Das Spiel meines Lebens: Zwei gehaltene Elfer zum Aufstieg - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 22.09.2020 um 06:00 Uhr
Das Spiel meines Lebens: Zwei gehaltene Elfer zum Aufstieg
Jan Winterstein hütet seit über zehn Jahren das Tor des FC Mitwitz. In dieser Zeit hat der 30-Jährige so einige Hochs und Tiefs mitgemacht. Gemeinsam mit anpfiff.info blickt er auf das Spiel seines Lebens, nach dem ein ganzes Dorf in den Ausnahmezustand geriet und ein 20-Jähriger Youngster zu einem der gefeierten Helden wurde...
Von Bernd Riemke
Bei meinem "Spiel des Lebens" muss ich tatsächlich nicht lange überlegen. Zwar war das gewonnene Pokalfinale gegen die DJK/TSV Rödental mit vier gehaltenen Elfmetern sicher auch ein Highlight. Jedoch war dies mit dem einen Spiel, welches in Mitwitz Eintrag in die Geschichtsbücher finden sollte, nicht zu vergleichen. Ein Spiel, Spannung und Drama bis zum bitteren Ende, eine Woche des "Durchfeierns", ein Dorf im Ausnahmezustand und eine Mannschaft, welche bis dato Unerreichtes realisierte. Den Aufstieg in die Bezirksoberliga.

Bei welchem Verein hast du gespielt und wer war der Gegner?
Wir spielten damals mit dem 1. FC Mitwitz in der Bezirksliga Ofr. West. Trotz langer und einigermaßen komfortabler Tabellenführung "mussten" wir in die Relegation zur BOL und dem TBVfl Neustadt/Wildenheid den Vortritt lassen. Dass wir ausgerechnet auf deren Platz besiegeln würden, ihnen in die Liga zu folgen und ebenfalls aufzusteigen, ahnte man da noch nicht. Nachdem wir in der ersten Relegationsrunde die Spvgg Oberkotzau durch einen Doppelpack von Tobi Martin mit 2:1 bezwangen, hatten wir uns unser Finale selbst bereitet und erarbeitet. Aufstiegsspiel zur BOL in Neustadt gegen den TSV Hirschaid am 09.06.2010. Ein Mittwoch...

Beschreibe kurz die Ausgangslage vor dem Spiel
Wie gerade erwähnt, hatten wir nach dem gewonnen ersten Spiel in Wallenfels gegen Oberkotzau unser "Do or Die"-Spiel. Die Möglichkeit, unser "Wunder" zu schaffen. Irgendwie ist ja der höherklassige Verein meist der Favorit, hat aber dementsprechend auch mehr Druck. Wir mussten nicht hoch, aber wir wollten unbedingt diese einmalige Chance nutzen. Soweit ich weiß, hatten wir alle Mann an Bord. Außer unsere damalige Nr. 1 Bernd Unger. Ich hatte die letzten Spiele in der Saison bereits gespielt und unser damaliger Trainer Markus Fischer hat mir auch in der Relegation das Vertrauen geschenkt. Und so waren wir bereit...

Nach dem Schlusspfiff schien es Jan Winterstein selbst nicht glauben zu können, welch historischen Erfolg er mit seinem FC Mitwitz soeben feiern konnte.
privat

Warum war es DEIN Spiel des Lebens?
Ich bin mir einigermaßen sicher, dass es nicht nur für mich, sondern fast alle anderen, welche an diesem Tag Teil der Mannschaft waren, das Spiel ihres Lebens war. Man darf nicht vergessen, dass wir 14 Spieler waren, davon eigentlich 11 "Mitwitzer Jungs". Dazu ein Matze Wich, welcher nicht nur einmal bei uns war. Ein Erik Vetter, der ebenfalls zum zweiten Mal da ist und mittlerweile Trainer ist. Und dann war da noch Christian Grünbeck, unser damaliger 6er. Jeder hat in diesem Spiel seinen eigenen unvergessenen Moment. Für mich war es dahingehend das "Spiel des Lebens", weil es ins Elfmeterschießen ging. Ich war gerade 20 Jahre jung. Hier konnte ich zwei Elfmeter halten. Es sollte am Ende reichen um zu gewinnen und aufzusteigen.

Wie war der Spielverlauf und das Ergebnis?
Ich glaube ich könnte die 120 Minuten + X heute noch aufmalen. Die ersten 90 Minuten sind eigentlich schnell erzählt. Es war tatsächlich, naja ich will nicht sagen langweilig, aber die Tor- bzw. Halbchancen konnte man an einer Hand abzählen. Ich meine das größte Brett hatte damals Carsten Engel, als er aus fünf Metern nach einem Freistoß am Torhüter der Hirschaider scheiterte. Ich glaub da hätte jeder stehen dürfen nur nicht die Elster (lacht).
Aber es war brutal spannend, man konnte die Anspannung und Nervosität von außen förmlich greifen. Als Zuschauer ist das glaub ich noch viel schlimmer. Und ich glaube das ganze Dorf war da. Also ich selbst musste glaub ich bis dahin ein,zwei Fernschüsse halten, mehr war nicht. So ging es mit 0:0 in die Verlängerung. In dieser gingen wir in der 112. Minute mit 0:1 in Rückstand. Nach einem Angriff übers Zentrum schloss Renner rechts unten ins Eck ab. Mafi meinte damals ich hätte den halten müssen. Na wenn er meint (schmnuzelt).
Die Gesichter von allen welche es mit uns hielten, schliefen förmlich ein. Der Traum schien geplatzt. Aber wir gaben nicht auf und wir hatten noch Zeit. 8 Minuten. Und als wir in der 117. Minute einen Freistoß, ca. 20 Meter zentral vor dem Tor bekamen, war die Chance noch einmal da. Christian Grünbeck, welcher ja durchaus für seinen "Huf" bekannt war, schoss in seiner Zeit bei uns gefühlte 150 Freistöße. Ungefähr 100 über den Fangzaun, 30 in die Mauer, 19 in die Nähe des Tores und genau einen hat er "geschlenzt". Und das war dieser. Er setzte ihn rechts unten ins Eck. Er legte den Grundstein dafür, dass es am Ende reichen sollte. Denn kurz darauf war Schluss.
Während bei uns Alex Günther verschoss, (ich versprach ihm direkt nach seinem Schuss, dass ich zwei halte) konnte ich die Elfer von Böhm und Burkhard parieren. Unser damaliger Stürmer Matze Wich CHIPPTE den Ball in die Mitte, das war damals noch alles andere als normal und in meinen Augen völlig krank (lacht) und unserem heutigen Trainer Erik Vetter, seines Zeichens Neustadter, war es vorbehalten, den entscheidenden Elfer in seinem Heimatort in die Maschen zu jagen. So gewannen wir 4:3 nach Elfmeterschießen. Es brachen alle Dämme...

Der Einmarsch der Gladiatoren! Für den FC Mitwitz hütete im Relegationsspiel gegen den TSV Hirschaid der erst zwanzig Lenze junge Jan Winterstein (links, graues Trikot) das Tor.
anpfiff.info

Wie ging es danach weiter?
So war unser Aufstieg perfekt. Wir hatten in Mitwitz etwas Einmaliges erreicht. Was Markus und die Mannschaft da geleistet haben war überragend. Das ganze Dorf war stolz. Es folgte die Party auf dem Platz,ein Autocorso nach Mitwitz (so weit war unser Weg ja nicht (lacht) und eine Woche feiern im Steinernen Löwen. Manche waren glaub ich gar nicht zu Hause und wenn dann nur kurz. Manche ruhten mal zwei, drei Std. im Auto oder besuchten anstandshalber mal kurz die Liebsten (lacht). So etwas habe ich nie wieder erlebt und werde ich wohl auch nicht mehr. Mit diesen Vorraussetzungen und Mitteln die unserem FC Mitwitz zur Verfügung standen, bis in die BOL (heutige LL, die BOL gibt es schon lange nicht mehr) hoch. Es könnte für lange Zeit das letzte Mal gewesen sein. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich es miterleben und dabei sein durfte.

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Das Spiel seines Lebens

1. FC Mitwitz: Winterstein 1,5, Grünbeck C. 2,0, Beiergroesslein 3,0, Vetter 2,5, Engel 3,0 (78. Fischer D. 3,0), Müller J. 3,0 (57. Dötschel 3,0), Wich M. 3,0, Günther 3,0, Totzauer 3,0 (90. Gregor 3,0), Fischer 3,0, Martin 3,0
TSV Hirschaid: Meißel 2,5, Yildirim E. 3,0, Weinkamm D. 3,0, Wiesheier M. 3,0, Gebhard 3,0, Böhm D. 3,0 (78. Ullrich), Görtler T. 3,0 (108. Fleischmann), Göller 3,0, Lamm F. 3,0 (108. Renner A.), Burkard R. 2,5, Nicolaus 2,0
Tore: 0:1 Renner A. (112.), 1:1 Grünbeck C. (117.), 1:2 Gebhard, 2:2 Grünbeck C., 3:2 Martin, 3:3 Nicolaus, 4:3 Wich M., 4:4 Yildirim E., 5:4 Vetter
Gelbe Karten: Martin (72.), Fischer (74.), Grünbeck C. (119.) / Böhm D. (55.), Burkard R. (98.), Gebhard (99.)
Zuschauer: 900 | Schiedsrichter: Daniel Hofmann (TSV Streitau) 2,5


Steckbrief J. Winterstein

Jan Winterstein
Spitzname
in Windheim "Fred"
Alter
34
Geburtsort
Kronach
Wohnort
Schwärzdorf/Mitwitz
Familie
verlobt, 1 Kind
Nation
Deutschland
Größe
180 cm
Gewicht
77 kg
Beruf
Kaufm. für Büromanagement
Hobbies
Fußball, Darts, Wintersport – eigentlich alles was mit Sport zu tun hat
Starker Fuß
Rechtsfuß
Lieb.-Position
Torwart
Erfolge
Aufstiege mit dem FC Mitwitz – Über ein Jahrzehnt auf Bezirksebene mit meinem Heimatverein – 3x Kreispokalsieger

Karriere in Zahlen

Spiele
382
Spiele gewonnen
154
Spiele unentschieden
91
Spiele verloren
137
Tore gesamt
5
Vereine
2
Aufstiege
3
Abstiege
4

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