Trendbeobachtung: Frauenfußball im Aufschwung - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 28.06.2019 um 19:30 Uhr
Trendbeobachtung: Frauenfußball im Aufschwung
Aktuell tobt in Frankreich ein sportliches und mediales Großereignis – und nein, die Tour de France meinen wir nicht. Ein Jahr nach der WM der Herren richten die amtierenden Weltmeister in Frankreich auch das Turnier für die Nationalteams der Frauen aus. Diese Gelegenheit ist optimal, um einmal die Karten auf den Tisch zu legen – der Frauenfußball hat sich über die letzten Jahre einem großen Wandel unterzogen.
Von Manni Meisenkaiser
istock.com/suteishi
Frauenfußball auf dem Vormarsch

Der Fußball nach europäischem Vorbild ist die größte Mannschaftssportart weltweit.  Doch noch vor wenigen Jahren wurde ein Aspekt davon weitestgehend belächelt. Fußball sei „Männersache“ war eine Geisteshaltung, die man an jeder Ecke hören konnte. Zugegeben – ganz verschwunden ist diese Ansicht noch nicht. Aber wir sind auf dem besten Weg.

Das Ganze beginnt schon auf der lokalen Ebene – glücklicherweise, denn ohne Nachwuchsarbeit wird es auch im hochklassigen Bereich nichts. Hier in unserer Region haben die örtlichen Vereine etwa 150 Frauenmannschaften vorzuweisen, in anderen Gegenden Deutschlands sieht es ähnlich aus.

Nicht nur auf dem Platz

Auch in anderen Bereichen des Sports und der medialen Infrastruktur, die darum aufgebaut ist, weitet sich der weibliche Einfluss endlich aus. Letztes Jahr erst waren es mit die größten Schlagzeilen der Sportsaison, als Claudia Neumann als erste Frau Spiele der UEFA Champions League und der Fußball Weltmeisterschaft im ZDF kommentierte.

Leider bleibt nicht alles positiv in Erinnerung, was man damals, wie auch bei ihrem EM-Debüt im Jahr 2016, hören und lesen musste – je nach Umfeld natürlich. In sozialen Medien und Portalen, die noch von veralteten Geschlechterrollen geprägt sind, musste man wahre Shit-Storms über sich ergehen lassen.

Kommentare und Beiträge bei Facebook und Twitter waren voll von Beschwerden über die sportliche Kompetenz von Neumann und die Entscheidung des ZDF, sie einzusetzen.

Natürlich kann man(n) das jetzt gezielt kontextualisieren und behaupten, dass auch männliche Kommentatoren, allen voran Béla Réthy, regelmäßig derartige Kommentare ernten. Grundlegend entspricht das natürlich auch der Realität – aber, dass sowohl die Ausdrucksweise als auch die hinter den Aussagen steckende Intention eine andere ist, sollte auch klar sein.

Ein weiterer nennenswerter Name an dieser Stelle ist Bibiana Steinhaus, die seit 2017 als Schiedsrichterin in der ersten Bundesliga der Männer agiert. Sie gehört damit international zu sehr wenigen Ausnahmen.

Super Stimmung auf den Rängen auch bei Frauenspielen.
naftizin / Fotolia.com

Frauen WM als Katalysator

Zugegeben – auf dem Niveau der höchstklassigen Männer ist der Frauenfußball noch nicht ganz angelangt. Doch aktuell spielt sich auf den üblichen Sportsendern ein interessantes Duell ab, an dem sich gut ablesen lässt, wie stark das öffentliche Interesse angewachsen ist.

Gleichzeitig zur WM in Frankreich wird in Italien und San Marino die Europameisterschaft der U21-Nationalteams ausgetragen. Die Fernsehquoten der ARD, der Spiele beider Turniere direkt nacheinander ausstrahlte, zeigen deutlich: Die Frauen liegen im öffentlichen Interesse klar vorne. Natürlich spielen die Turniere der Nachwuchs-Nationalmannschaften nur eine untergeordnete Rolle im internationalen Fußball, beachtlich ist die Quotenverteilung aber allemal.

Das Spiel der Frauen gegen Südafrika (17.06.) verfolgten laut der offiziellen Quote 5,98 Millionen Zuschauer live im Ersten, während ins Spiel der Herren der U21-Mannschaft nur 4,92 Millionen Fans einschalteten – und das, trotz der Primetime-Sendezeit.

Schon 2015 wurde mit der Weltmeisterschaft in Kanada die Frauenfußball-WM zum medial zweit erfolgreichsten FIFA Turnier überhaupt, nachdem ein Wachstum von 36 Prozent im Vergleich zu 2011 verzeichnet werden konnte. Der Trend geht also ganz klar in eine Richtung: Nach oben.

Auch dieses Jahr sorgen die Damen unseres Nationalteams wieder für Fußballfieber. Mit souveränen Siegen über die bisherigen Gegner China, Spanien, Südafrika und Nigeria ging es ohne Punktverlust bis ins Viertelfinale. Da können sich die Männer sicherlich eine Scheibe von abschneiden.

Auch international

Nicht nur hierzulande ist diese Entwicklung zu verspüren. Besonders Nationen, die traditionell im Internationalen Fußball nur eine Nebenrolle spielen, haben erfolgreiche Auftritte ihrer Frauen-Mannschaften Stürme der Begeisterung ausgelöst. Die zwei Paradebeispiele hierfür sind Japan und die USA.

Denn beide konnten bereits den Weltmeister-Titel erringen – die Vereinigten Staaten treten nach ihrem Sieg 2015 aktuell als Titelverteidiger an, und Japan war Erfolgreich beim Turnier im Jahr 2011. Besonders in Amerika, wo der Fußball, dort als Soccer bekannt, nur eine extrem untergeordnete Rolle spielt, war die Begeisterung bemerkenswert.

Das USWNT, wie die amerikanische Damenmannschaft dort genannt wird, ist aktuell auf Rang Eins der FIFA-Weltrangliste. Im Fußball-fremden Amerika ist das etwas sehr Besonderes und die Bevölkerung reagierte sichtlich begeistert darauf, im Fußball einmal zur Weltspitze zu gehören. Das Finale der WM 2015 gegen die damaligen Titelverteidiger aus Japan war das meistgeschaute Fußballspiel der Geschichte der USA überhaupt.

Das Fundament der Männerdomäne beginnt zu bröckeln

Da stellt man sich die Frage, wieso es überhaupt so lange gedauert hat. In vielen anderen Sportarten – insbesondere der Leichtathletik, Wintersport und Tennis – sind die Disziplinen der Frauen weit relevanter und stehen den Männerwettbewerben kaum nach, was Aufmerksamkeit in den Medien angeht. Warum also nicht auch im Fußball?

Sport insgesamt ist medialer und globaler geworden. Es scheint, als brauche es immer wieder starke Persönlichkeiten in einer bestimmten Disziplin. Diese Vorbilder ziehen große Aufmerksamkeit auf sich, strahlen Positivität aus und haben einen Domino-Effekt. Hope Solo und Birgit Prinz sind im Fußball zwei solcher Namen – aber auch in weiteren, traditionell extrem männlich dominierten Sportarten kann man dies beobachten. So hat bei den MMA-Kämpfern Ronda Rousey eine Welle der Begeisterung für die Frauen-Wettbewerbe auslösen können.

Frauen-Power in Aktion.
Joe / Fotolia.com

Man erinnert sich vielleicht noch an den Film „Kick it like Beckham“ aus dem Jahr 2002, in dem Keira Knightley schon als weibliche Identifikationsfigur das Runde ins Eckige schießen lies. Sowohl über Geschmack, als auch über den Erfolg der Kampagne lässt sich jedoch streiten.

Nicht zuletzt dank solcher Vorbilder und der unermüdlichen Arbeit von Frauen sowohl auf dem Rasen als auch hinter den Kulissen, entgegen aller Hindernisse, hat ein langsamer Wandel des öffentlichen Bewusstseins eingesetzt.

Sicherlich hört man hier und da noch Stimmen ewig Gestriger, die sich mit dieser Entwicklung einfach nicht anfreunden wollen. Doch eins ist sicher – es wird sich nicht aufhalten lassen. In wenigen Jahren schon, da ist sich anpfiff sicher, wird der Frauenfußball einen gleich hohen Stellenwert haben.

Es gibt noch viel zu tun

Auch, wenn die Entwicklungen durchaus vielversprechend sind – noch sind wir nicht ganz da, wo wir sein wollen. Obwohl Frauen einen großen Teil an Fußballfans ausmachen, ist das Interesse an der Bundesliga der Damen noch nicht gleichgezogen. Vor allem die Zuschauerzahlen in Stadien während den höchstklassigen Spielen lässt zu wünschen übrig. Die vollen Stadien bei der WM sind daher eine gern gesehene Abwechslung. Der Meinung der anpfiff-Redaktion nach gibt es hier insbesondere bei der Vermarktung noch deutlich Nachholbedarf.

Das gesamte mediale Netzwerk rund um den Fußball, das die enorme Kommerzialität des Sports ausmacht, wird früher oder später auf die steigende Popularität aufmerksam werden und das Potential nutzen, was rückwirkend zu einer besseren Integration führen wird. Anbieter von Sportwetten sind beispielsweise bereits in der Gegenwart angekommen – beim Aufstellen und Berechnen von entsprechenden Quoten wird auch auf die Länderspiele der Frauen großen Wert gelegt. Teilweise sind die Optionen detaillierter als bei anderen relativ hochkarätigen Begegnungen.

Auch andere Zahnräder in der Fußball-Marketing-Maschinerie müssen früher oder später diesem Beispiel folgen. Ein großer Vertreter, nämlich die FIFA-Videospielreihe von EA Sports, hat bereits seit einigen wenigen Jahren damit begonnen. Seit der Ausgabe FIFA 16 kann man erstmals auch im heimischen Wohnzimmer mit Frauen-Nationalmannschaften Spiele bestreiten. Das damals bahnbrechende Experiment war erfolgreich – so sehr sogar, dass in der neuesten Version die fiktionale Spielerin Kim Hunter die Protagonistin des Story-Modus geworden ist.

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