Glosse: Die Kruse-Krise...: Sind nicht alle Trainer ein bisschen Jogi...? - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 23.03.2016 um 23:30 Uhr
Glosse: Die Kruse-Krise...: Sind nicht alle Trainer ein bisschen Jogi...?
MAGAZIN (Ex-)Nationalspieler Max Kruse vom VfL Wolfsburg kommt nicht mehr aus den Schlagzeilen: erst verliert er 75.000 Euro in einem Taxi, dann feierte er seinen Geburtstag bis früh um 2 Uhr - und wollte sich dabei nicht fotografieren lassen. Jogi Löw strich ihn aus dem Nationalmannschaftskader. Und nun gibt es auch noch ein äußerst schlüpfriges Video von ihm. Deshalb: warum ich froh bin, in der Kreisklasse zu sein!
Von Markus Schütz
"Max hat sich zum wiederholten Male unprofessionell verhalten. Das akzeptiere ich nicht!", sprach der Bundestrainer und strich Max Kruse aus dem Kader der Nationalmannschaft. Er konnte hier also konsequent sein und ein Zeichen setzen! Bei Marco Reus brauchte er das ja nicht - der hätte niemals 75000 Euro in einem Taxi verlieren können. Nicht, weil er sie nicht hat, aber er ist ja immer selbst gefahren. Zwar ohne Führerschein, aber da hat der Jogi ein Auge zugedrückt. Er hat ja selbst ein paar Punkte in Wolfsburg. Ach ne, in Flensburg.

Aber mal ganz ehrlich, viele A- und Kreisklassen-Trainer können sich sicherlich fragen: Sind wir nicht alle ein bisschen Jogi? Warum soll sich Löw auch anders verhalten, als manch unterklassiger Kollege. Denjenigen, der sportlich wertvoller ist, schickt man auch in unseren Ligen doch erst bei viel schlimmeren Verstößen vom Training in die Kabine als einen Mitläufer. Gerade die, die es einem auf dem Platz zurückzahlen, haben mehr Freiheiten und dürfen sich mehr herausnehmen! Das ist ungerecht? Freilich ist es das! Und aus Trainersicht auf eine egoistische Weise auch herrlich inkonsequent. Wobei sich Jogi Löw natürlich auch leicht tut, einen Spieler aus dem Kader zu streichen: er kann ja aus einem ganzen Land auswählen. Ein A-Klassentrainer bestenfalls aus der Bevölkerung eines 200- oder 300-Seelen-Dorfes - der männlichen von 18 bis 55 Jahren, oder sagen wir besser 60 Jahren. Da wird heutzutage knallhartes Durchgreifen und Verbannung aus dem Kader schnell zum Schuss ins eigene Knie... Manchmal könnte man das Gefühl bekommen, die Spieler wissen das! Ist aber nur so ein Gefühl.

Schon immer sind Profis recht streng bestraft worden:
- Felix Magath hat zwei seiner Spieler, die bei einer Ecke jeweils die falschen Gegenspieler deckten und einer davon dann ein Tor machte, noch in der Halbzeit zu 10000 Euro verdonnert. Deswegen decken manche wahrscheinlich lieber gleich gar keinen - kann man auch keinen verwechseln...
- Timo Konietzka sprach 20 Mark Strafe aus, wenn ein Spieler am Tisch Zeitung las. Bei unseren Pisa-Ergebnissen dürfte diese Strafe heutzutage wohl eher selten ausgesprochen werden.
- Fortuna Köln-Trainer Hannes Linssen schloss den aus Reichmannsdorf stammenden Keeper Robert Hemmerlein vom folgenden Training aus, weil der zwei Minuten zu lang telefonierte. Linssen hätte erst einmal zu Zeiten von Handy und Smartphone Trainer sein sollen. Und: Ist vom Training ausgeschlossen werden überhaupt für irgendjemanden noch eine Strafe?
- Oliver Kahn musste 25000 Euro blechen, weil er eine Weihnachtsfeier des FC Bayern zu früh verließ! Merke also: Geburtstagsfeier nie zu spät, Weihnachtsfeier nie zu früh. (Keinesfalls vor dem gemeinsamen Lied: "Oh, du Fröhliche!)

Freilich kann man sich als Amateurfußballer grundsätzlich deutlich mehr erlauben. Und die Strafen sind natürlich nicht ganz so hoch. Ich weiß noch von einem meiner Strafenkataloge als Spieler, auf dem stand der Punkt: "Furzen in der Kabine: 10 DM". Wenn dann einer in die Kabine kam, der am Abend vorher einem Prügel-Bier ordentlich zugesprochen hatte und dem Mannschafts-Kassier vorsorglich gleich 20 Mark überreichte - sputeten sich alle beim Anziehen des Trikots und es gab meist eine sehr kurze Traineransprache.

Vom Segen, nur in der Kreisklasse zu spielen

Einmal sagte ein Trainer in der Halbzeitansprache eines Kreisklassen-Spiels zu mir: "Tut mir leid, aber das war ein amateurhafter Fehler! Sich den Ball so abnehmen zu lassen, das ist einfach amateurhaft! Einfach amateurhaft!" Freilich hatte er grundsätzlich nicht Unrecht, aber ich wollte ihn sicherheitshalber darauf hinweisen: "Trainer, Sie wissen schon, dass wir in der Kreisklasse sind? Wir sind Amateure!"
Und das ist auch gut so!
Denn:
Wenn ich 75 Euro (Verhältnis umgerechnet zu Kruses und meiner Siegprämie) in einem Taxi verloren hätte und mein Trainer hätte davon mitbekommen, hätte er gesagt: "Wie blöd muss mer denn sei?!" Gespielt hätte ich natürlich trotzdem. Wenn ich meinen 28. Geburtstag nur bis 2 Uhr gefeiert hätte, hätten die Leute gesagt: "Du Weichei!" Wahrscheinlich habe ich durchgefeiert und fotografiert worden bin ich sicher auch dabei! Gespielt habe ich am Wochenende trotzdem.

Zu allem Überfluss hat Kruse sich offenbar auch dabei gefilmt, wie er an seinem strammen Max herumspielt. Dieses Video ist nun an die Öffentlichkeit gelangt. (Anm. d. Red.: das Video liegt mir vor, ich habe es zu Recherchezwecken 17 Mal studiert). Natürlich habe ich solches (wer hat das nicht?) - wenn auch deutlich weniger beeindruckendes - Video von mir auch schon gedreht und verschickt. Ich habe nie Rückmeldung erhalten... Aber wenn mein Trainer von damals das Video von mir gesehen hätte, hätte er sicher gesagt: "Der ist ja auch noch amateurhaft gebaut - einfach amateurhaft!" Gespielt hätte ich am Wochenende trotzdem... vielleicht ein wenig kürzer!

Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein...

Und so schlendert man als Kreisklassenspieler auch dann am Sonntag beruhigt zum Fußball, wenn man irgendwo Geld verloren, die Nacht durchgefeiert, in der Woche beim Training gefehlt, dubiose Filmchen verschickt, im letzten Spiel bei einer Ecke den Falschen gedeckt hat oder zu bald von der Weihnachtsfeier heim ist...

Für alle entspannten Protagonisten des gediegenen, schmerzbefreiten Amateurfußballs hat Goethe (wahrscheinlich kein Fußballer bzw. letzter Verein nicht bekannt) in seinem Faust (Der Tragödie erster Teil) sicher die folgenden Zeilen nicht gedichtet - aber sie passen trotzdem für einen Kreisklassenfußballer auf dem Weg zum Treffpunkt:

Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
hier ist des Volkes wahrer Himmel.
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein...


Österlicher Nachtrag 1:
Wir wünschen Max Kruse natürlich, dass er sich von dem Rummel nicht unterkriegen lässt und wieder aufsteht! Wir haben ja Ostern, da sind andere auch schon wieder auferstanden...

Österlicher Nachtrag 2:
Falls auch Manuel Neuer wie sein Vorgänger Oli Kahn von seinen Mitspielern fordert: "Eier, wir brauchen Eier!", dann soll er sich einfach das Video von Max Kruse ansehen...

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