Die unschöne Seite des Fußballs: Beleidigungen und überharte Foulspiele - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 21.10.2020 um 06:00 Uhr
Die unschöne Seite des Fußballs: Beleidigungen und überharte Foulspiele
Johannes Gründel ist nicht nur Schiedsrichter und Lehrwart der Gruppe Forchheim, sondern im normalen Leben außerdem Jurist. Er arbeitet an einem Lehrstuhl für Strafrecht an der FAU in Erlangen. Für anpfiff.info erklärt er strafrechtliche Zusammenhänge auf dem Fußballplatz.
Von Uwe Kellner
Es kann passieren, dass auf dem Fußballplatz Beleidigungen fallen, die ziemlich deftig sind und keine gute Kinderstube hinter dem Pöbler vermuten lassen. Wenn mich mein Gegenspieler beleidigt und der Schiedsrichter hört das, wird er in der Regel des Feldes verwiesen. Aber kann das Ganze auch strafrechtliche Konsequenzen haben?
Johannes Gründel
: Die Möglichkeit gibt es. § 185 StGB stellt die Beleidigung unter Strafe (Freiheitsstrafe bis zu ein Jahr oder Geldstrafe). Allerdings wird das Verfahren in den meisten Fällen dann eingestellt und Du auf den sogenannten Privatklageweg verwiesen, weil eine Anklageerhebung dann nicht im öffentlichen Interesse liegt. In dem Fall müsstest Du dann selbst (bzw. mit Hilfe eines Anwalts) Anklage erheben, was aber recht umständlich ist und realistischerweise kommt da ohnehin nur eine kleine Geldstrafe rum. Anders schaut es aber beispielsweise unter Umständen auf, wenn der Übeltäter schon mehrfach bei Polizei oder Staatsanwaltschaft wegen Beleidigungen auffällig war oder es sich um eine rassistische Beleidigung handelt, die für alle am Sportplatz deutlich vernehmbar war. In dem Fall könnte die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahen und dann doch Anklage erheben.

Was mache ich im gleichen Zusammenhang, wenn mich als Spieler ein Zuschauer beleidigt? Muss ich den Schiedsrichter darauf aufmerksam machen und dieser lässt den Zuschauer dann des Platzes verweisen?

Johannes Gründel: Der Schiedsrichter kann nur ahnden, was er selbst oder ein Gespannsmitglied wahrgenommen hat. Wenn Du also zu mir kommst und zu mir sagst, dass Dich ein Zuschauer beleidigt hat, kann ich Dir meistens leider nur sagen, dass Du Dich vom Zuschauer nicht zu irgendwelchen Dummheiten hinreißen lassen sollst, und eventuell einen Ordner in die Nähe des Zuschauers schicken, der dann den Auftrag hat, den Zuschauer vom Sportplatz zu schicken, wenn er (noch einmal?) jemanden beleidigt. Mehr kann ich ohne eigene Wahrnehmung des Schiedsrichtergespanns leider nicht tun - es könnte ja theoretisch sein, dass Du mich anlügst, um dem Zuschauer oder dessen Verein eins auszuwischen, auch wenn das natürlich sehr unwahrscheinlich ist.

Was macht der Schiedsrichter mit mir, wenn ich die Beleidigung gegen den Zuschauer erwidere?
Johannes Gründel: Wenn ich als Schiedsrichter die erwiderte Beleidigung wahrnehme, muss ich Dich mit Rot vom Platz stellen, weil die Regeln nicht unterschieden, ob man einen Gegenspieler, Schiedsrichter, Zuschauer oder gar Mitspieler beleidigt. Ich würde den Zuschauer natürlich auch über den Ordnungsdienst vom Sportplatz entfernen lassen und in der Meldung an das Sportgericht festhalten, dass Du vorher vom Zuschauer beleidigt wurdest, wenn ich diese Beleidigung auch wahrgenommen habe. Wenn ich die erste Beleidigung nicht wahrgenommen habe, kann ich höchstens schreiben, dass Du vorher angeblich von einem Zuschauer beleidigt wurdest, ich diese Beleidigung selbst aber nicht wahrgenommen habe. So oder so würde Deine Mannschaft aber in Unterzahl weiterspielen müssen, während die Schwächung des Gegners durch einen Verweis des Zuschauers doch eher überschaubar ist. Also ist das wichtigste, dass Du in so einer Situation den kühlen Kopf bewahrst und es dem Zuschauer dann durch eine besonders gute Leistung auf sportliche Weise zeigst.

Johannes Gründel ist neben seinem Hobby als Schiedsrichter im Beruf als Jurist tätig. Er kennt sich demnach nicht nur mit den Regeln auf dem Fußballplatz sehr gut aus, sondern auch darüber hinaus.
anpfiff.info

Ein Spieler wird von einem anderen Spieler während der Partie gefoult und verletzt sich schwer. Der Gefoulte sieht ein vorsätzliches hartes Foulspiel, weil der Ball vielleicht schon längst woanders war, und will den gegnerischen Spieler anzeigen. Ist das möglich, ratsam, gibt es Beispiele?
Joahnnes Gründel: Das kannst Du unter bestimmten Voraussetzungen tatsächlich machen. Die genaue Herleitung ist in der juristischen Fachwelt umstritten, aber es besteht Einigkeit darüber, dass nicht jede Verletzung, die nach einem Foul entsteht, auch strafbar ist, weil ein gewisses Verletzungsrisiko beim Fußball dazugehört und man dieses Risiko eigenverantwortlich eingeht, wenn man am Spiel teilnimmt.

Allerdings gilt das nicht für alle Verletzungen beziehungsweise Fouls. Verletzungen, die durch grobe Verstöße gegen das Regelwerk entstehen, sind weiterhin als einfache oder gefährliche Körperverletzung nach §§ 223, 224 I Nr. 2 StGB strafbar und – was für Dich vermutlich in der Situation noch wichtiger ist – begründen auch einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch. Vereinfacht und als Faustformel kann man da sagen, dass vorsätzliche Fouls, die nach dem Regelwerk eine glattrote Karte nach sich ziehen müssen, strafbar sind.

Nach meiner Auslegung des Strafrechts würde ich das noch etwas einschränken und bei Notbremsen die Strafbarkeit ebenfalls ausschließen, weil man mit solchen Fouls bei jedem Spiel rechnen muss und der grobe Regelverstoß sich hier nicht aus der besonderen Brutalität oder Verletzungsgefahr ergibt, sondern aus der reinen Unsportlichkeit, dem Gegenspieler eine offensichtliche Torchance durch ein Foul zu nehmen. Mit Blick auf die Verletzungsgefahr macht es ja keinen Unterschied, ob das Foul durch den letzten oder den vorletzten eingriffsbereiten Gegenspieler begangen wird.

In Deinem Beispiel mit dem vorsätzlichen harten Foulspiel abseits des Balles oder bei einem Tim-Wiese-Gedächtnis-Sprung hat sich der foulende Spieler wahrscheinlich strafbar gemacht. In der Praxis kommt da aber in der Regel nur eine Bestrafung heraus, wenn Du auch einen Strafantrag stellst und sich alle wesentlichen Aspekte beweisen lassen, also auch der Vorsatz des foulenden Spielers. Lässt sich das beweisen, kann eine solche Bestrafung erfolgen und Du hast auch einen Anspruch auf Schadensersatz, z.B. Verdienstausfall, weil Du längere Zeit nicht arbeiten konntest, und auf Schmerzensgeld.

Das gab es tatsächlich letztes Jahr schon einmal: Das Landgericht Hannover hat einen Kreisklasse-Fußballer zu einer Geldstrafe in Höhe von 4.800 Euro (120 Tagessätze á 40 Euro) verurteilt. Das Gericht hat aber auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um ein ungewöhnlich brutales Foulspiel handelte, nämlich von hinten mit gestrecktem Bein ohne Chance auf dem Ball, das auch noch einen Schien- und Wadenbeinbruch des Gegners zur Folge hatte.

Noch extremer war ein (zivilrechtliches) Urteil des Oberlandesgerichts Hamm aus dem Jahr 2012. Da wurde ein Kreisliga-Spieler von einem Gegner durch ein Foul mit gestrecktem Bein am Knie so schwer verletzt, dass er seinen Beruf als Maler und Lackierer aufgeben musste. Der Schiedsrichter hatte da zwar nur Gelb gegeben, das Landgericht Dortmund und das OLG Hamm haben hier aber eine grob regelwidrige Spielweise gesehen, weil es sich um ein rücksichtsloses Foul im Sinne der Regel 12 gehandelt hat. Deshalb hat es dem gefoulten Spieler einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 50.000 € zugesprochen. Ich bin mit der Begründung dieser Entscheidung aber nicht so ganz glücklich: Wenn es wirklich „nur“ ein rücksichtsloses Foul war, also eines, das nach dem Regelwerk gelbwürdig war, dann ist das kein so grober Regelverstoß, dass man bei der Teilnahme am Spiel nicht damit rechnen würde – gelbwürdige Fouls gibt es ja quasi in jedem Spiel. War das Foul aber nicht nur rücksichtslos, sondern übermäßig hart bzw. brutal, also rotwürdig, sehe ich das wie die Richter.

Ob es ratsam ist, ein solches Verfahren voranzutreiben, steht aber auf einem anderen Blatt und hängt sicherlich von den konkreten Umständen ab. Gerade wenn es ein eher unglückliches Foul war und keine längeren Folgen (v.a. kein finanzieller Schaden) entstanden sind, ist es im Zweifel besser, das bei einem gemeinsamen Bier im Sportheim zu klären und nicht vor Gericht. Man spielt ja bestimmt irgendwann wieder gegeneinander – oder vielleicht auch mal im selben Team.

Vielen Dank für die Ausführungen!


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