50 Pfennig für den WM-Titel oder...: Als Flugga Gellaroum stiebitzte - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 07.08.2018 um 12:00 Uhr
50 Pfennig für den WM-Titel oder...: Als Flugga Gellaroum stiebitzte
MAGAZIN Er ist ein echtes Original. Ein Fußballverrückter. Einer, der die ruhmreichen Zeiten des ETSV 1930 Bamberg in der Landesliga mit prägte und einer, der beim SV Memmelsdorf mehr als nur ein Feuerwehrmann war. Volker Schieweck feiert im August seinen 78. Geburtstag und blickt mit anpfiff.info auf eine bewegte Zeit zurück…
Von Bernd Riemke

In den Kriegswirren 1940 geboren, wuchs Volker Schieweck in unmittelbarer Umgebung des Stadions nahe des Volksparks auf. Da sein Vater noch an der Front weilte, war die Mutter rasch die wichtigste Bezugsperson, die als Näherin dafür sorgte, dass es auch in den kargen Jahren wenigstens „A Aamerla zum Essen“ gab. Die Felder und Wiesen im Bamberger Osten boten zum einen frisches Gemüse, das sich die hungerleidenden Kinder von den bestellten Äckern klauten, zum anderen auch die Möglichkeit, sich auszutoben. „Einer unserer Freunde, ein einziger, besaß einen Fußball. Also haben wir von früh bis spät gekickt“, erinnert sich der Rentner an seine früheste Kindheit, in der sich auch sein geläufiger Spitzname manifestieren sollte. Die immer wiederkehrenden Sturzkampfflugzeuge (kurz: Stuka) prägten sich Klein-Volker nachhaltig ein. Aussprechen konnte er selbst die Kurzform jedoch im Kindesalter nicht und so wurde aus Stuka rasch Flugga – und so kennt ihn heute noch Fußball-Bamberg.

Des Früchtla trifft und trifft

Der Weg vom Straßen- zum Vereinsfußballer war ein weiter – und zwar im wörtlichen Sinne, denn die meisten seiner Freunde spielten in Bug beim Post SV. „Ich war neun Jahre alt, Fahrrad hatte ich keins, also bin ich jeden Tag dort rausgerannt“, erinnert sich Schieweck sehr lebhaft an seine Anfänge, die ihn noch vor seinem 20. Lebensjahr über die bayerische Amateurauswahl neben regionalen Größen wie Dieter Zettelmaier oder Tasso Wild in das Blickfeld des 1. FC Nürnberg hievten. Ein simples „Des tät`dir Früchtla grad so passen“ von Seiten der respektierten und geachteten Mutter und das Thema war erledigt bevor es richtig aufkommen konnte. Die Talente des beidfüßigen Mittelstürmers blieben indes nicht verborgen. Als in den späten 1950er Jahren viele ambitionierte Fußballer zum ETSV 1930 wechselten, weil sie sich eine feste Anstellung bei der Deutschen Bundesbahn erhofften, interessierte Volker Schieweck eine Beamtenlaufbahn zwar nicht im geringsten, die sportliche Herausforderung bei einem aufstrebenden Verein knippsen zu dürfen, juckte ihn jedoch umso mehr.

Mit Volker Schieweck (unten 3.v.li.) als Mittelstürmer erlebte der ETSV 1930 Bamberg seine erfolgreichsten Zeiten.
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Schieweck schießt 30er in die Landesliga

Schon in seiner zweiten Spielzeit bei den 30ern errangen die Kicker von den Bahngleisen die Meisterschaft in der A-Klasse und stiegen in die II. Amateurliga Oberfranken West auf. Sechs Spieltage vor Saisonende stand der Gewinn der Meisterschaft fest. „Nicht nur die spielerischen Qualitäten ermöglichten diesen stolzen Erfolg. Eine prächtige Kameradschaft innerhalb der Mannschaft und verständnisvolle Zusammenarbeit zwischen Abteilungsleiter Treppner und Trainer Fack mit den Akteuren bildeten eine nicht minder wichtige Voraussetzung für die Erreichung des gesteckten Ziels“, umschrieb der Fränkische Tag am 6. Mai 1961 seine Glückwünsche an jene Truppe, die nur drei Jahre später den größten sportlichen Erfolg der Vereinsgeschichte schreiben sollte. Im Entscheidungsspiel um Meisterschaft und Aufstieg schlugen die 30er in Kulmbach den TSV Ludwigsstadt nicht zuletzt dank eines Schieweck-Tores mit 2:0 und forderten anschließend renommierte Clubs wie den FC Burgkunstadt, ASV Gaustadt oder VfB Coburg in der Landesliga.

Kameradschaft ist Trumpf

Auf unserem Holzackerplatz konnte keiner spielen. Wir haben zu Hause so gut wie nie ein Spiel verloren“, erinnert sich der gelernte Finanzbuchhalter an unvergessliche Schlachten vor nicht selten weniger als 2000 Zuschauern. Neben Siggi Sachs, dem Ausnahmefußballer aus Johannisthal, traf Volker Schieweck oft nach Belieben. Über 30 Treffer pro Saison waren keine Seltenheit. „Ich hab die entscheidenden Tore halt einfach gemacht“, bringt es Flugga auf den Punkt. Tore und Siege waren ohne Zweifel das Salz in der Suppe, doch die unvergleichliche Kameradschaft, die unter den elf Freunden herrschte, machte das Fußballerdasein in den 1960er Jahren beim ETSV erst lohnenswert. Geld gab es auch damals schon zu verdienen: 20DM nach wichtigen Siegen. „Das haben wir alles auf einen Haufen geschmissen, ein paar Flaschen Schnaps gekauft und die gemeinsam geleert“, schmunzelt Schieweck eingedenk einer Ära, in der er mit seinen Kameraden um der Geselligkeit willen und wegen des Gemeinschaftsgefühls dem runden Leder hinterher jagte.

Das wichtigste: Geselligkeit

Das sollte sich auch nach seinem Wechsel zum SV Memmelsdorf im Sommer 1967 nicht ändern. Flugga kam als Spielertrainer, stieg wenig später mit dem Verein in die damalige A-Klasse (heute Kreisliga) auf und prägte vor allem die Youngster wie Volker Franzke oder Horst Hugel, die er unter seinen Fittichen hatte. Als der siebenköpfige Ausschuss aufgrund des anhaltenden Erfolges jedoch beschloss, das Trainergehalt von 100 DM auf 120 DM anzuheben, wurden die Grundmauern des SVM erschüttert. Ehrenvorstand Dippold forderte umgehend, die Erhöhung rückgängig zu machen, da es sich bei Volker Schieweck schließlich um keinen einheimischen Memmelsdorfer handelte. „Ich hab ohnehin nie was mitgenommen, sondern alles im Sportheim gelassen“, sinniert Schieweck verschmitzt über jenen „Gehaltspoker“, der bei ihm zwar wenig Verständnis hervorrief, seiner Zuneigung zum SVM jedoch keinen Abbruch tat.

Im August feiert Volker Schieweck seinen 78. Geburtstag. Die Erinnerung an glorreiche Zeiten wird nicht verblassen.
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Schieweck hinterlässt Spuren

Zwanzig Jahre lang sprang Schieweck immer wieder als Feuerwehrmann ein. Zuletzt in der Saison 1986/87 als der SVM über einen 3. Platz in der Bezirksliga/West erstmalig den Sprung in die Landesliga schaffte. Zu Helmut Wolfschmidt, Roland Zeitler oder Peter Linz pflegt der 77-Jährige heute noch ein freundschaftliches Verhältnis. „Es tut mir richtig gut, über so lange Zeit mit meinen Spielern in Verbindung zu bleiben“, so Schieweck, der nach eigenem Bekunden vor allem an den Wochenenden mehr Zeit im Sportheim als zu Hause verbracht hat. Als der Familiensegen deswegen zusehends schief hing, entschied sich der positiv Fußballverrückte, die Karriere an den Nagel zu hängen, um seine Ehe zu retten. Zu spät. „Drei Tage vor Heilig Abend 1987 hab ich mittags noch mein Lieblingsessen Nudeln mit Gulasch bekommen und abends war sie weg“, schildert der dreifache Vater die Umstände, die dazu führten, dass ihm von einem Tag auf den anderen nur die Liebe zum Fußball blieb – und zu seinen Kindern.

Schieweck - The Next Generation!

… und Enkelkindern. Die Augen des Rentners beginnen zu leuchten, wenn er über sie spricht und dabei begeistert erzählt, dass selbst die Zuschauer am Rande eines E-Jugendspiels feststellen, dass die kleinen Schiewecks ihre Tore schon genauso abgezockt erzielen, wie einst der „sauschnelle Opa“. Der kann heute augenzwinkernd zugeben, dass er selbst gar nicht der beste Schieweck aller Zeiten war. Auch nicht seine beiden Söhne Rainer und Gerald, die er als Torhüter des SV Memmelsdorf noch eigenhändig lehrte durch den Kasten zu fliegen. Vielmehr stürmte Tochter Andrea in den 1980er und 90er Jahren für den SC Jura Steinfeld in der Bayernliga und ist damit zweifelsohne diejenige Schieweck, die von allen Vieren am höchstklassigen aktiv war.

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Steckbrief V. Schieweck

Volker Schieweck
Spitzname
Flugga
Alter
83
Geburtsort
Bamberg
Wohnort
Memmelsdorf
Familie
geschieden, 3 Kinder
Beruf
Rentner
Hobbies
Fußball, Lotto spielen
Starker Fuß
Beidfüßig
Lieb.-Position
Sturm


Deutschlands treuester Fan


Als Deutschland 1954 ins WM-Finale einzog wohnte Familie Schieweck in der Gartenstadt in unmittelbarer Nähe zur Hauptsmoorwirtschaft gegenüber der Kirche. Dort hatte die kurz zuvor in Bamberg gegründete Firma Dioszeghy ein TV-Gerät bereitgestellt. 50 Pfennig kostete es, vor der Flimmerkiste die Deutschen siegen zu sehen. Firmenleiter Dioszeghy freilich war gebürtiger Ungar: „Als er nach dem Endspiel die Kneipe verlassen hat, hat er geweint wie ein kleines Kind – und ich habe seither kein einziges Länderspiel der Deutschen Nationalmannschaft mehr verpasst. Während eines Thailand-Urlaubes bin ich sogar zum Vermieter unseres Bungalows, um ein Spiel zu sehen“, so Schieweck, auf den die Floskel „Mein Leben für den Fußball“ wohl passen würde wie für kaum einen Zweiten.

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