Schiri-Chef Laumer: "Ein weiteres Werkzeug zur Deeskalation" - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 09.07.2022 um 06:00 Uhr
Schiri-Chef Laumer: "Ein weiteres Werkzeug zur Deeskalation"
Auf dem 26. Ordentlichen Verbandstag des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) wurde nicht nur die Wiedereinführung der Zehn-Minuten-Strafe beschlossen, sondern in Person von Sven Laumer auch ein neuer Verbands-Schiedsrichterobmann gewählt: Der 39 Jahre alte Professor für Wirtschaftsinformatik ist Lehrstuhlinhaber im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Nürnberger Friedrich-Alexander-Universität.
Von PM BFV
Prof. Dr. Sven Laumer ist der neue Verbandsschiedsrichterobmann
BFV/ fussballn.de
Der gebürtige Mittelfranke absolvierte seine Schiedsrichterprüfung 1998 und leitete Spiele bis zur Bayernliga, ehe er vor vier Jahren Mitglied im Verbands-Schiedsrichterausschuss wurde. Im Interview spricht der neue Chef der bayerischen Schiris über seine erste Amtshandlung als Verbands-Schiedsrichterobmann: die Umsetzung der Wiedereinführung der Zehn-Minuten-Strafe.

Auf den Bezirkstagen gab es von den Vereinsvertreter*innen eine breite Zustimmung mit fast 73 Prozent für die Wiedereinführung der Zehn-Minuten-Strafe im Erwachsenen-Bereich: Das Schiedsrichterwesen hatte die Regeländerung angeregt – was glauben Sie, worauf diese breite Basis fußt?
Sven Laumer: Die Schiedsrichter*innen haben jetzt mehr Möglichkeiten zur Verfügung, um auf Aktionen von Spieler*innen während eines Spiels reagieren zu können. Das war in den Gesprächen für viele Vereine ein wichtiger Aspekt. Für Vergehen, wo man bis jetzt gesagt hat, Gelb ist zu wenig, aber Rot wäre letztlich zu hart, kann nun eine Zeitstrafe ausgesprochen werden. Das hilft dann manchmal auch direkt, um direkt auf etwaig aufgeheizte Stimmungen am Platz reagieren zu können. Und viele erinnern sich auch noch an die Zeitstrafe, die es ja schon mal gab: Viele hatten positive Erinnerungen daran. Das wird sicherlich viele bewegt haben, für diese Änderung zu stimmen.

Bis in die Bayernliga war Sven Laumer als Schiedsrichter aktiv.
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Welche Vorteile sehen Sie in der Wiedereinführung?
Laumer: Ich sehe viele Vorteile. Die Zeitstrafe ist ein Instrument, das sehr positiv auf den sportlichen Umgang am Platz wirken kann. Sie ist eine Strafe, die direkte Wirkung auf das Spiel hat. Wenn eine Mannschaft für fünf oder zehn Minuten in Unterzahl spielen muss, weil sich ein Spieler oder Spielerin danebenbenimmt, muss ein Team direkt reagieren. Und wenn Spieler*innen an mehreren Spieltagen die Mannschaft für fünf oder zehn Minuten im Stich lassen, wird das Team reagieren und die Spieler*innen wohl selbst zu einem besseren sportlichen Umgang bewegen.

Sie haben gemeinsam mit Ihrem und den anderen Beteiligten Ausschüssen an den Durchführungsbestimmungen gearbeitet – wie müssen wir uns das Prozedere vorstellen?
Laumer: Nach dem Verbandstag haben wir uns direkt telefonisch über die Umsetzung ausgetauscht. Im Kern wurden die wesentlichen Punkte im Rahmen eines Online-Meetings abgestimmt und im Anschluss die Durchführungsbestimmungen formuliert. Auch unser Vizepräsident Jürgen Pfau war hier involviert. Danach ging es in mehreren Gesprächen um die Umsetzung in der Praxis.

In Hessen gibt es aktuell ein Pilotprojekt – inwieweit war auch das mitausschlaggebend für den Antrag auf Wiedereinführung der Zehn-Minuten-Strafe?
Laumer: Wir haben natürlich auch geschaut, wie andere Landesverbände mit Zeitstrafen umgehen. Von dort wurden uns positive Erfahrungswerte berichtet. In erster Linie beruht aber die bayerische Regelung auf den Gesprächen mit bayerischen Vereinen und den Ideen, die auf den Bezirkstagen zu Abstimmung standen.

Es gibt in der bayerischen Anwendung Unterschiede zu Hessen – sind da bei Ihren Überlegungen die Erfahrungswerte aus dem Nachbarbundesland mit eingeflossen?
Laumer: Neben Hessen führt übrigens auch das Saarland eine Zeitstrafe ein. In beiden Verbänden ist es aber so, dass im gleichen Zug die Gelb-Rote Karte abgeschafft wurde. Das wollten wir in Bayern nicht, sondern wir wollten mit der Zeitstrafe den Schiedsrichter*innen mehr Optionen geben, um ein Spiel leiten und auf Spieler*innen gezielt einwirken zu können.

Vereinzelt sind Stimmen zu hören, die zu Bedenken geben, wonach die Schiedsrichter*innen jetzt noch mehr Aufwand hätten und aufpassen müssten, den Durchblick nicht zu verlieren. Teilen Sie diese Auffassung?
Laumer: Nein, denn die Schiedsrichter*innen haben mit der Zeitstrafe ja bereits im Junior*innen-Bereich gearbeitet. Die haben die entsprechende Erfahrung und werden auch die neue Regelung gut umsetzen können.

Jede Veränderung und damit auch Regeländerung braucht eine möglichst umfassende Erklärung: Wie bewerkstelligen Sie es, dass auch jeder Schiedsrichter und jede Schiedsrichterin vollends informiert ist und weiß, was fortan zu tun ist?

Laumer: Nachdem die Rahmenbedingungen klar waren, hat unser neuer Landeswart Alexander Pott direkt begonnen, entsprechende Schulungsmaterialien vorzubereiten. In einem Online-Meeting haben wir dann die Obleute und Lehrwarte der Schiedsrichtergruppen geschult, sodass diese nun in ihren Gruppen die Anwendung der Zeitstrafe und entsprechend der Gelb-Roten Karte schulen können. Das ist aber sicherlich nur der Auftakt. Wir werden die nächsten Wochen aus der Praxis sicherlich noch viele Beispiele haben, die wir unseren Schiedsrichter*innen an die Hand geben können, um gezielt mit den jetzt möglichen persönlichen Strafen auf Spieler*innen positiv einwirken zu können.

Sven Laumer mitten im Geschehen bei einem Spiel.
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Und wie kommt die Informationen zu den Klubs?
Laumer: Wir gehen da ganz bewusst mehrere Wege, um die Breite mit auf die Reise zu nehmen. So haben wir die wichtigsten Fragen und Antworten veröffentlicht, die wir auch fortlaufend ergänzen können. Dazu gibt es am Mittwoch, 13. Juli 2022, ab 18.30 Uhr ein Online-Seminar, zu dem wir alle Vereinsvertreter*innen über das offizielle Postfach einladen. Und unsere Schiedsrichter*innen werden die bis zum Saisonbeginn anstehenden Testspiele dazu nutzen, um auch auf dem Feld entsprechend zu kommunizieren. Mir ist es schon wichtig, an dieser Stelle nochmals zu verdeutlichen, dass die Zeitstrafe ein weiteres Werkzeug zur Deeskalation ist, das unsere Unparteiischen nach der individuellen Bewertung des jeweiligen Vergehens einsetzen können.

Es gibt auch zur Zehn-Minuten-Strafe entsprechende Handlungsempfehlungen für die bayerischen Referees. Wie kommen diese zustande und welchen Spielraum haben die Unparteiischen bei der Auslegung?
Laumer: Die Idee der Zeitstrafe liegt im Kern darin, dass die Schiedsrichter*innen einen größeren Ermessensspielraum haben, welche Strafe sie anwenden. War es bis jetzt eine Schwarz-Weiß Entscheidung, ob beispielsweise ein Foulspiel oder eine Unsportlichkeit mit Gelb oder Rot zu belegen ist, können die Schiedsrichter*innen nun mehr abwägen. So können Schiedsrichter*innen jetzt sagen, dass sie für Vergehen, für die Gelb etwas wenig, Rot aber zu viel wäre, eine Zeitstrafe aussprechen. Das ist an sich aber auch nichts Neues, denn so haben wir bis dato bereits bei Junior*innen-Spielen agiert. An diesen Erfahrungen haben wir uns auch orientiert, um unsere Schiedsrichter*innen zu schulen.

Im Junior*innen-Bereich gab es schon immer die Fünf-Minuten-Strafe, was ändert sich dort?
Laumer: Im Junior*innen-Bereich wird es ab sofort neben der fünfminütigen Zeitstrafe auch eine Gelb-Rote Karte geben. Somit kommen in allen Spielen in Bayern die gleichen persönlichen Strafen zum Einsatz. Wir unterscheiden nicht mehr zwischen Herren, Frauen, Junioren und Juniorinnen.

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Hintergründe & Fakten



Steckbrief P. Laumer

Prof. Dr. Sven Laumer
Alter
41
Geburtsort
Roth
Wohnort
Nürnberg
Familie
in Beziehung
Nation
Deutschland
Beruf
Professor für Wirtschaftsinformatik an der FAU Erlangen-Nürnberg
Hobbies
Wandern, Skitour, Mountainbike (Bergmensch)
Schiedsrichterlaufbahn:

Seit 1998 Schiedsrichter
2000 Kreisliga-Schiedsrichter
2001 Bezirksliga-Schiedsrichter
2004 BOL-Schiedsrichter
2004 Landesliga-Schiedsrichter
2012 Bayernliga-Schiedsrichter und Regionalliga-SRA
2018 Karriereende, danach noch ab und zu Spiele in der Kreisliga, aber vor allem als Beobachter unterwegs

Funktionärslaufbahn:
2003-2014 Gruppenlehrwart Jura Nord
2006-2014 U30-Mitglied Bezirksausschuss Mittelfranken
2014-2018 GSO Jura Nord und KSO Neumarkt/Jura
Seit 2018 Mitglied im VSA

Saisonbilanz P. Laumer

Saison
Sp
Ø
(Sp)
Note
02/03
1
0
0
1
0
1
1,0
-
(0)
15/16
11
44
1
1
2
48
4,4
1,5
(1)
16/17
2
9
0
2
0
11
5,5
3,5
(1)
17/18
16
57
0
0
0
57
3,6
1,9
(4)
21/22
2
5
0
1
0
6
3,0
1,5
(1)
Ges.
32
115
1
5
2
123
3,8
2,0
(7)

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