Mit 13 schon als Schiri im Einsatz: Thomas Stein hat seine Entscheidung nie bereut - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 30.10.2018 um 12:15 Uhr
Mit 13 schon als Schiri im Einsatz: Thomas Stein hat seine Entscheidung nie bereut
MAGAZIN Der Traum eines jeden Schiedsrichters ist es, einmal in der Bundesliga zum Einsatz zu kommen. Für Thomas Stein ging dieser Traum als Schiedsrichterassistent im Jahre 2014 in Erfüllung, seither ist der Unparteiische vom TSV Homburg regelmäßig im Profibereich im Einsatz und pfeift zudem bis hoch in die Regionalliga. Wie hart er dafür arbeiten musste und welche besonderen Momente er erlebte verrät er uns im Interview.
Von Bastian Reusch
Thomas Stein (2. v. li.) kann auf eine bisher sehr erfolgreiche Karriere als Unparteiischer zurückblicken.
Thomas Stein.
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Lieber Herr Stein, Sie gelten als Aushängeschild der Würzburger Schiedsrichtergruppe. In welchen Ligen kommen Sie momentan als Referee und als Linienrichter zum Einsatz?
Thomas Stein: Danke für die Blumen. Als Aushängeschild würde ich mich selbst nicht bezeichnen wollen. Ich mache einfach nur meinen Job. Seit der Saison 2014/2015 komme ich als spezialisierter Schiedsrichter-Assistent und Vierter Offizieller in der Bundesliga zum Einsatz. Für das Pfeifen in der Regionalliga  selbst bleibt wenig Zeit. Aktuell werde ich noch als Video-Assistent geschult.

Viele Spieler sagen, dass sie sich niemals vorstellen könnten, als Schiedsrichter tätig zu sein. Wie kamen Sie dazu, gerade diese Position im Fußballsport zu wählen?
Thomas Stein: Die Spieler müssten es halt selbst mal ausprobieren, um das abschließend beurteilen zu können. Aber Spaß beiseite: Ich kann natürlich nachvollziehen, dass unser Job auf die meisten Außenstehenden etwas befremdlich wirken mag. Applaus ernten wir nie, stehen stattdessen häufig Wochenende für Wochenende in der Kritik der Fans, Vereine, Trainer und Medien. Trotzdem hat mich die Schiedsrichterei von Anfang an fasziniert. 1994 trugen die Referees bei der WM in den USA erstmals farbige Trikots und fielen daher schon rein optisch auf. Mein Interesse war geweckt! Das hat auch der damalige Fußball-Abteilungsleiter meines Vereins (TSV Viktoria Homburg) mitbekommen, die Gunst der Stunde genutzt und mich spontan bei einem Neulingskurs angemeldet. Da ich damals erst zwölf Jahre alt war, brauchte ich sogar eine Ausnahmegenehmigung des Bayerischen Fußball-Verbandes. Mit 13 stand ich dann erstmals als Schiedsrichter auf dem Platz. Ich habe meine Entscheidung nie bereut!

Sie haben bisher eine sehr erfolgreiche Karriere hinter sich gebracht. Wieviel Arbeit und Durchhaltevermögen steckt in solch einer Laufbahn?
Thomas Stein: Sie können sich sicher vorstellen, dass es gerade am Anfang meiner Laufbahn nicht besonders leicht gewesen ist, wenn die Spieler allesamt älter und größer sind als man selbst. Gerade diese Zeit hat mich vermutlich am meisten geprägt. Es galt sich trotzdem durchzusetzen und sich Respekt zu verschaffen. In jungen Jahren musste ich zudem einmal aus der damaligen Bezirksoberliga in die Bezirksliga absteigen. Diesen Rückschlag musste ich erst mal verdauen. Dann habe ich mir aber gesagt: Jetzt erst recht! Meinen damaligen Frust habe ich versucht positiv umzusetzen, habe trainiert wie ein Irrer, bin die heimischen Weinberge hoch und runter gerannt, und habe auch an meiner Persönlichkeit gearbeitet. Von da an ging es eigentlich nur noch bergauf. Wichtig dabei war, nichts mit Gewalt erzwingen zu wollen. Im Leben kommt es, wie es kommt. Unter der Woche trainiere ich nun täglich, um mich fitzuhalten.

Sie waren sowohl im Amateur- als auch jetzt im Profibereich im Einsatz. Wo bestehen die Unterschiede, die Bundesliga ist doch sicherlich ein ganz anderes Pflaster?
Thomas Stein: Natürlich kann man die Bundesliga nicht mit dem Amateurfußball vergleichen. Es ist schon Wahnsinn, wie sich allein das Tempo in den letzten Jahren entwickelt hat. Hinzu kommen natürlich die gigantische Vermarktung, das immense Medieninteresse und volle Stadien. Im Spiel selbst bin ich aber zu sehr auf die Sache fokussiert, um das alles aufsaugen zu können. Es geht einfach um zu viel.
Ich denke, bei den Profi-Spielern ist es ähnlich. Sie haben einen konkreten taktischen Auftrag, auf den sie sich konzentrieren, und lassen uns Schiedsrichter daher weitestgehend in Ruhe. Wenn ich selbst ein Spiel beispielsweise in der Regionalliga leite, fällt mir persönlich auf, dass sich viele Spieler wegen Unzulänglichkeiten oder Kleinigkeiten mit dem Schiedsrichter beschäftigen, anstatt einfach ihr Spiel zu machen. Das müsste meines Erachtens nicht sein. Ich kritisiere einen Spieler ja auch nicht, wenn er einen Pass aus zehn Meter nicht zu seinem Mitspieler hinbekommt oder ihm ein Ball bei der Annahme vom Fuß springt.

Als Schiedsrichter steht man oft im Mittelpunkt, Thomas Stein führt Mannschaften aufs Feld.
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Ihren ersten Einsatz in der Bundesliga feierten Sie am 30. August 2014 beim Spiel VfL Wolfsburg gegen die Frankfurter Eintracht. Wie nahmen Sie diesen sicherlich besonderen Moment wahr?
Thomas Stein: Das war in der Tat ein großer Moment. Wenn Sie so wollen, lagen  zwischen meinem ersten Pfiff als Jung-Schiedsrichter und eben der Premiere in der Bundesliga 20 Jahre voller Entbehrungen, Schufterei, vieler schöner, aber auch einiger weniger schöner Erlebnisse. Und plötzlich weiß man, dass es alle Mühen wert war. Beim Einlaufen in die Volkswagen-Arena dachte ich mir: „Alles was jetzt noch kommt, ist Zugabe!“ Wirklich Zeit, das Spiel zu genießen, hatte ich aber nicht. Spätestens mit Anpfiff heißt es auch für uns Schiedsrichter: Abliefern!

Wie bereiten Sie sich auf die Spiele als Assistent auf höchster Ebene vor? Man verspürt doch sicherlich einen großen Druck, vor allem, da jede Entscheidung, die man trifft sofort aus unzähligen Perspektiven auseinandergenommen wird?

Thomas Stein: Der Druck ist schon enorm. Jeder von uns geht damit auf seine Weise um. Ich selbst sage mir immer: Es ist doch nur Fußball und es gibt wesentlich wichtigere Dinge im Leben: Meine Familie und meinen Sohn zum Beispiel. Ich ärgere mich natürlich, wenn mir ein Fehler unterläuft, aber in Relation gesetzt, ist es nur halb so schlimm.
Neben dem körperlichen Training schaue ich mir die Spielweise der beteiligten Teams im Vorfeld an. Hierzu nutzen wir „Wyscout“, einen Anbieter, der sämtliche  Mannschaften weltweit detailliert analysiert. Sei vorbereitet, aber nicht voreingenommen. So könnte man das ganz gut zusammenfassen, denke ich.

Beim Thema Entscheidungen und Kameras darf natürlich auch die folgende Frage nicht fehlen: Wie stehen Sie der Entwicklung gegenüber, auch im deutschen Profibereich den Video-Assistenten einzusetzen?
Thomas Stein: Ich gebe gerne zu, dass ich anfangs etwas skeptisch gewesen bin. Mittlerweile bin ich aber zu 100 Prozent vom Video Assistant Referee (VAR) überzeugt. Er ist eine Art Freund und „Back-up“ für uns. In den vier klar definierten Fällen Torerzielung, Strafstoß, Rote Karte, Spielerverwechslung – und nur dann –   soll er uns helfen, die richtige Entscheidung zu treffen. Der Fußball wird dadurch gerechter. Das war seinerzeit auch die Anforderung an das Projekt. Die VARs haben dabei alles andere als einen leichten Job. Sie müssen schnellstmöglich das richtige Bildmaterial, die richtige Perspektiven etc. auswählen und sichten, ehe sie entweder intervenieren oder eben nicht. Nur klare und offensichtliche Fehlentscheidungen sollen schließlich korrigiert  werden. Und gerade in diesem Punkt haben wir meines Erachtens nach eine Art „Rettungsschirm“. Entschieden wird nach wie vor im Stadion, wir wissen aber, dass uns jemand zur Seite steht, sollte uns ein krasser Fauxpas unterlaufen sein. Wir sind schließlich auch nur Menschen.

Wie kompliziert ist es Beruf, Familie und die Position als Schiedsrichter/Schiedsrichterassistent im Profibereich, die sicherlich viel Zeit in Anspruch nimmt, zu vereinbaren?
Thomas Stein: Rückblickend denke ich schon manchmal, wie habe ich das alles unter einen Hut bekommen? Wie Sie schon richtig bemerken, geht der Großteil von uns der sozialen Absicherung wegen einem normalen Beruf zumindest in Teilzeit nach. Ich selbst arbeite bei der Kriminalpolizei in Aschaffenburg und bin meinem Dienstherrn – so heißt es im Beamtendeutsch – sehr dankbar, was die gewährten Freiheiten angeht. Anders ließe sich das alles auch nicht realisieren. Die Familie muss sich natürlich auch mit der Situation arrangieren. Die fußballfreie Zeit wird dafür umso intensiver genutzt.

Wenn Sie an Ihre bisherige Zeit als Schiedsrichter / Schiedsrichter-Assistent zurückdenken, welches sind die schönsten Erlebnisse, die Ihnen spontan einfallen?
Thomas Stein: Partien in Dortmund vor über 80.000 Zuschauer sind zum Beispiel immer ein Highlight, auch für uns Schiedsrichter. Es fällt mir aber schwer, einzelne Spiele besonders hervorzuheben. Jedes Match und jede Arena haben eigene  Reize. Und das nächste Spiel ist bekanntlich immer das schwerste.

Natürlich gab es auch schon das ein oder andere negative Erlebnis, unter anderem wurden Sie 2014 im Zweitligaspiel FC Energie Cottbus gegen Dynamo Dresden als Schiedsrichter-Assistent von einem Feuerzeug getroffen und trugen eine Platzwunde davon. Wie geht man mit solchen Ereignissen um?
Thomas Stein: Das war das erste und zum Glück bis dato auch das einzige Mal, dass ich körperlich attackiert wurde. Bezeichnenderweise im „Stadion der Freundschaft“. Nach Spielende, als wir das Spielfeld verlassen wollten, traf mich ein Gegenstand am Kopf. Ich bin umgefallen wie ein geschlagener Boxer. Ein Ordner hat mir dann auf die Beine geholfen und mich in den sicheren Spielertunnel begleitet. Natürlich fragt man sich unmittelbar danach, was hätte alles passieren können und ist es das wert. Andererseits darf man sich von derartigen Vorfällen nicht unterkriegen lassen. Der Täter wurde identifiziert, später ermittelt und bekam letztendlich seine Strafe. Die Polizei leistete damals sehr gute Arbeit. Vom DFB wurde ich ebenfalls bestens betreut und vor allem rechtlich beraten.

Wenn Sie Ihren jungen Kollegen, die gerade erst am Anfang ihrer Laufbahn als Schiedsrichter stehen, einen Rat mit auf den Weg geben dürften, welcher wäre das?
Thomas Stein: Versucht niemanden zu kopieren und bleibt immer authentisch! Spieler haben ein gutes Gespür dafür, wie ein Schiedsrichter tickt und ob er sich verstellt.

Welche persönlichen Ziele haben Sie für Ihre sportliche Zukunft?
Thomas Stein: Ich möchte einfach gesund und unverletzt die Altersgrenze erreichen. Außerdem freue ich mich auf die möglichen Herausforderungen im „Kölner Keller“.

Wir bedanken uns bei Herrn Stein für dieses Interview und den sehr interessanten Einblick ins Schiedsrichter-Dasein. Wir wünschen beruflich wie privat weiterhin noch viel Erfolg!

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Steckbrief T. Stein

Thomas Stein
Alter
41
Familie
verheiratet
Nation
Deutschland
Größe
183 cm
Gewicht
82 kg
Beruf
Polizist


Saisonbilanz T. Stein

Saison
Sp
Ø
(Sp)
Note
04/05
8
22
0
2
2
26
3,3
-
(0)
06/07
2
5
0
0
0
5
2,5
-
(0)
07/08
16
59
0
2
3
64
4,0
-
(0)
08/09
8
27
0
1
1
29
3,6
-
(0)
09/10
10
15
0
0
1
16
1,6
-
(0)
10/11
7
18
0
0
0
18
2,6
1,6
(3)
11/12
10
18
0
0
1
19
1,9
2,3
(4)
12/13
12
34
0
2
2
38
3,2
1,7
(2)
13/14
11
42
0
0
0
42
3,8
1,2
(2)
14/15
5
25
0
2
0
27
5,4
-
(0)
15/16
8
27
0
0
1
28
3,5
2,0
(2)
16/17
9
36
0
1
0
37
4,1
2,0
(2)
17/18
7
17
0
0
0
17
2,4
2,0
(1)
18/19
3
15
0
0
0
15
5,0
2,5
(1)
19/21
3
15
0
0
0
15
5,0
-
(0)
21/22
4
10
0
0
1
11
2,8
1,0
(1)
22/23
9
34
0
0
1
35
3,9
2,3
(2)
23/24
4
22
0
1
0
23
5,8
1,0
(1)
Ges.
136
441
0
11
13
465
3,4
1,8
(21)

Gesamtbilanz T. Stein

Sp.
Ø
(Sp)
Note
136
441
0
11
13
465
3,4
(21)
1,8

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