Fürth gegen Nürnberg: Zwischen Rivalität und Feindschaft - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 26.07.2018 um 18:00 Uhr
Fürth gegen Nürnberg: Zwischen Rivalität und Feindschaft
Das Frankenderby zwischen dem 1. FC Nürnberg und dem SpVgg Greuther Fürth hat eine lange Tradition. In den letzten Jahren entwickelt sich die einst noch lustige Rivalität zu einer echten Feindschaft. Es dürfen keine Grenzen überschritten werden, warnen die fränkischen Fußballfans. Doch die Beschwichtigungsversuche der Vereine selbst könnten der falsche Ansatz sein – mit kontraproduktiver Wirkung.
Von Manni Meisenkaiser
SPM
Treffen der 1. FC Nürnberg und der SpVgg Greuther Fürth aufeinander, herrscht in Franken wieder Lokalderby-Stimmung. Bislang war das bereits 264 Mal der Fall, erstmalig im Jahr 1904. Es handelt sich damit um das Derby mit der längsten Tradition und den häufigsten Austragungen in der gesamten Bundesrepublik. Ursachen der Feindschaft zwischen den beiden Vereinen gibt es mehrere: Einerseits gibt es eine grundlegende Rivalität zwischen den Städten Nürnberg und Fürth, welche auf den Fußball übergegriffen hat. Andererseits entstanden die beiden Vereine beinahe zeitgleich und gehörten lange Zeit zu den besten Mannschaften in Deutschland. Ein grundlegender Wettbewerb war daher naturgegeben. Ein Wechsel zwischen den Vereinen galt für Spieler lange Zeit als ein Ding der Unmöglichkeit – und ist bis heute nicht gerne gesehen, um es milde auszudrücken. Nach ihrem Aufstieg zu den zwei besten Mannschaften in den 1920er Jahren, konnten die Vereine den deutschen Fußball aber nie wieder in dieser Form dominieren. An Brisanz hat das Frankenderby dennoch nicht verloren.

Es war einmal ein Miteinander

Angesichts der heutigen Rivalität scheint es schwer zu glauben, jedoch spielten der 1. FC Nürnberg und der SpVgg Greuther Fürth im Jahr 1924 sozusagen zusammen – und zwar stellten sie damals den gesamten Kader der deutschen Nationalmannschaft. Ein Team, das überraschend harmonisch funktionierte und zum ersten Mal in der Geschichte einen Sieg gegen die Niederlande einfahren konnte. Beschwichtigen konnte dieses zwangsweise Miteinander die Rivalität zwischen den fränkischen Vereinen dennoch nicht. Stattdessen verbrachten die Spieler die An- und Rückreise in zwei nach Vereinen getrennten Zugabteilen und auch auf dem Platz ließ die Sportlichkeit zu wünschen übrig. Gratuliert wurde den Torschützen nur von den eigenen Teamkollegen. Ähnlich unsportlich ging es bei späteren Aufeinandertreffen zu: Im Match vom 6. Oktober 1929 gab es sage und schreibe drei Platzverweise sowie 87 Freistöße. Zumindest zu damaliger Zeit wurde die Rivalität also vor allem durch die Vereine selbst ausgetragen. Kein Wunder, dass diese von den Fans aufgegriffen und nachgelebt wurde. Mittlerweile sieht hat sich die Situation jedoch gewandelt.

Vereine versuchen eine Schlichtung der Fanrivalität

Fast ein Jahrhundert später hat sich die Mentalität im Fußball grundlegend verändert. Das gilt nicht nur, aber auch für den 1. FC Nürnberg sowie den SpVgg Greuther Fürth. Sportlichkeit ist auf dem Fußballplatz zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Nicht jedoch auf den Zuschauerrängen. Die einst schöne Tradition und Liebe zum Verein, dem die Fans teilweise zu jedem Spiel nachreisten, schlägt immer mehr in einen Kampf gegen den „Feind“ um. In den letzten Jahren ließ sich eine stetige Eskalation beobachten. Einst war die Rivalität noch lustig, sind sich die Fans einig. Ein blöder Spruch hier, ein provokatives Schild dort. Die Fans ärgerten sich gegenseitig und lachten anschließend gemeinsam darüber. Der wahre Kampf wurde auf dem Platz ausgetragen – zumindest mehr oder weniger fair. Mittlerweile haben die Vereine der Rivalität aber den Kampf angesagt und versuchen eine Schlichtung. Die Fans interessiert das bislang reichlich wenig. Wer hier an der schönen Tradition der Fan-Auswärtsreise festhalten möchte, kann dies übrigens mit mydays tun.

Im Gegenteil: Experimentelle Studien – in welche auch der 1. FC Nürnberg einbezogen war – kamen zu dem Ergebnis, dass ein Herunterspielen der Rivalität durch die Vereine diese auf Seiten der Fans nur noch verstärkt. Je mehr die rivalisierenden Mannschaften also versuchen, ihre Fans zum Frieden zu bewegen, umso schneller eskaliert die Feindschaft. Wieso? Weil sich die Fans in ihrer Identität verletzt und von ihrem geliebten Verein nicht ernst genommen fühlen. Das löst bei ihnen Widerstand und ein Trotzverhalten aus, welches als psychologische Reaktanz bezeichnet wird. Sie weisen dadurch aggressivere Verhaltenstendenzen auf. Ein Ergebnis, das sich aus der Praxis leider bestätigen lässt. In den vergangenen Jahren wird die Rivalität zunehmend zu einer tiefen Feindschaft mit Grenzüberschreitungen.

Die Grenzen wurden bereits überschritten

Die Kultur der Hooligans ist längst auch in Deutschland angekommen – und damit im beschaulichen Franken. Attacken auf Fans des „feindlichen“ Vereins, Graffitis mit Todesdrohungen oder Prügeleien beim Derby der A-Jugend: Die Grenzen wurden längst überschritten und an Freundschaft ist zwischen den Fanvereinigungen nicht mehr zu denken. Selbst die Bürgermeister zeigen sich besorgt und verschärfen die Sicherheitsvorkehrungen von Spiel zu Spiel. Es wird höchste Zeit für wirksame Maßnahmen gegen die Eskalation, und zwar ohne psychologische Reaktanz. Die Fans sollten sich wieder darauf besinnen, dass eine Rivalität schlussendlich auch nur das ist: Rivalität – und keine Feindschaft. Kleine Provokationen auf den Zuschauerrängen oder „Frotzeleien“ unter Freunden gehören schließlich zur Tradition und werden beim Lokalderby niemals aussterben. Doch was weder wünschenswert noch für die Vereine förderlich ist, sind Gewalteskalationen oder eine tiefe Feindschaft, welche jeder Vernunft widerspricht.

Schlussendlich sei aber gesagt, dass die Eskalation von Gewaltausschreitungen, Anfeindungen und weiteren negativen Verhaltensweisen im Fußball kein lokales Problem ist. Die Tendenz lässt sich in ganz Deutschland sowie vielen weiteren europäischen Fußballnationen über die vergangenen Jahre hinweg beobachten. Stadionausschlüsse, Alkoholverbote oder Spielabsagen waren in diesem Zuge Versuche, die Fans zur Vernunft zu bringen – ohne Erfolg. Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge plädiert hingegen für eine weniger drastische Lösung: Es sei an der Zeit, dass die Fußballvereine wieder in die direkte Kommunikation zu ihren Fans treten.

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