Testlauf dieses Wochenende: Nettospielzeit in der Bayern- und Landesliga - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 01.04.2022 um 06:00 Uhr
Testlauf dieses Wochenende: Nettospielzeit in der Bayern- und Landesliga
Das kommt überraschend. Für das erste Wochenende des neuen Monats hat der Bayerische Fußballverband für die Bayern- und Landesligen einen Testlauf der Nettospielzeit veranlasst. Die kurzfristige Ankündigung hat einen konkreten Hintergrund.
Von Uwe Kellner
Das kommende Fußballwochenende wird durchaus kurios in Bayern - und das nicht nur wegen der doppelten Wertung der Bayernligapartien für Liga und gleichzeitig Pokal inklusive möglichem Elfmeterschießen.

Für viele überraschend, jedoch von langer Hand geplant, wird es am ersten Wochenende des neuen Monats in ganz Bayern auf Verbandsebene einen Testlauf bezüglich der Nettospielzeit geben.

Zur Erklärung was es damit auf sich hat, gibt es viele Daten, die wissenschaftlich erhoben wurden. So hat man im Jahr 2018 durch eine Untersuchung aller europäischen Ligen herausgefunden, dass durchschnittlich pro Spiel nur 54 bis 60 Prozent der Zeit wirklich Fußball gespielt wird. In der Bundesliga lag der Wert bei 58,5 Prozent. Während der restlichen Zeit ruhte der Ball. Das heißt, dass ein Spiel im Durchschnitt nur 52 Nettominuten von 90 Bruttominuten dauerte. Somit ergaben sich Ungerechtigkeiten in Bezug auf die durch den Schiedsrichter vorgegebene Nachspielzeit, die dieser aus dem Bauch heraus festlegt. Um diesen Schätzwert, auch im Bezug auf das Zeitspiel der Mannschaften, zu konkretisieren und eine objektive Grundlage zu schaffen, ist schon lange die Nettospielzeit in der Diskussion. "Wenn du zweimal 30 Minuten netto spielst, hast du am Ende genauso viel Spielzeit brutto wie bisher. Das kann man ganz einfach ausrechen wie einen Dreisatz, den man in der Schule lernt. Zweimal 30 Minuten netto bedeutet, das ein Spiel wie bisher 90 bis 100 Minuten dauert", erklärte Buchautor Gerd Lamatsch erst kürzlich im Podcast "Die Amateurschreiber". Der Vorteil ist, dass Zeitspiel keinen Sinn mehr macht, da die Uhr in diesem Fall sowieso steht. Somit ergibt sich eine objektive Nachspielzeit und keine aus dem Gefühl heraus erfundene.

Per Headset sind die Schiedsrichter sowieso schon miteinander verbunden. Deswegen wird die Kommunikation mit dem vierten Offiziellen, der die Nettospielzeit stoppt, kein Problem darstellen.
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Fallstudie des BFV

Dies alles hat sich der bayerische Fußballverband nun zu Herzen genommen und macht darauf aufbauend am kommenden Spieltag in den Bayern- und Landesligen eine Studie. Zu allen Begegnungen wird ein vierter Offizieller eingeteilt, der an der Seitenlinie die Zeit nimmt und per Headset mit dem Schiedsrichter auf dem Spielfeld verbunden ist. Die Partien werden dann, wie wissenschaftlich hinterlegt, nur zweimal 30 Minuten dauern, jedoch wird der vierte Offizielle per Stoppuhr die Nettospielzeit messen und dem Hauptschiedsrichter erst das Signal für das Ende der Partie geben, wenn netto zweimal 30 Minuten vorüber sind. Wird beispielsweise ein Spieler behandelt, oder dauert eine Auswechslung zu lange, steht die Uhr. Am Ende des Spieltags wird auf allen Sportplätzen verglichen, wie viel die Differenz zu den üblichen zweimal 45 Minuten Bruttospielzeit beträgt.

"Wir sehen uns als BFV in diesem Punkt als Vorreiter und finden die Nettospielzeit einen guten Ansatzpunkt, um das Thema Nachspielzeit und die Unsitte des Zeitschindens gerechter zu gestalten. Wir haben alle unsere Schiedsrichter, die an diesem Wochenende im Verband unterwegs sind, speziell auf diesen Spieltag vorbereitet"
, heißt es aus München. "Für die kurzfristige Ankündigung dieses besonderen Spieltags gibt es eine einfache Erklärung: wir wollen die Studie so real wie möglich durchführen und deswegen verhindern, dass sich die Vereine taktisch auf die Nettospielzeit vorbereiten." Den Verantwortlichen ist durchaus bewusst, dass manch ein Verein erst einmal überrascht sein wird und viele Zuschauer erst am Sportplatz von der Anwendung der Nettospielzeit erfahren werden, dennoch erhofft man sich einen reibunglosen Ablauf und wünscht allen Mannschaften einen gelungenen Spieltag. "Die erhobenen Daten werden wir auswerten und unsere Schlüsse ziehen." Ob die Nettospielzeit dann Realität wird, wird die Zukunft zeigen.

Die Frage: "Wie lange noch, Schiri?" können sich die Spieler an diesem Wochenende sparen. Schluss ist erst nach dem Ablauf der Nettospielzeit.
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