Als vor knapp einem Jahr die ersten Meldungen über den
Ticker liefen, dass sich in China ein neuartiges Virus ausbreite, dachte wohl
kaum jemand daran, dass dies auch Auswirkungen auf den Amateurfußball in
unseren Breitengraden haben könnte. Aber das Virus entpuppte sich als echter
Spielverderber und führte im März zum ersten Lockdown, bei dem das öffentliche
Leben weitgehend heruntergefahren wurde. Auch bei den Amateurfußballern ruhte
nach dem Ende der Winterpause der Ball zunächst weiter. Erst als sich im Sommer
die Zahl der Neuinfektionen deutlich verringerte, konnte ab Mitte September
wieder gekickt werden, wenn auch unter Auflagen. Doch die neue Freude am alten
Spiel währte nicht lange, denn Ende Oktober war schon wieder Schluss: Starker
Anstieg bei den Infizierten, neuer Stillstand auf dem Platz. Die Vereine und
die Aktiven wurden verfrüht in die Winterpause geschickt, und noch ist nicht
klar, wie lange die Pause diesmal dauern wird.
Im Rückblick führte dies in einigen Bereichen zu neuen,
teilweise ungewöhnlichen Entwicklungen, die sicherlich noch länger in
Erinnerung bleiben werden:
Die längste Saison …
Die Saison 2019/20 dauert mittlerweile schon 19 Monate an
- und ein Ende ist nicht abzusehen. Wenn die Spielzeit regulär im Frühsommer
beendet werden kann, dann hätte sie genau zwei Jahre gedauert – so lange wie
keine zuvor und sogar länger als eine Elefanten-Schwangerschaft. Eine schwere
Geburt ist diese Saison aber so oder so. Möglicherweise muss der Spielplan
sogar auch noch etwas nach hinten verschoben werden. Fest steht schon jetzt: In
den Statistiken des Amateurfußballs wird bei vielen Vereinen die Saison 2020/21
komplett fehlen, denn die hat es nie gegeben. Auf die Spielzeit 2019/21, wie
sie mittlerweile heißt, folgt dann die Saison 2021/22. Stand heute - wie Niko
Kovac sagen würde.
… und nur wenige Spiele
Obwohl die Saison schon jetzt unglaublich lang ist, gab
es bislang nur wenige Spiele. Was wie ein Widerspruch klingt, bedingt sich
natürlich.
Bayernligist Bayern Hof beispielsweise kam 2020 gerade
einmal auf 90 Punktspiel-Minuten. Resultat war eine 2:3-Niederlage in
Eltersdorf, weshalb die Mannschaft von Roman Pribyl seit über einem Jahr auf
einen Punktgewinn wartet. Einige Amateurteams konnten im Jahr 2020 überhaupt
keine Pflichtspiele absolvieren: In der Bayreuther A-Klasse 7 blieben die
Reserven des SV Ramsenthal und des TSV Bad Berneck komplett ohne Einsatz.
Möglicherweise hilft den Spielern aus Bad Berneck ein wenig schwarzer Humor
beim Rückblick auf die laufende Saison: Tabellenletzter seit dem 27. Oktober
2019 und immer noch nicht abgestiegen – das schafft nicht mal Schalke 04.
Meisterfeier im Oktober
Die Verschiebung des Spielplanes führte dazu, dass
bereits im Oktober die erste Meisterschaft gefeiert werden konnte: Die
Fußballer des 1. FC Baunach (Spielkreis Bamberg) liegen mit 68 Punkten aus 25
Spielen uneinholbar auf Platz ein der Kreisklasse 1. Dazu herzlichen
Glückwunsch! Manchmal ist der Weihnachtsmann eben schon ein Osterhase, um Uli
Hoeneß zu bemühen. Und vielleicht müssen wir uns an so etwas gewöhnen, denn
auch bei der nächsten Weltmeisterschaft in Katar wird der Meister wenige Tage
vor Weihnachten 2022 gekürt. Corona hin oder her.
"Husten, wir haben ein Problem..."
Auch die Regelkunde wurde zu Corona-Zeiten angepasst. Um
den Spielern mehr Ruhepausen und um die Belastungen für die Spieler besser
steuern zu gönnen, sind mittlerweile fünf Auswechslungen möglich. Gute Sache!
Und während Spucken schon vor Corona mit einem Platzverweis geahndet wurde, bei
den Profis von Mönchengladbach übrigens ebenso wie in der Kreisklasse, wurde
das Regelwerk in der Pandemie erweitert: Nun gibt es auch Rot für denjenigen,
der während des Spiels seinen Gegner anhustet.
Ebenfalls eine gute Entscheidung. Und Vorsicht: Auch das
empfohlene Husten in die Armbeuge bezieht sich ausschließlich auf die eigene
(!) Armbeuge. In jedem Fall bekam der Begriff „Hustentruppe“ im Jahr 2020 eine
völlig neue Dimension.
Ligapokal extra light
Die Irrungen und Wirrungen um die Spielplanerstellung
brachten letztlich einen neuen Wettbewerb hervor – den Ligapokal. Angedacht als
lukratives Überbrückungs-Turnier mit vielen Derbies und zusätzlichen
Aufstiegsplätzen, versprach er ein interessantes Spielemodell zu werden. Allerdings fiel auch der Ligapokal bald dem immer enger
werdenden Terminkalender zum Opfer, und es ist ungewiss, ob er dem Virus
letztlich nicht völlig erliegen wird.
Die Liste coronabedingter Änderungen im Fußballjahr 2020
wäre noch um einiges zu verlängern, wir wollen es aber dabei belassen und
lieber nach vorne schauen. Hoffen wir, dass in 2021 wieder mehr Fußball
gespielt, als am grünen Tisch über ihn geredet werden kann. Dass er nicht nur
geliebt, sondern wieder gelebt werden kann. Denn schließlich ist der Fußball,
das wusste schon Arrigo Sacchi, "das wichtigste aller unwichtigen Dinge im
Leben!" Selten hat dieser Spruch besser gepasst als nach diesem seltsamen
Jahr...
Noch etwas in eigener Sache
Eines ist uns als Redaktion von anpfiff.info zum Ende dieses Artikels und zum Ausklang dieses Jahres noch eine besondere Herzensangelegenheit: Allen Leserinnen und Lesern, vor allem unseren zahlenden Kunden und treuen Werbepartnern, möchten wir an dieser Stelle ein herzliches "Vergelt's Gott" sagen. Fast ein ganzes Jahr ohne aktuelles Spielgeschehen ist für ein Fußballportal eine echte Herausforderung. Wir haben unser Angebot inhaltlich angepasst, um weiterhin attraktive Inhalte zu bringen. Das war - ehrlich gesagt - nicht immer einfach. Dass uns unsere Abonnenten und Werbepartner in überragender Weise die Treue gehalten haben, dafür sind wir überaus dankbar und wissen dieses Vertrauen sehr wohl zu schätzen; dieses möchten wir in Zukunft auch wieder an Sie zurückgeben!
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine
friedvolle Weihnachtszeit und erholsame Feiertage – und für 2021 vor allem
eines: Bleiben Sie gesund!
Ihr Team von anpfiff.info
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