Wetten auf Kreisliga-Kicks: Wenn plötzlich Datenscouts am Sportplatz auftauche - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 25.09.2025 um 18:00 Uhr
Wetten auf Kreisliga-Kicks: Wenn plötzlich Datenscouts am Sportplatz auftauche
Ein Problem, das längst nicht mehr nur die Regionalliga betrifft – auch Frankens Amateurvereine müssen sich mit illegalen Sportwetten auseinandersetze.
Von Manni Meisenkaiser
anpfiff.info
Es ist Sonntagmittag, Anstoß in der Kreisliga Bamberg. Der TSV Hirschaid empfängt den FC Strullendorf zum Derby. 150 Zuschauer säumen den Sportplatz, darunter Eltern, Freunde, ein paar Rentner mit Klappstuhl. Und möglicherweise auch jemand, der nicht wegen des Fußballs da ist, sondern wegen des Geldes. Ein Datenscout, der jeden Einwurf, jede Ecke, jede gelbe Karte in Echtzeit an Wettanbieter im Ausland meldet.

Was nach einem schlechten Krimi klingt, ist längst Realität im fränkischen Amateurfußball. Während sich unsere Vereine von der B-Klasse bis zur Bayernliga mit knappen Kassen, Schiedsrichtermangel und maroden Kabinen herumschlagen, verdient die internationale Wettindustrie Millionen mit ihren Spielen – ohne dass die Clubs auch nur einen Cent davon sehen.

Das Geschäft mit den Amateurdaten

Die Zahlen sind erschreckend: Laut einer Auswertung des Bayerischen Rundfunks waren Datenscouts in der vergangenen Saison bei mindestens 2.700 deutschen Amateurfußballspielen vor Ort. Allein in Bayern. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Und während früher hauptsächlich Regionalliga-Partien im Fokus standen, rücken die Wettanbieter immer tiefer in die Ligenpyramide vor.

In Franken haben wir es noch vergleichsweise gut. Anders als in Baden-Württemberg, wo kürzlich sogar ein Kreisliga-Spiel bei internationalen Wettanbietern auftauchte, konzentrieren sich die Scouts bei uns bislang hauptsächlich auf die Regionalliga Bayern und die Bayernliga. Noch. Denn der Appetit der Wettindustrie kennt keine Grenzen.

Warum das gefährlich ist

„Sportwetten auf Fußballspiele, an denen ausschließlich oder überwiegend Amateure teilnehmen, sind in Deutschland unzulässig", sagt es der Glücksspielstaatsvertrag unmissverständlich. Paragraph 21, Absatz 1a. Punkt. Aus.

Die Gründe liegen auf der Hand: Im Amateurfußball verdient kaum jemand Geld mit dem Kicken. Ein Spieler der Kreisliga Erlangen-Pegnitzgrund bekommt vielleicht eine Fahrtkostenerstattung, wenn überhaupt. Die Versuchung, für ein paar hundert Euro das nächste Spiel zu „beeinflussen", ist ungleich größer als bei einem Bundesliga-Profi mit Millionengehalt.

Dazu kommt: Die mediale Aufmerksamkeit ist minimal. Während jede Fehlentscheidung in der Bundesliga zigfach analysiert wird, interessiert es niemanden, wenn in der A-Klasse Schweinfurt plötzlich merkwürdige Eigentore fallen oder reihenweise Elfmeter verschossen werden.

Was können unsere Vereine tun?

Die gute Nachricht: Ihr seid nicht machtlos. Jeder Verein kann und sollte aktiv werden:

1. Hausrecht nutzen:
Wenn ihr einen Datenscout entdeckt – meist Menschen, die alleine am Spielfeldrand stehen und permanent auf ihr Smartphone starren – verweist sie vom Sportgelände. Das ist euer gutes Recht. Weigern sie sich, ruft die Polizei. Das ist Hausfriedensbruch.

2. Stadionordnung anpassen:
Ein Aushang am Eingang, der die Erhebung und Weitergabe von Spieldaten untersagt, hilft rechtlich und präventiv. Vorlagen gibt's beim Bayerischen Fußball-Verband.

3. Spieler sensibilisieren:
Macht euren Jungs und Mädels klar: Schon der Versuch einer Spielmanipulation ist strafbar. Und auch das Platzieren von Wetten auf eigene Spiele kann rechtliche Konsequenzen haben.

4. Verdachtsfälle melden:
Informiert sofort den BFV oder die Polizei, wenn euch etwas spanisch vorkommt. Je schneller reagiert wird, desto besser.

Die Vereine sind nicht allein

Erste fränkische Clubs haben bereits reagiert. Beim FC Deisenhofen flogen vergangenes Jahr Datenscouts vom Platz, der TSV Rain und der TSV Grünwald handelten ähnlich konsequent. Das sind wichtige Signale.

Aber seien wir ehrlich: Die meisten unserer Vereine sind mit ihrem Ehrenamt schon am Limit. Der Kassenwart des SV Burgwindheim oder die Jugendleiterin der DJK Don Bosco Bamberg haben wahrlich andere Sorgen, als nach verdächtigen Smartphone-Nutzern Ausschau zu halten.

Deshalb ist hier auch der Bayerische Fußball-Verband gefordert. Die angekündigten Informationsveranstaltungen bei den Spielgruppentagungen sind ein Anfang. Aber es braucht mehr: Klare Handlungsanweisungen, rechtssichere Mustervorlagen und vor allem Unterstützung bei der Durchsetzung.

Ein Blick in die Zukunft

Klar ist: Wetten auf Amateurspiele bleiben in Deutschland verboten. Punkt. Aber solange im Ausland legal auf unsere Spiele gewettet werden kann und die Scouts weiterhin ungehindert Daten sammeln, wird sich das Problem nicht von selbst lösen.

Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Die Wettanbieter werden kreativer, die Scouts unauffälliger. Heute tippen sie noch offensichtlich auf dem Smartphone herum, morgen tragen sie vielleicht Smartwatches oder noch diskretere Technik.

Was bedeutet das für unseren Fußball?


Der Amateurfußball in Franken – von der Rhön bis zum Pegnitzgrund, von Coburg bis Würzburg – lebt von seiner Authentizität. Hier geht's um Derbys, um Dorfehre, um die Bratwurst nach dem Spiel. Nicht um Wettquoten in Singapur.

Wenn wir zulassen, dass die Wettindustrie unseren Sport unterwandert, verlieren wir mehr als nur die Kontrolle über ein paar Spielergebnisse. Wir verlieren die Seele des Amateurfußballs.

Deshalb der Appell an alle Vereine von der B-Klasse Bayreuth-Kulmbach bis zur Regionalliga: Augen auf! Schaut hin, wer bei euren Spielen am Rand steht. Nutzt euer Hausrecht. Und lasst euch nicht einschüchtern von Leuten, die behaupten, sie würden „nur Statistiken sammeln".

Kommentar abgeben

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.

Leser-Kommentare

Meist gelesene Artikel

1
02.12.2025 [ |1]
Christoph Böger / Fränkischer Tag
4
03.12.2025 []
von Alexander Rausch
5
03.12.2025 [ |3]
von Hans-Jürgen Wunder


Haftungshinweis

Dieser Text enthält bezahlte Links. Wir übernehmen keine Haftung für die Inhalte externer Links. Für die Inhalte und Richtigkeit der bereitgestellten Informationen ist ausschließlich der jeweilige Anbieter bzw. Betreiber der verlinkten Webseite verantwortlich. Zum Zeitpunkt der Verlinkung waren keine Rechtsverstöße erkennbar. Bei Bekanntwerden einer Rechtsverletzung werden wir den entsprechenden Link unverzüglich entfernen.

anpfiff-Geschenkabo



Diesen Artikel...