Das erste Mal beim ERDINGER Cup: Der fränkische Obama aus Weingarts - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 05.06.2019 um 08:00 Uhr
Das erste Mal beim ERDINGER Cup: Der fränkische Obama aus Weingarts
Mit dem SV Schwaig hat Helmut Rahner das erste Mal einen Meistertitel als Trainer eingefahren und darf deswegen das erste Mal zum Erdinger Cup - der Champions League der Amateure. Mit dem Club war der ehemalige Profi aber auch in einigen Endspielen sowohl als Spieler als auch als Trainer. anpfiff.info blickt mit Ihnen auf die Karriere des Kultkickers zurück, der sogar einst von den Toten Hosen gewürdigt wurde.
Von Sebastian Baumann

Im beschaulichen Weingarts wurde Helmut Rahner groß - auf und neben dem Platz. Bei der DJK kickte “Alu”, wie der Ex-Profi heute aufgrund seiner kämpferischen Qualitäten einst genannte wurde, bis zur C-Jugend und war ansonsten Straßenfussballer. “Wir hatten einen Bauernhof auf dem ich täglich gekickt habe.” Immer wieder trainierte Rahner damals in der Scheune seiner Eltern. “Ich habe den ganzen Tag in der Halle gebolzt, allerdings war auf der einen Seite ein Metalltor. Das hat immer Lärm gemacht, wenn ich das getroffen habe. Wenn das nicht so laut gewesen wäre, dann hätte ich vielleicht später auch einen guten rechten Fuß gehabt”, schmunzelt der heute 48-Jährige. Sepp Harrer, der damals schon im Hintergrund in Weingarts die Fäden zog und glühender Club-Fan war, organisierte dem damaligen Außenstürmer ein Probetraining beim Club. “Ich habe in Weingarts immer alles gewonnen und habe - glaube ich - in der D- und C-Jugend 130 Tore gemacht und dann bekam ich das Probetraining beim Club.” Fritz Popp suchte Nachwuchstalente, Rahner überzeugte und war auf einmal Außenverteidiger.

Seine erfolgreichste Zeit als Spieler hatte Rahner in Uerdingen, wie hier gegen Bernd Hobsch.
anpfiff.info

Zweimal Vizemeister mit dem Club

Denn im Kader der damaligen U17 war auch ein gewisser Frank Türr, der als Jugendnationalspieler auf der linken offensiven Außenbahn gesetzt war. “Es gab auch noch den Dieter Bernhardt, der dann immer im Mittelfeld gespielt hat, deswegen musste ich Außenverteidiger spielen.” Fritz Popp, Rudi Gussner und Jogi Lieberwirth hießen damals die Trainer des frisch gebackenen Defensivmannes, der mit seiner Mannschaft fast alles abräumte. “Das war nicht so wie heute beim Club. Das Mindestziel war immer das Halbfinale der Deutschen Meisterschaft. Wir haben in den drei Jahren im Endeffekt nur zwei Spieler verloren und das waren immer die Finals der Deutschen Meisterschaft.” Es folgte der Wechsel zu Dieter Nüssung, der damals die Amateure des 1. FC Nürnbergs betreute. Einen Tag nur hatte die Mannschaft unter der Woche frei, musste sich erst an den Herrenbereich gewöhnen und verlor prompt die ersten Spiele. Nebenbei trainierte Rahner bei den Profis mit und lernte dadurch Spieler wie Sergio Zarate und Tom Brunner kennen. “Das war die goldene Zeit vom Club, das war schon richtig gut.” Allerdings musste Helmut Rahner auch arbeiten neben seinem Job als Fußballer. Als Postbote verdiente sich Rahner damals (“Ich war der schnellste Postbote Nürnbergs”) seine Brötchen und trainierte danach beim Club. Ein normales Leben eines Vertragsamateurs damals.

1993 wurde Helmut Rahner bei der Militär-WM Dritter in Marokko.
anpfiff.info

Blau-Weiß 90 Berlin und Uerdingen

Danach wurde Hans Maringer auf den Defensivmann aufmerksam. Der Nürnberger Sanitärkaufmann hatte Blau-Weiß 90 Berlin vor dem Konkurs mit seinen finanziellen Mitteln bewahrt und lotste danach einige Franken wie Klaus Mösle oder Thomas Adler nach Berlin. Auch Helmut Rahner wechselte und bekam damals 3500 DM im Monat und ein Zimmer gestellt. “Blau-Weiß war damals die Nummer 1 in der Stadt. Das war schon toll. Ich habe meinen Vertrag auf einem Bierdeckel unterschrieben und bin dann am Abend nach Hause gekommen und musste meinen Eltern beichten, dass ich nach Berlin gehe”, erinnert sich Rahner an die damalige Entwicklung. Die Zeit in der geteilten Stadt genoss Helmut Rahner - sportlich war es aber nicht seine beste Phase. Nur acht Spiele machte der Außenverteidiger für die 90er und wechselte danach nach Uerdingen, allerdings eher zufällig. Damals war Felix Magath der Manager bei der Werkself und holte Thomas Adler und Alexander Kutschera. “Uerdingen hatte damals auch einen Innenverteidiger gesucht und haben mich dann auch genommen.” Innenverteidiger hatte Rahner vorher aber nur selten gespielt, doch das Experiment gelang. Bei Bayer 05 schafft der Defensivman seinen Durchbruch und wurde einer der unangenehmsten Gegenspieler der Liga. “Ich hatte eine brutale Kondition und habe das alles über die Physis gemacht. Das war damals zu der Zeit aber einfach so.” Friedhelm Funkel war damals der Trainer in Uerdingen, Armin Reutershahn der Co-Trainer und natürlich Felix Magath als Trainer. “Wir sind zweimal in die Bundesliga aufgestiegen, da konnte ich mir einen Namen machen. Ich war damals immer dafür da einen Gegenspieler ran zu nehmen, sodass der nach 30 Minuten geweint hat und raus musste”, lachte Helmut Rahner über die Zeit als der Spitzname “Alu” geboren wurde. Auch den Toten Hosen war der Höhenflug des Devensiccracks nicht entgangen. Denn als die Musiker im Aktuellen Sportstudio einmal ihre Lieblingsmannschaft aufstellen mussten, da war auf einmal Helmut Rahner dabei. “Da waren Spieler wie der Kohler, Klinsi und Völler dabei - und ich. Aber das hat ja gut gepasst, schließlich sind Campino und ich Liverpool-Fans.”

Militär-WM und der Club

Nebenbei kickte Rahner auch 1993 bei der Militär-Weltmeisterschaft in Marokko mit. Damals mussten noch alle Spieler zum Wehrdienst, im Nachhinein keine schlechte Entscheidung für den Defensivspezialisten, der mit der Bundeswehrmaschine nach Marokko flog und mit seiner Mannschaft den dritten Platz belegte. “Das wäre wohl heute die Olympiaauswahl. Wir sind aber in kompletter Bundeswehrmontur dahin geflogen.” Unter anderem mit WIlli Landgraf, dem späteren Aachener Urgestein kickte Rahner damals zusammen. Es folgten kurze Wanderjahre, erst in Schottland beim FC Kilmarock, dann bei Udinese Calcio, aber zwischendurch bei seinem Club. Zwei Jahre kickte Rahner noch einmal für den 1. FC Nürnberg, erst unter Willi Entenmann, dann unter Felix Magath. “Das mit Willi Entenmann hat nicht funktioniert, aber als dann der Felix Magath kam, da gingen wir durch die Decke. Unter dem Willi Entenmann waren alle viel zu brav.” Der Club war erst gerade aus der Regionalliga in die Zweite Bundesliga aufgestiegen und marschierte unter dem neuen “Quälix” durch bis in die Bundesliga. “Nach dem Aufstieg haben wir gefeiert, als ob wir die Champions League gewonnen hätten”, erinnert sich Rahner an einen der vielen Aufstiege des Traditionsvereins bei dem der Defensivmann selber mitgewirkt hatte. Felix Magath ging nach dem Aufstieg aber überraschend und auch Helmut Rahner spielte nur noch eine Saison beim Club und musste wenig später sogar seine Karriere beenden. Nach Stationen bei Preussen Münster und Rot-Weiß Essen sorgte eine bakterielle Infektion nach einer Operation für das vorzeitige Karriereende. “Fünf Jahre zu früh”, sagt Rahner heute noch. Allerdings machte der Fußballverrückte das Beste draus und wurde Trainer.

Zwischendurch versuchte sich Helmut Rahner sogar als Politiker und wollte Bürgermeister in Kunreuth werden - hier zusammen mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Günther Beckstein.
anpfiff.info

Fußballehrer und Bürgermeisterkandidat

Mit einigen bekannten Ex-Profis, wie Olaf Marschall und Mario Basler absolvierte Helmut Rahner danach erfolgreich den Schein als Fußballehrer und engagierte sich danach erfolgreich beim 1. FC Nürnberg in der Jugendabteilung. Unter Dieter “Jogi” Lieberwirth und Wolfgang Schellenberg wurde Rahner Co-Trainer der U19 und prägte eine der erfolgreichsten Zeiten des Nürnberger Nachwuchsfußballs. “Wir wurde dreimal deutscher Vizemeister, haben zweimal gegen den Christian Streich verloren und einmal gegen Hertha. Die Jugend war schon meine Welt. 2011 haben wir auch noch den Deutschen Pokal geholt.” Allerdings strukturierte der Club unter Rainer Zietsch um, sodass Rahner gehen musste.

Wer weiß, wie die Trainerlaufbahn weitergangen wäre von Helmut Rahner, wenn sich der damals 36-Jährige als Bürgermeister in Kunreuth gekrönt hätte. “Damals hatte die CSU keinen Kandidaten, ich bin schon immer engagiert gewesen und war auch ein Blauer. Also habe ich das gemacht. Ich wollte damals die blaue Revolte.” Mit einem intensiven Wahlkampf, Rosen für die Frauen des kleinen Ortes und viel Einsatz wollte sich Rahner damals in die Herzen der Wähler spielen. “Ich war damals drei Monate dafür unterwegs, immer vor meinem Training und  habe 36 Prozent bekommen, da wären heute einige froh drüber. Ich war ja sozusagen der Obama aus Weingarts. Es hat aber leider nicht gelangt. Ich konnte Sonntag nicht in die Kirche gehen, weil ich trainiert habe, war nicht verheiratet und hatte keinen Hof, da wird es am Land einfach schwer.”

Meister mit dem SV Schwaig.
fussballn.de

Endlich Meister - mit Schwaig

2013 suchte der TSV Buch einen neuen Trainer, Roland “Landi” frei hörte auf und erinnerte sich an seinen alten Mitspieler von den Club-Amateuren. Zweimal wurde Rahner mit seiner neuen Mannschaft Herbstmeister in der Landesliga ehe Verein und Trainer uneins waren über die Entwicklung in der Zukunft. Also ging Helmut Rahner, wäre fast zum ATSV Erlangen gegangen und landete am Ende in Schwaig. Dort erinnerte sich Interimstrainer Christoph Weber an seinen Trainer aus Club-Zeiten und lotste den Fußballlehrer ins beschauliche Schwaig. “Die standen damals mit einem Bein in der Kreisliga und haben überraschend den Abstieg verhindert. Dann hatte ich in der Bezirksliga eine Kreisligamannschaft und haben uns entsprechend schwer getan.” Als dann zwischenzeitlich die Würzburger Kickers Rahner als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums vorstellten, sah es aber nach Abschied aus. Doch Rahner beendete seinen Vertrag in Würzburg.

Ich wollte etwas bewegen und war dann im Endeffekt nur so etwas wie der Frühstücksdirektor. Da hatte ich keine Lust zu.” Also blieb Rahner in Schwaig und konsolidierte seine Mannschaft  in der Bezirksliga. In der abgelaufenen Saison landete Rahner dann den großen Wurf: Meister der Bezirksliga und Aufstieg in die Landesliga. “Der Verein hatte vor der Saison die Rahmenbedingungen geschaffen, es kamen einige neue Spieler und dann hatten wir 15 Spiele in Serie nur gewonnen, das war der Grundstein für den Aufstieg.” Zwar wurde es in der Rückrunde trotz eines eigentlich komfortablen Vorsprungs noch einmal eng, dennoch schaffte es Schwaig den knappen Vorsprung ins Ziel zu retten. Doch was kommt jetzt? “Ich freue mich auf die kommende Saison”, schmunzelt Helmut Rahner. “Mal sehen, vielleicht greife ich auch noch ganz oben an, aber im Moment gefällt es mir in Schwaig.

Kommentar abgeben

Kommentare werden unter Deinem Nicknamen und erst nach Prüfung durch die Redaktion veröffentlicht.

Leser-Kommentare


 

Steckbrief H. Rahner

Helmut Rahner
Spitzname
Alu, Helle
Alter
53
Geburtsort
Weingarts
Wohnort
Nürnberg
Familie
in Beziehung
Nation
Deutschland
Größe
182 cm
Starker Fuß
Linksfuß
Lieb.-Position
Innenverteidiger
Erfolge
2009: Aufstieg mit der U19 des 1. FC Nürnberg in die Bundesliga; 2005,2011,2012 Gewinn des BFV Pokals mit der U19 des 1. FC Nürnberg;2006,2012: Halbfinale mit der U19 des 1. FC Nürnberg; Bayerischer Hallenmeister 2006,2009: Sieger mit der U19 des 1. FC Nürnberg; Aufstieg mit dem SV Schwaig in die Landesliga;
Vereine  in der Jugend
DJK Weingarts  (bis 1986)
1. FC Nürnberg (1986-1989)

Vereine als Profi
1. FC Nürnberg (1989-1990)
Blau Weiß 90 Berlin (1990-1991)
Bayer 05 Uerdingen (1991-1996)
FC Kilmarnock (1997-1997)
1. FC Nürnberg (1997-1999)
Reggina Calcio (1999-1999)
Preußen Münster (1999-2000)
Rot Weiß Essen (2000-2002)

Stationen als Trainer
Rot Weiß Essen (2003)
1. FC Nürnberg NLZ (2004-2012)
TSV Buch (2013-2016)
SV Schwaig (seit 2017)


Hintergründe & Fakten

Personendaten
Teamdaten
Teamdaten

Trainerstationen H. Rahner

19/21
LL
 
18/19
BL
17/18
BL
 
15/16
LL
 
14/15
LL
 
13/14
LL
 

Zum Thema



Diesen Artikel...