Es ist Sonntagmittag, Anstoß in der
Kreisliga Bamberg. Der TSV Hirschaid empfängt den FC Strullendorf zum Derby.
150 Zuschauer säumen den Sportplatz, darunter Eltern, Freunde, ein paar Rentner
mit Klappstuhl. Und möglicherweise auch jemand, der nicht wegen des Fußballs da
ist, sondern wegen des Geldes. Ein Datenscout, der jeden Einwurf, jede Ecke,
jede gelbe Karte in Echtzeit an Wettanbieter im Ausland meldet.
Was nach einem schlechten Krimi
klingt, ist längst Realität im fränkischen Amateurfußball. Während sich unsere
Vereine von der B-Klasse bis zur Bayernliga mit knappen Kassen,
Schiedsrichtermangel und maroden Kabinen herumschlagen, verdient die internationale
Wettindustrie Millionen mit ihren Spielen – ohne dass die Clubs auch nur einen
Cent davon sehen.
Das Geschäft mit den
Amateurdaten
Die Zahlen sind erschreckend: Laut
einer Auswertung des Bayerischen Rundfunks waren Datenscouts in der vergangenen
Saison bei mindestens 2.700 deutschen Amateurfußballspielen vor Ort. Allein in
Bayern. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Und während früher
hauptsächlich Regionalliga-Partien im Fokus standen, rücken die Wettanbieter
immer tiefer in die Ligenpyramide vor.
In Franken haben wir es noch
vergleichsweise gut. Anders als in Baden-Württemberg, wo kürzlich sogar ein
Kreisliga-Spiel bei internationalen Wettanbietern auftauchte, konzentrieren
sich die Scouts bei uns bislang hauptsächlich auf die Regionalliga Bayern und
die Bayernliga. Noch. Denn der Appetit der Wettindustrie kennt keine Grenzen.
Warum das gefährlich ist
„Sportwetten auf Fußballspiele, an
denen ausschließlich oder überwiegend Amateure teilnehmen, sind in Deutschland
unzulässig", sagt es der Glücksspielstaatsvertrag unmissverständlich.
Paragraph 21, Absatz 1a. Punkt. Aus.
Die Gründe liegen auf der Hand: Im
Amateurfußball verdient kaum jemand Geld mit dem Kicken. Ein Spieler der
Kreisliga Erlangen-Pegnitzgrund bekommt vielleicht eine Fahrtkostenerstattung,
wenn überhaupt. Die Versuchung, für ein paar hundert Euro das nächste Spiel zu
„beeinflussen", ist ungleich größer als bei einem Bundesliga-Profi mit
Millionengehalt.
Dazu kommt: Die mediale Aufmerksamkeit
ist minimal. Während jede Fehlentscheidung in der Bundesliga zigfach analysiert
wird, interessiert es niemanden, wenn in der A-Klasse Schweinfurt plötzlich
merkwürdige Eigentore fallen oder reihenweise Elfmeter verschossen werden.
Was können unsere Vereine
tun?
Die gute Nachricht: Ihr seid nicht
machtlos. Jeder Verein kann und sollte aktiv werden:
1. Hausrecht nutzen: Wenn ihr einen
Datenscout entdeckt – meist Menschen, die alleine am Spielfeldrand stehen und
permanent auf ihr Smartphone starren – verweist sie vom Sportgelände. Das ist
euer gutes Recht. Weigern sie sich, ruft die Polizei. Das ist
Hausfriedensbruch.
2. Stadionordnung anpassen: Ein Aushang
am Eingang, der die Erhebung und Weitergabe von Spieldaten untersagt, hilft
rechtlich und präventiv. Vorlagen gibt's beim Bayerischen Fußball-Verband.
3. Spieler sensibilisieren: Macht euren
Jungs und Mädels klar: Schon der Versuch einer Spielmanipulation ist strafbar.
Und auch das Platzieren von Wetten auf eigene Spiele kann rechtliche
Konsequenzen haben.
4. Verdachtsfälle melden: Informiert
sofort den BFV oder die Polizei, wenn euch etwas spanisch vorkommt. Je
schneller reagiert wird, desto besser.
Die Vereine sind nicht
allein
Erste fränkische Clubs haben bereits
reagiert. Beim FC Deisenhofen flogen vergangenes Jahr Datenscouts vom Platz, der
TSV Rain und der TSV Grünwald handelten ähnlich konsequent. Das sind wichtige
Signale.
Aber seien wir ehrlich: Die meisten
unserer Vereine sind mit ihrem Ehrenamt schon am Limit. Der Kassenwart des SV
Burgwindheim oder die Jugendleiterin der DJK Don Bosco Bamberg haben wahrlich
andere Sorgen, als nach verdächtigen Smartphone-Nutzern Ausschau zu halten.
Deshalb ist hier auch der Bayerische
Fußball-Verband gefordert. Die angekündigten Informationsveranstaltungen bei
den Spielgruppentagungen sind ein Anfang. Aber es braucht mehr: Klare
Handlungsanweisungen, rechtssichere Mustervorlagen und vor allem Unterstützung
bei der Durchsetzung.
Ein Blick in die Zukunft
Klar ist: Wetten auf Amateurspiele
bleiben in Deutschland verboten. Punkt. Aber solange im Ausland legal auf
unsere Spiele gewettet werden kann und die Scouts weiterhin ungehindert Daten
sammeln, wird sich das Problem nicht von selbst lösen.
Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Die
Wettanbieter werden kreativer, die Scouts unauffälliger. Heute tippen sie noch
offensichtlich auf dem Smartphone herum, morgen tragen sie vielleicht
Smartwatches oder noch diskretere Technik.
Was bedeutet das für
unseren Fußball?
Der Amateurfußball in Franken – von
der Rhön bis zum Pegnitzgrund, von Coburg bis Würzburg – lebt von seiner
Authentizität. Hier geht's um Derbys, um Dorfehre, um die Bratwurst nach dem
Spiel. Nicht um Wettquoten in Singapur.
Wenn wir zulassen, dass die
Wettindustrie unseren Sport unterwandert, verlieren wir mehr als nur die
Kontrolle über ein paar Spielergebnisse. Wir verlieren die Seele des
Amateurfußballs.
Deshalb der Appell an alle Vereine von
der B-Klasse Bayreuth-Kulmbach bis zur Regionalliga: Augen auf! Schaut hin, wer
bei euren Spielen am Rand steht. Nutzt euer Hausrecht. Und lasst euch nicht
einschüchtern von Leuten, die behaupten, sie würden „nur Statistiken
sammeln".
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