweitliga-Referee, der zugleich seit dieser Saison als Assistent in der 1. Bundesliga fungiert, gewährte in seinem rund einstündigen Vortrag einen Einblick in den Alltag als Spitzenschiedsrichter.
Von
Michael Güßregen
Zweitliga-Referee Benjamin Brand referierte bei der SR-Gruppe Bamberg über seine Erfahrungen.
anpfiff.info
Benjamin Brand, 23, Schiedsrichter. Doch nicht etwa in der Landesliga, wie manch einer in dieser Altersklasse vermuten würde – nein, Brand pfeift in Liga Zwei und ist somit der aktuell Jüngste seiner Zunft. Schon bei der Einleitung wird klar, dass die Laufbahn des seit vier Jahren in Bamberg wohnhaften BWL-Studenten (8. Semester) etwas Besonderes ist, verbunden mit viel Arbeit und schnellen Erfolgen, aber auch mit Glück. So durchschritt Brand nach seinem Neulingslehrgang als damals 13-Jähriger recht schnell die Jugend- und unteren Herrenspielklassen, ehe er sich als „Top-Talent“ mit Anfang 17 schon in der Landesliga als SR wiederfindet. Der bis dato jährliche Aufstieg wird hier zwar kurzzeitig unterbrochen, jedoch beschreibt der Mann vom FC Schallfeld seine zweite Pflichtsaison in der Landesliga als „sehr lehrreich und absolut hilfreich“ für seinen Fortgang und als eine Grundlage für die weiteren schnellen Aufstiege. So durchschritt er die Herren-Bayernliga dank einer hervorragenden Platzierung in der U19-Bundesliga und zweier erfolgreicher Stützpunkt-Lehrgänge in der Sportschule Duisburg in Windeseile und konnte anschließend in zwei Jahren als Schiedsrichter der Regionalliga erste Stadionluft schnuppern. Dabei wurde er in seiner ersten Spielzeit als SRA in der 3. Liga, in Jahr zwei bereits als Assistent in der 2. Bundesliga eingesetzt. Als Erinnerung gab Brand hierbei mit, dass er bei einem „verrückten Regionalliga-Spiel in Wuppertal“ damals vier Elfmeter verhängen und zwei Platzverweise aussprechen musste. Zu allem Überfluss kam es dann noch zu einer längeren Unterbrechung der Partie, da sich eine Wildente aus dem benachbarten Zoo ins Stadion verirrt hatte und aufgrund eines gebrochenen Flügels nur schwer vom Feld zu bekommen war.
Dank erfolgreicher Begegnungen und Sichtungen durch den DFB-Ausschuss wurde Brand schnell als SR der 3. Liga aufgenommen und konnte sich durch tolle Leistungen als Spielleiter für Liga Zwei empfehlen, welcher er nun seit Saisonbeginn angehört. Den damit verbundenen Aufstieg, nun auch als Assistent in der 1. Bundesliga fungieren zu dürfen, beschreibt er als bisherigen „Höhepunkt“ seiner Laufbahn.
Benjamin Brand (li., mit Präsentkorb) mit Lukas Herzig und Florian Oppelt (Moderation durch Talentkader).
anpfiff.info
Vor 80.000 im Signal Iduna Park
Kein Wunder – so hat Brand bislang schon 13 Mal dabei an der Linie stehen dürfen und erlebte nicht nur in der Spitzenpartie Bayer Leverkusen gegen Borussia Dortmund „Fußball auf ganz hohem Niveau“, sondern auch reizvolle Kulissen, wie in etwa im Signal Iduna Park vor 80.000 Zuschauern. Gute Voraussetzung einer solchen Karriere war sicherlich das frühe Kennenlernen des SR-Business. Aus einer Schiri-Familie stammend, lernte Benjamin schon weit vor seinen ersten Einsätzen beim gemeinsamen Besuch des Sportplatzes oder Pflichtlehrabends gemeinsam mit seinem Vater und damaligen Obmann der SR-Gruppe Gerolzhofen das SR-Wesen näher kennen und konzentrierte sich damals wie heute beim Fußball schauen „mehr auf das SR-Gespann als auf die Spieler“. Im Alter von 16 bis 20 Jahren war Brand als Lehrwart der Gruppe tätig, woraus sicherlich seine guten Regelkenntnisse rückzuschließen sind, was er zugleich als Grundvoraussetzung für alle Schiedsrichter beschreibt.
Als wichtige „Säulen des Erfolgs“ benennt der bescheidene Unterfranken zudem die Tatsache, dass ein Schiedsrichter „Talent, Glück und Fleiß“ benötige, um sich nachhaltig durchzusetzen. Dass dabei die ersten beiden Dinge nur schwer beeinflussbar sind, betonte er ebenso wie das Argument, dass der ein oder andere dann eben mehr Fleiß an den Tag legen müsse. „Nicht jeder junge Schiedsrichter könne eine ähnliche Laufbahn wie er anstreben, man solle realistisch bleiben.“ Als Bausteine für den Erfolg eines Schiedsrichters beschreibt Brand ausführlich Themen anhand einer Power-Point Präsentation, die alle anwesenden Pfeifenmänner begeistert. Psychische Belastbarkeit, Vertrauenswürdigkeit, die Fähigkeit „öffentlich zu sein“ – ein SR muss Vorbild sein.
Fitness ein entscheidender Punkt
In den Lizenzligen des deutschen Fußballs werden seit einigen Jahren die Laufleistungen der Spieler und auch des Schiedsrichters durch eine 3D-Animation berechnet und kontrolliert. Ebenso tragen die SR eine funkgesteuerte Uhr, aus welcher Daten ausgelesen nach Spielende in einem Protokoll niedergeschrieben werden. So ist festzustellen, dass die Nettospielzeit einer durchschnittlichen Zweitliga-Begegnung in etwa bei 55 Minuten liegt, Brand circa 12 Kilometer pro
Spiel zurücklegen muss und sich dabei ungefähr mit 7,5 km/h durchschnittlich fortbewegt. Diese immense Laufleistung erfordert natürlich ein nachhaltiges Training. Dafür ist der Wahl-Bamberger pro Woche mit rund 4 bis 5 Einheiten beschäftigt. Auch die Entwicklung der Leistungsstandards bei der FIFA zeigt, dass von den Profi-Schiedsrichtern immer mehr körperliche Fitness verlangt wird. So ist in etwa ein gewisser „Jojo-Test“ im Kommen, bei welchem die Referees ca. 90 Sprints zurücklegen müssen. Das private Umfeld des Studenten stimmt und bietet ihm neben dem stressigen Fußballalltag einen Raum zum Abschalten. Hier stellt er v.a. seine Freundin in den Vordergrund, die ihn bei seiner Tätigkeit voll unterstützt, Spiele von ihm anschaut und auch mal eine Rückfrage stellt, wie gewisse Situationen im
Beobachtungsbogen bewertet wurden. Dass dies eine Seltenheit und zugleich großes Glück darstellt ist Brand bewusst. Immerhin muss er rund 90 Tage pro Jahr für seinen „Zweitjob“ aufwenden – und dies ohne Trainingstage.
Stabilität bei Konfrontation und Kommunikationsfähigkeit beschreiben weitere Elemente, die ein Referee mitbringen muss. So muss im Dialog mit den Spielern der richtige Ton angeschlagen und die passenden Worte gefunden werden. Im Gespann, beschreibt Brand, sei die Headset-Technik sicherlich hilfreich, jedoch auch mit Tücken versehen. Jeder „Neuling“ müsse sich erst daran gewöhnen. Im Stadion prallen neben den eigenen Gedanken so viele Einflüsse auf einen – wütende Spieler, pfeifende Zuschauer und dann noch zwei SRA die von außen Hinweise geben – das muss der Kopf erst einmal sortieren und verarbeiten. So kann eine Entscheidung trotz absoluter Klarheit auch einmal etwas unsicher aussehen, wenngleich dies nicht der Fall sein soll. Daher ist eine strukturierte Wahrnehmung der Szenen nicht nur wichtig, sondern auch dessen Ahnung und das perfekte Verkaufen nach außen.
Mit seinem Individualcoach bespricht der Nachwuchsschiedsrichter jedes seiner Spiele im Profibereich. Hierbei werden die kompletten 90 Minuten auf DVD begutachtet und anschließend die wichtigsten Szenen diskutiert. Außerdem wird über typische Verhaltensmuster debattiert – wann liegt z.B. ein Handspiel vor, wann ist im Mittelfeld ein Ellenbogeneinsatz abzupfeifen. Durch den Vergleich ähnlicher Szenen kann hier
ein Strickmuster abgeleitet werden. Die Spielnachbereitung ist auch im SR-Gespann eine wichtige Angelegenheit. So bespricht Brand mit seinen Assistenten am Tag nach der Partie noch einmal die Hauptszenen und nimmt sich zusätzlich die Zeit, auch
über Spiele von Kollegen der 1. und 2. Bundesliga zu diskutieren. Zusätzlich steht den Profi-Referees jeden Dienstag ab 9 Uhr das DFB-Videoportal zur Verfügung, in welchem der Ausschuss Stellung zu diversen Situationen nimmt und hierüber diskutiert werden kann. Seinen äußerst interessanten Vortrag schließt Brand nach rund einer Stunde mit dem Credo, dass jeder Spaß haben sollte am „Hobby Schiedsrichter“. Man solle Realist bleiben („nicht jeder kann Bundesliga-Schiedsrichter werden“) aber auch wissen, dass man durch stetiges Arbeiten und Trainieren sich selbst weiterbringen und fortentwickeln kann. Zum Abschluss stellten viele Schiedsrichter noch Fragen an den 23-Jährigen. Hierbei interessierten sich die Kollegen vor allem für diverse Körper- und Fitnesswerte wie auch Verhalten in der Halbzeitpause oder der Vereinbarkeit von Beruf und Spieleinsätzen.
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