Nach Schiri-Spesen-Diskussion: Endlich: Auch Vereins-"Winker" werden bedacht - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 01.04.2023 um 06:00 Uhr
Nach Schiri-Spesen-Diskussion: Endlich: Auch Vereins-"Winker" werden bedacht
Nach dem Bekanntwerden der Spesen-Erhöhung für Schieds- und Linienrichter entwickelte sich eine lebhafte Diskussion. Nicht zuletzt darüber, ob nicht auch die Vereins-Linienrichter, die sogenannten "Winker", die die Vereine in den unteren Ligen stellen müssen, Spesen erhalten sollen. Dies soll zur kommenden Serie ebenfalls eingeführt werden. Und zwar völlig zu Recht! Wird damit der Winker-Mangel behoben?
Von Markus Schütz
In den unteren Amateurklassen ist es so, dass keine neutralen Linienrichter eingeteilt werden und dann jeder der beiden Vereine einen Assistenten für den Schiedsrichter zu stellen hat. Die "Winker"! Mancher Klub ist in diesem Bereich gesegnet mit einem, der das aus Leidenschaft seit Jahren oder gar Jahrzehnten macht! Ein Vereinsurgestein, das wahrscheinlich gleichzeitig auch noch als Platzwart oder anderweitig für seinen Verein im Einsatz ist. Er hat Vorstände und ganze Spielergenerationen kommen und gehen sehen - oder durchgewunken, um im Bild zu bleiben. Und selbst bei den Abstiegen hat er die Fahne hochgehalten. Diese bringt er nicht selten von zuhause mit, weil es seine eigene ist. In den Augen der anderen ist sie vielleicht nur ein verblichener Stofffetzen, dem nicht einmal mehr mit Colorwaschmittel zu helfen ist. Aber dieser Fetzen Stoff ist für viele Winker der verlängerte Arm. Und ein mancher von ihnen ist so mit Leib und Seele bei der Sache und reißt die Fahne in einem für das menschliche Auge nicht mehr wahrnehmbaren Tempo nach oben, dass man als Zuschauer erwartet, der Winker würde wie einst Herbert Zimmermann 1954 gleich schreien: "Aus, aus, der Ball ist aus!" In der Realität der A- und Kreisklasse wird er aber selbst oft von den Spielern mit genau diesen Worten bedacht!
Wir haben uns mit vielen Vereins-Winkern unterhalten und besonders in Erinnerung geblieben ist uns die Aussage eines 71-jährigen Winkers, der seit über 30 Jahren für seinen Verein aus dem Bamberger Spielkreis im Einsatz ist: "Mein schlimmster Moment? Als wir vor sieben Jahren zum ersten Mal in die Kreisliga aufgestiegen sind - da kamen dann Gespanne. Und ich bin ehrlich, ich bin regelrecht in ein Loch gefallen! Als wir dann wieder abgestiegen sind, war ich der einzige, der gejubelt hat."   

Vorbildlich: Dieser Vereins-Winker hat offenbar einen direkten Draht in den Kölner Keller.
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"Wer winkt denn bei euch?"

Nicht jeder Verein hat jedoch das Glück, eine solche Vereinskonstante in seinen Reihen zu haben. Und so kennen wir alle die Szenen, wo ein einsames Fähnchen auf Höhe der Mittellinie liegt - unberührt und darauf wartend, geschwungen zu werden. Aber niemand fühlt sich bemüßigt, es seiner Bestimmung zuzuführen. Der Schiedsrichter schaut dann vor Anstoß fragend und mit der typischen Winkbewegung in Richtung Bank - und jeder, der in der Nähe steht, hofft, dass der Kelch an ihm vorüber geht. Aber einer muss es dann ja machen: Nicht selten sogar der Trainer selbst, einer der Auswechselspieler oder der Betreuer, der dann im Wechsel immer Fahne oder Eiskoffer in der Hand hat. Sagen wir es frei heraus: Bei vielen Vereinen herrscht Winker-Mangel!  

Endlich: Auch Spesen für die Vereins-Winker   

Und so war es überfällig, dass im Zuge der Spesenerhöhung für Schiedsrichter und -gespanne eine Diskussion darüber entstand, auch die vereinszugehörigen Winker belohnen zu wollen. Vielleicht ist dies für den einen oder anderen ein Anreiz, sich der Herausforderung zu stellen! In einem inoffiziellen Entwurf, der der Redaktion vorliegt, ist von einer Grundpauschale von 9,99 Euro pro Spiel die Rede. Allerdings soll dieser Betrag an den Bierpreis in der jeweiligen Region gekoppelt werden. Was auch Sinn ergibt, denn bisher erfolgte die Entschädigung des Winkers nicht selten über Bier und Bratwürste. So sagte uns Rudi F., ein erfahrener Vereins-Winker aus dem Würzburger Spielkreis: "Ich bin ehrlich, mir sind Speisen lieber als Spesen...!" Wer für die künftig steigenden Kosten dann aufkommen soll, ist übrigens noch zu klären. Sie dürften allerdings an den Vereinen hängen bleiben.

Manchmal winkt - wie in diesem Fall - sogar der Vorstand selbst.
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Jedenfalls wollen auch wir mithelfen, den Winker-Mangel zu beheben und führen für Unentschlossene/Interessierte die Vorteile an die es - neben den künftigen Spesen -  gibt und sprechen aber auch die Nachteile an:
 
Vereins-Winker PRO:

- Sie brauchen keine Vorkenntnisse besitzen oder gar vom Fach kommen. Natürlich ist man aber als ehemaliger Boden-Lotse auf einem Flughafen rein vom Bewegungsablauf schneller drin in der Materie.

- Sie können sich kleiden, wie sie wollen! Sie kommen direkt aus Kirche mit dem Umweg Frühschoppen zum Spiel? In Sonntagsklamotten und Sie sehen richtig fesch aus? Umso besser! Aber: Es gibt keine Kleiderordnung. Es gehen auch Flip-Flops, Sonnenbrille und -hut.

- Bewegung ist nicht so Ihre Sache? Macht nichts. Sie dürfen ruhig an einer Stelle stehen bleiben. Das ist den meisten Schiedsrichtern sogar lieber, damit er weiß, wo er im Fall des Falles hinsehen muss! Ihr Motto als Winker ist: "Hinschauen ist wichtiger als hinlaufen!"

- Seien Sie motiviert - aber nicht übermotiviert! Sie sollen nur anzeigen, wenn der Ball im Aus ist. Abseits anzuzeigen bringt nichts. Das gehört nicht zu Ihrem Aufgabenprofil! Das soll der Schiri machen - der bekommt mehr Spesen als Sie ;-)

- Sie sind der Trainer und die Coaching-Zone ist Ihnen zu eng? Sie fühlen sich in ihr eingeengt wie eine Katze in der Transport-Box? Kein Problem: Krallen Sie sich einfach die Fahne! Jetzt steht Ihnen zwar nicht die große, weite Welt offen - aber die gesamte Außenlinie! Jedoch Vorsicht: Die Doppelbelastung aus Coachen und Winken ist nicht zu unterschätzen und könnte Sie schnell an Ihre Grenzen bringen.

- Sie können, aber nur wenn der Schiri es nicht sieht, sogar rauchen. Ich selbst war einmal mit dabei, als sich der Winker während des Spiels eine Zigarette angezündet hat. Der Schiri sah es (an der Rauchfahne), unterbrach das Spiel, wies den ansonsten untadeligen Assistenten auf die Gefahren des Rauchens hin und befahl, die Zigarette wegzulegen. Bei den heutigen Preisen etwas, das ein Raucher ungern macht. Zumal, wenn wie damals noch (geschätzte) neun oder zehn Züge auf dem Glimmstengel sind. Der Schiri machte dann den Fehler, zu sagen: "Ich pfeife erst wieder an, wenn Sie die Zigarette weglegen!" Und so mussten alle Spieler, Trainer und Zuschauer warten, bis der Winker genüßlich dampfend endlich am Filter angekommen war. Irgendwie ein Tabak-lastiges Spiel, wenn derjenige mit der Pfeife auf den mit der Zigarette warten muss. Die Unterbrechung wurde übrigens nachgespielt, aber in der Nachspielzeit brannte nichts mehr an.

Vereins-Winker CONTRA:

- Sie sollten leider neutral bleiben! Auch dem Schiri gegenüber - dem sie ja assistieren. Das Herz des Winkers schlägt halt aber nun mal für seinen Verein. Und dieses Herz trägt man beim Fußball gerne mal auf der Zunge. Wenn Sie dann lautstark den Schiri kritisieren, dann kann er Sie von Ihrem Amt entbinden. So mancher ist deshalb schon mit eingeklemmtem Fähnchen zwischen den Beinen davongeschlichen. Oder um im Bild zu bleiben: Dann ist für Sie das Ende der Fahnenstange erreicht.

- Wenn Sie dann aber tatsächlich neutral bleiben - dann verstehen es Ihre Vereinskameraden, die eigenen Spieler und die Zuschauer aus Ihrem Lager oft nicht, DASS Sie neutral bleiben. Denen wäre es lieber, wenn Sie in den entscheidenden Momenten auch mal ein Auge zudrücken und die Fahne unten lassen, wenn der Angriff über Außen rollt und einer Ihrer Spieler einen Tick zu spät an den Ball kommt. Wenn Sie die Fahne hochheben, weil der Ball doch (Zitat) "bloß a bissla im Aus" war, dann ist das quasi ein milder Fall von Fahnenflucht, um im Bild zu bleiben.

- Es könnte sein, dass Ihnen nach ein paar Monaten die Worte "Voller Umfang" auf die Eier gehen. Die Frage: "Na, hast du schon wieder eine Fahne, haha?" schon nach ein paar Wochen.

DISKUTIEREN Sie in den Kommentaren mit: Was halten Sie davon, dass die Vereins-Winker nun ebenfalls Spesen erhalten sollen? Ist das ein wirksames Mittel gegen den Winker-Mangel? Oder könnten Sie es sich nun selbst angesichts der angekündigten Spesen sogar vorstellen, als Winker einzusteigen?

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