Joe Bechmann beim Neulingskurs: Vom Rowdy zum Referee... - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 26.07.2019 um 11:00 Uhr
Joe Bechmann beim Neulingskurs: Vom Rowdy zum Referee...
MAGAZIN Johannes „Joe“ Bechmann ist nicht nur ein knüppelharter Verteidiger, sondern  seit kurzer Zeit auch offizieller Schiedsrichter. Den Neulingskurs zum 100. Jubiläum der Gruppe Bamberg meisterte der 32-Jährige mit Bravour. Hier berichtet er über seine Erfahrungen. Dazu sprachen wir mit dem Lehrwart der Bamberger Gruppe, Michael Demus. Ein Artikel aus der Kooperation mit unserem Medienpartner infranken.de.
Von Tobias Schneider, infranken.de
Als Mitspieler eine Waffe, als Gegenspieler gefürchtet wie nur wenige: Johannes Bechmann hat sich als Fußballer den Ruf eines beinharten Verteidigers erarbeitet, der selten zurücksteckt, aber gern die Grenzen des Erlaubten auslotet –  und diese oft überschritten hat. In der Saison 2015/2016 gab es deutschlandweit in den vier höchsten Spielklassen niemanden, der auch nur ansatzweise so viele Karten gesammelt hat wie der damals für den FC Schweinfurt 05 in der Regionalliga spielende Bechmann: Zwei Rote, zwei Gelb-Rote Karten und zwölf Verwarnungen weist die Sünderkartei in 24 Spielen aus.

Joe Bechmann (vo. li.), aktiver Bayernliga-Fußballer beim FC Sand, nahm am Schiedsrichter-Neulingslehrgang der Gruppe Bamberg teil. 
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Und nun sitzt er im Sportheim des FC Baunach und  absolviert mit zwölf weiteren Frischlingen tatsächlich einen Schiedsrichter-Neulingskurs. Die Schiedsrichter-Gruppe Bamberg ist im 100. Jahr ihres Bestehens auf neue Referees dringend angewiesen. Jemand wie Joe Bechmann kommt da wie gerufen. Und wahrscheinlich gibt es nur wenige, die einen Rollentausch mit solchen Gegensätzen besser verkörpern können als er. Weil Joe Bechmann aber nicht nur Fußballer, sondern auch Mitarbeiter in der Sportredaktion des Fränkischen Tags ist, hat er sich gern bereiterklärt, an diesem Projekt teilzunehmen.  Hier spricht er über seine Erfahrungen, wie sich sein Blick auf das Schiedsrichter-Wesen in kürzester Zeit gewandelt hat – und welche Linie er selbst als Referee vertreten würde.

Sie sollen einfach mal einen Schiedsrichter-Neulingskurs besuchen. Was haben Sie von der Idee zunächst gehalten?
Johannes Bechmann: Natürlich war ich am Anfang skeptisch, ob das Ganze so gut ist. Mit meiner Vorgeschichte und als aktiver Spieler hat man natürlich gewisse Vorstellungen oder auch Vorurteile gegenüber dem Typus Schiedsrichter. Das hat sich aber alles nicht bestätigt. Der Kurs fand  auf einer lockeren Ebene statt. Obwohl die Regeln ja relativ trocken sind, hat Lehrwart Michael Demus die Inhalte super vermittelt.

Schiedsrichter zu werden in einem Drei-Tages-Kurs. Funktioniert das eigentlich?
Johannes Bechmann: Das funktioniert sogar sehr gut. Früher wurden die Kurse über fünf oder sechs Wochenenden abgehalten. Natürlich kann man da mehr  ins Detail gehen, das Ergebnis ist aber dasselbe. Heutzutage ist Zeit ja ein seltenes Gut. Der Verband liegt daher richtig, den Kurs auf drei Tage zu verknappen.

So kennt man ihn: Joe Bechmann (unten) bei einer Grätsche in einem Spiel des FC Sand aus der vergangenen Serie. 
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Wie hat sich denn das Teilnehmerfeld zusammengesetzt?
Johannes Bechmann: Ich weiß nicht, ob es überhaupt einen klassischen Anwärter gibt, den man in irgendeine Schublade stecken kann. Wir waren ein bunt gemischter Haufen. Da war vom Elf- bis zum 50-Jährigen alles dabei.  

Gab es Lehrinhalte beziehungsweise Regeln, die Ihnen noch gar nicht geläufig waren?
Johannes Bechmann: Als  Fußballer weiß man natürlich, wie das Spiel funktioniert. Aber ich denke trotzdem, dass die wenigsten aller Aktiven jemals ein Regelbuch in der Hand hatten. Bei manchen Sachen versteht man nun besser, was warum und wie geahndet wird, weil es im Regelwerk exakt so festgehalten ist.

Sie haben den Test mit voller Punktzahl bestanden, durchgefallen ist von den 13 Neulingen niemand. Fühlen Sie sich nun auch als richtiger Schiedsrichter?
Johannes Bechmann: Ich bin ehrlich: Komisch ist das schon noch. Es haben ja auch Personen in meinem Umfeld mitbekommen, dass ich den Kurs absolviert habe.  Gerade am Anfang bin ich oft darauf angesprochen worden, aber so richtig als Schiedsrichter fühle ich mich noch nicht. Aber ich denke, dass wird nach dem ersten gepfiffenen Spiel ganz anders sein.

Man  wird Sie also tatsächlich als Schiedsrichter in Aktion erleben?
Johannes Bechmann: Natürlich. Es macht keinen Sinn, einen Schein zu besitzen und nichts dafür zu tun. Wer einen Führerschein macht, will ja irgendwann auch mal Auto fahren. Und natürlich will ich sehen, ob ich das kann. Es hilft mir zwar sicherlich, schon viele Partien als Spieler bestritten zu haben. Ob ich dann gleich ein guter Schiedsrichter bin, ist eine andere Frage. Von dieser Seite gesehen reizt mich das schon sehr.

Joe Bechmann mit Lehrwart Michael Demus (re.) nach dem bestandenen Theorie-Teil der Schiedsrichter-Prüfung.
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Welche Linie werden Sie als Schiedsrichter vertreten?
Johannes Bechmann: Das kann ich jetzt  so genau gar nicht sagen. Als Spieler findet man es wohl immer besser, wenn ein Schiedsrichter viel laufen lässt, um einfach den Spielfluss zu gewährleisten. Aber als Schiedsrichter fehlt mir die Erfahrung, zudem hängt das ja auch immer von den beiden Mannschaften ab. Ich denke, da gibt es keinen Königsweg.

Hat der Kurs zur Folge, dass Sie Entscheidungen des Unparteiischen besser akzeptieren können?
Johannes Bechmann: Ja, hat er tatsächlich. In Schiedsrichter-Kreisen hat sich meine Teilnahme natürlich schnell rumgesprochen. Ich   habe  schon das Gefühl, dass man auf einer anderen Ebene kommuniziert. Egal ob jetzt vor, während oder nach dem Spiel. Und auf der anderen Seite kann  man einzelne Entscheidungen des Schiedsrichters wesentlich besser nachvollziehen, weil man eben die Regeln genau kennt.

Würden Sie Ihren Mannschaftskollegen einen Kurs nahelegen?
Johannes Bechmann: Absolut, jederzeit. Am Anfang hört sich das natürlich immer recht trocken an. Eine Regel ist eine Regel, da gibt es relativ wenig Spielraum. Aber  letztendlich bringt es jedem etwas. Man  hat  auch als Schiedsrichter gewisse Vorteile, zum Beispiel freien Eintritt bis hoch zur Bundesliga. Auf der anderen Seite bringt es den Vereinen natürlich auch viel. Jeder Verein ist ja eigentlich dazu verpflichtet, für jede aufstiegsberechtigte Mannschaft einen Schiedsrichter zu stellen und muss eine Strafe zahlen, falls er es nicht macht.  So gesehen ist es eine Win-Win-Situation für alle – Spieler, Schiri und Verein.

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Leser-Kommentare


Saisonbilanz Johannes Bechmann

 
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Ein Neulings-Kurs mit Prüfung

Themengebiet Theorie (Regeln 1 bis 17)
1. Spielfeld, 2. Ball, 3. Spieler, 4. Ausrüstung der Spieler, 5. Schiedsrichter, 6. Weitere Spieloffizielle, 7. Dauer des Spiels, 8.  Beginn und Fortsetzung  des Spiels, 9.  Ball im und aus dem Spiel, 10. Bestimmung des Spielausgangs, 11. Abseits, 12. Fouls und unsportliches Betragen, 13.  Freistöße, 14. Strafstoß, 15. Einwurf, 16.  Abstoß 17. Eckstoß

Theorie-Prüfung
30 Fragen insgesamt. Die ersten zehn sind Multiple-Choice-Aufgaben, danach folgen 20 zu lösende Text-Aufgaben. 50 von 60 Punkten sind zum Bestehen notwendig.

Praxis-Test
Lauftest über 1000 Meter. Bestanden hat, wer weniger als acht Minuten benötigt.


Interview mit Michael Demus

Am liebsten würde Michael Demus ihm sofort  eine Pfeife in die Hand drücken und auf den Platz schicken. „Als Schiedsrichter ist Joe Bechmann ein absolutes Juwel, das nur poliert werden muss“, sagt der Lehrwart der Schiedsrichter-Gruppe Bamberg: „Er ist erfahren, körperlich topfit, kennt und lebt den Fußball. Bevor er nach dem Karriereende als Spielertrainer irgendwo anfängt, sollte er lieber Schiedsrichter werden. Ich bin mir sicher, dass er rucki-zucki in zwei oder drei Jahren in der Landesliga pfeifen würde.“

Wie viele Schiedsrichter-Gruppen stehen auch die Bamberger vor einem Generationenproblem: Es hören mehr Unparteiische auf als Neue nachkommen. Ein Trend, der sich in den kommenden Jahren verschärfen und dazu führen wird, dass Jugendspiele oder Partien aus unteren Klassen nicht mehr besetzt werden können. Und das möchte Demus unter allen Umständen verhindern.

Wie viele neue Schiedsrichter aber dauerhaft dem Job an der Pfeife nachgehen, steht in den Sternen. Gerade die jüngere Generation verliere recht schnell die Lust, wenn sie mit der oft rauen Realität auf einem Fußballplatz konfrontiert werde. „Viele junge Schiedsrichter sind ja außerdem selbst Fußballer, die teils höherklassig spielen. Irgendwann stehen sie vor der Entscheidung: spielen oder pfeifen“, erklärt Demus.

Auch deshalb hofft der Lehrwart, künftig mehr Erwachsene für das Schiedsrichterwesen begeistern zu können. „Wir suchen nicht nach Marathonläufern, wichtiger ist es, das Regelwerk vernünftig zu vermitteln und zu kommunizieren.“ Auch Mädchen hätten schnelle Aufstiegsmöglichkeiten. „Die Schiedsrichter durchlaufen alle eine Erfahrungsphase, werden gecoacht, beobachtet und betreut. Dann kristallisiert sich irgendwann heraus, ob sie förderfähig sind“, sagt Demus. Anhand eines Punktesystems wird ermittelt, wer in höhere Ligen aufsteigt.

Schiedsrichter zu werden bedeutet aber auch, einem Verein anzugehören. Während in manchen Ländern das Schiedsrichterwesen vom Verband losgelöst ist, sind die deutschen Schiedsrichter ein Teil davon. Das hat zur Folge, dass ein Schiedsrichter zwingend Mitglied in einem Verein sein muss. „Das ist sicherlich ein Hindernis für viele. Warum das so sein muss, erschließt sich mir nicht“, sagt Demus.

Lehrwart Michael Demus steht für sämtliche Fragen rund um das Schiedsrichter-Wesen und die Ausbildung unter Telefon 0172/ 8314406 und per E-Mail an michael.demus@t-online.de zur Verfügung.

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