Schiedsrichter des Jahres 2024: Heinz-Jürgen Kahl steht für Kameradschaft und mehr - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 30.07.2025 um 14:30 Uhr
Schiedsrichter des Jahres 2024: Heinz-Jürgen Kahl steht für Kameradschaft und mehr
MAGAZIN „Kameradschaft“ wurde und wird bei Heinz-Jürgen Kahl schon immer groß geschrieben. Er liebt die „Schiedsrichterei“ vor allem wegen dem menschlichen Miteinander. Fast ein halbes Jahrhundert leitet Kahl nun schon Fußballspiele. Dabei erlebte er viel Positives, machte aber auch nach zwei skurrilen Partien Bekanntschaft mit der Polizei. Der Lengfelder verrät interessante Geschichten.
Von Florian Geiger
Schiedsrichter-Obmann Marcel Scherer (li.) ehrt Heinz-Jürgen Kahl.
Privat
Im Jahr 2023 zeichnete die Schiedsrichtergruppe Würzburg erstmals den „Schiedsrichter des Jahres“ aus. Der damals 22-Jährige Matthias Mayer räumte den Titel aufgrund seiner ausgezeichneten Leistungen ab. Mit Herbert Ruß honorierten die Verantwortlichen ein Jahr darauf dessen außergewöhnliche Karriere. Die „Nachfolge“ des 71-Jährigen trat beim jüngsten Sommerfest der Schiedsrichtergruppe Würzburg Heinz-Jürgen Kahl an.

Heinz-Jürgen Kahl
Thilo Wilke
Zwischen Ruß und Kahl gibt es eine lange Verbindung, nicht nur aufgrund ihrer Auszeichnungen. Kahl stand früher in 15 Jahren bis in die Landesliga als Assistent von Ruß an der Seitenlinie. Werner Wunderling, heute ein Teil der Vorstandschaft in der Schiedsrichtergruppe Würzburg, komplettierte das Gespann für etwa 13 Jahre. „Das war eine völlig andere, aber extrem schöne Zeit. Herberts Frau Roswitha begleitete und versorgte uns immer“, erinnert sich Kahl an einen außergewöhnlichen Zusammenhalt. An Humor fehlt es dem 70-Jährigen keineswegs. Mit einem deutlich zwinkernden Auge wirft er ein Argument für seine Liebe zur „Schiedsrichterei“ ins Rennen: „Dadurch habe ich eine Chance, meiner Frau zu entkommen.“

Die Polizei – dein Freund und „Elfer“

„Entkommen“ in einem wesentlich ernsteren Kontext spielte in Kahls Vergangenheit auch schon eine Rolle. Der Referee pfiff ein Foul für einen Spieler, der dennoch die Fassung verlor. Nach einigen Vorwürfen in Richtung des Schiedsrichters wie „Du Blinder“ blieb Kahl keine andere Wahl als den Akteur mit dem roten Karton vorzeitig zum Duschen zu schicken. Im weiteren Verlauf entpuppte sich der Betroffene als Polizist. Dieser kündigte ihm ein „Nachspiel“ an, was sich einige Monate später in einer Polizeikontrolle ausdrückte.


Machen auch am Grill eine gute Figur: Heinz-Jürgen Kahl (li.) und Werner Wunderling.
Marcel Scherer

Noch heftiger erging es Kahl nach einem Spiel, in dem er kurz vor Ende einen Strafstoß verhängte. Die „Verlierer-Mannschaft“ verfolgte den Unparteiischen mit massiven Vorwürfen bis in die Kabine. „Der subjektiv benachteiligte Verein schickte einen Spieler zu mir, der in Polizeimontur an meine Türe klopfte. Ich holte mir den Spielführer der anderen Mannschaft als Zeugen hinzu. Der Vorwurf lautete unter anderem, dass ich alkoholisiert gewesen sei. Als ich persönliche Daten preisgeben sollte, lehnte ich dies ab. Nachdem ich das Vereinsgelände verlassen hatte, hielt mich eine Polizeistreife an. Drei Tage später erhielt ich einen Brief zur Vorladung, Sachbearbeiter war ein anderer Beamter“, erinnert sich Kahl an skurrile Zeiten. Ein weiterer Vorwurf der Unterschlagung von überhöhten Schiedsrichterspesen bestätigte sich ebenso nicht wie die „Promille-Unterstellung“. Enttäuscht zeigte sich Kahl allerdings vom Verband: „Ich erfuhr keinerlei Rückendeckung. Vielmehr meinten die Funktionäre noch, dass ein Polizist 24 Stunden pro Tag im Dienst sei und ich hätte Auskunft geben müssen. Damals war ich nah dran, mit meinem Hobby aufzuhören.“

"Anpfiff" im Saarland

Neben diesen zwei unschönen Ereignissen blickt Kahl auf unzählige schöne Momente zurück. Ein schwerer Schlittenunfall gab seine jahrzehntelange Schiedsrichter-Karriere ein Stück weit vor. Im Saarland legte Kahl seine Schiedsrichterprüfung im Alter von 17 Jahren ab. Zuvor kickte er in der Saar-Auswahl und kämpfte sich nach dem Unfall sogar nochmal bis in die Rolle eines Spielertrainers zurück. Die Bayernliga-Damen des TSV Uengershausen unterstützte er als Betreuer und beim TV Helmstadt schlüpfte er in die Rolle des Jugendleiters. Seine große Leidenschaft blieb allerdings die „Schiedsrichterei“. Die Anzahl der geleiteten Spiele weiß der Lengfelder nicht, allerdings hat er ein klares Ziel vor Augen: „Ich würde gerne meine 50 Jahre voll machen, dafür fehlen mir noch 30 Monate.“

Völlig andere Zeiten

An der Pfeife betätigt sich Kahl ungebrochen gerne. Und das, obwohl sich die Fußballwelt im Amateurbereich nach eigener Aussage mittlerweile komplett gedreht hat: „Früher feierten wir auch als Schiedsrichter richtige Feste in den Vereinsheimen. Nach einem Aschaffenburger Derby tanzte ich den Hochzeitsmarsch mit einem Vorstand. Mein Sohn begleitete Fußballlieder oftmals mit seiner Gitarre. Wir haben gesungen und getanzt. Heutzutage kehren die wenigsten Fußballer nach einem Spiel überhaupt noch ins Vereinsheim ein.“

Highlights mit der Schiedsrichtergruppe

Geselligkeit und Kameradschaft standen bei Kahl auch in der Schiedsrichtergruppe immer hoch im Kurs. So feierte er teilweise als Spielführer der Schiedsrichter-Mannschaft beim überregionalen Hallenturnier in der Carl-Diehm-Halle tolle Erfolge. Im weiteren Verlauf gingen die Turniere in der Lengfelder Kürnachtalhalle oder in Randersacker „Am Sonnenstuhl“ über die Bühne. „Wir feierten mit anderen Gruppen nicht selten bis 03 Uhr morgens. Auch die dreitägigen Ausflüge, oftmals nach Brixen, zähle ich zu den Highlights", schwelgt Kahl in der Vergangenheit. Zu den Teilnehmern der Hallenturniere zählte unter anderem ein gewisser Peter Sippel, ehemaliger Spitzenschiedsrichter in der 1. Bundesliga. Er kam aus der Schmiede des FC Würzburger Kickers und assistierte zu Beginn sogar dem Bezirksliga-Schiedsrichter Heinz-Jürgen Kahl. Fünf Spielzeiten leitete der leidenschaftliche Briefmarkensammler in dieser Liga Spiele.

Tolles Hobby, aber bisweilen steiniger Weg

Jedem Interessierten würde Kahl empfehlen, den Job des Schiedsrichters auszuprobieren. Die Tätigkeit bringe viel Positives mit sich. Im Vergleich zu früher sieht Kahl die Entwicklung allerdings auch ein Stück weit kritisch: „Die Anforderungen werden für junge Leute immer höher. Regel- und Leistungstests, ständige Beobachtungen sowie Beurteilungen entwickeln bei Referees mit höheren Zielen einen gewissen Druck. Da bleiben andere Hobbys oder Freunde ein Stück weit auf der Strecke. Die Luft wird bei ambitionierten Unparteiischen ziemlich schnell dünn.“

Heinz-Jürgen Kahl verfolgt als Schiedsrichter eine klare Linie.
Alexander Rausch

Ziel: Halbes Jahrhundert

Kahl leitet aktuell A-Klassen-Partien im Herrenbereich sowie Jugendspiele. Er fühlt sich aber noch fit und ihm macht sein Hobby jede Menge Spaß. Jeder Schiedsrichter erhält einen großen Vorteil vom Verband, den Kahl ausgiebig nutzt. Der Fußballbegeisterte verwertet fast bei jedem Heimspiel der TSG Hoffenheim seine Freikarte: „Ich bin kein ausgewiesener Fan des Vereins. Aber die Anreise ist von uns aus super und ich kenne schon die Leute vor Ort. In der Vereinsgaststätte mache ich oft ein Getränk vorher und an der Schiedsrichterkasse hole ich mir mein Gratis-Ticket ab. Jeder aktive Unparteiische erhält im Rahmen der Kontingente freien Eintritt bis hin zur 1. Bundesliga.“

Lob vom "Chef" der Schiedsrichtergruppe

Die Titelvergabe „Schiedsrichter des Jahres 2024“ hat sich die Vorstandschaft der Schiedsrichtergruppe Würzburg gut überlegt. Obmann Marcel Scherer fasst die wesentlichen Aspekte für ihre Entscheidung zusammen: „Heinz-Jürgen ist seit Jahrzehnten ein verlässlicher Bestandteil der Gruppe. Für keine Ansetzung ist er sich zu schade und bei jedem Fest erklärt er sich sofort bereit, zu helfen. So steht er seit vier Jahren bei unserem Sommerfest hinter dem Grill. Bei Engpässen aufgrund von Personalmangel übernimmt er immer spontan Spiele.“

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Steckbrief H. Kahl

Heinz-Jürgen Kahl
Alter
71
Geburtsort
Waldeck (bei Rostock)
Wohnort
Würzburg
Familie
3 Kinder
Nation
Deutschland
Größe
178 cm
Gewicht
104 kg
Beruf
Kälte-Klima-Mechaniker
Hobbies
Fußball, Briefmarken sammeln


Hintergründe & Fakten

Personendaten

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