Steffan Seidler im Porträt: Papa Coach und seine zweite Liebe - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 16.08.2017 um 06:00 Uhr
Steffan Seidler im Porträt: Papa Coach und seine zweite Liebe
MAGAZIN Der 47-Jährige steht wie kein Zweiter für den Aufstieg der Fußballfrauen der SpVgg Stegaurach. Dass Titel für den „Mann für alle Fälle“ dennoch nur Schall und Rauch sind und wie für den begnadeten „Stammtischkicker“ aus einer Lachnummer seine große zweite Liebe wurde, das erfahren Sie im anpfiff.info-Porträt der Woche mit dem Aurachtaler Erfolgsgaranten Steffan Seidler.
Von Bernd Riemke

Vom Schicksal wurde Steffan Seidler früh gebeutelt. Seine Mama starb als er gerade sechs Jahr alt war und so waren die beiden Männer im Haus schnell seine wichtigsten Bezugspersonen, die in ihm auch die Liebe zum Fußball weckten. Sportlich war Papa Werner – weil er infolge eines unglücklichen Foulspiels einem Gegenspieler einst das Schienbein brach, liebevoll „Mörder“ genannt – beim FC Sportfreunde zu Hause. Da, wo der kleine Steffan zwar geraume Zeit mittrainierte, aber noch nicht spielen durfte. Sein Schulfreund Gerd Schimmer lotste ihn schließlich zum FC Bamberg. Ein Vereinswechsel von dem Papa Werner, viel beschäftigter Schichtarbeiter am Rangierbahnhof, zunächst gar nichts mitbekam. Sein Opa Fritz – der zweite Mann im Haus – war es vielmehr, der die Passunterlagen unterschrieben hatte und so eine Laufbahn einläutete, die Steffan Seidler in vielerlei Hinsicht prägen sollte. Zusammenhalt und ein Wir-Gefühl blieben angesichts aufopferungsvoller Übungsleiter wie Gerhard Eckenweber nicht lange nur bloße Phrasen. Der Trainer der heranwachsenden Kicker fuhr die Kinder nicht selten in seinem überladenen VW-Käfer eigenständig zu Auswärtsspielen und lieferte jeden Einzelnen wieder wohlbehalten vor der eigenen Haustür ab. Schon als kleiner Junge lernte Seidler ein derartiges soziales Engagement nicht als Selbstverständlichkeit zu betrachten, sondern betonte selbst Jahre später in von ihm betreuten Mannschaften immer wieder die große Gemeinschaft.

Mister Zuverlässig

In seiner eigenen sportlichen Karriere profitierte der gebürtige Bamberger von der vielfältigen fußballerischen Ausbildung, die er im Volkspark genoss. „Ich hatte ein gutes Stellungsspiel und war für meine Größe einigermaßen technisch begabt. Vor allem war ich ehrgeizig. Auf mich konnte man sich immer verlassen“, so Seidler über seine Fähigkeiten, die er in der Jugend beim FC Bamberg neben Größen wie Ingmar Blum, Holger Baumgartl, Jürgen Pflaum oder Mario Nitzsche als Vorstopper auf den Rasen bringen konnte. Als diese Truppe in die Bayernliga aufstieg wechselte Steffan Seidler in die B-Jugend zum Lokalrivalen FV 1912. „Ich wollte mich nicht quälen, bereue das aber schon ein bisschen, weil das damals einfach ein geiler Haufen war“, lässt der 47-Jährige tief blicken. Bei den 12ern kickte der einfühlsame Familienvater abzüglich eines sportlichen Abstechers zum SV Waizendorf lange Jahre in der zweiten Mannschaft und wurde mit „einer besseren Stammtischmannschaft gefühlte 27 Jahre in Folge Meister der Kreisliga-Reserve“, schmunzelt Seidler in Erinnerung an eine Zeit, in der er längst die Funktionärslaufbahn eingeschlagen und sich erste Meriten verdient hatte.

Trainerlaufbahn

Seine ersten Gehversuche als Trainer unternahm der gelernte Maschinenmechaniker – selbst eben erst dem Juniorenbereich entwachsen – mit den F-Schülern des FV 1912, die er bis ins B-Jugendalter begleitete und nebenbei als Spielgruppenleiter für den Bayerischen Fußballverband tätig war. Während dieser Zeit unternahm Seidler auf Bitten seines Schwagers Herbert Pfänder auch einen allerdings missglückten Ausflug zum SV Hallstadt, den er als designierten Absteiger in der Bezirksoberliga übernahm und das zu befürchtende Unheil trotz einer kleinen Siegesserie im Saisonfinale auch nicht mehr abwenden konnte. Als Steffan Seidler um die Jahrtausendwende gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin beschloss im beschaulichen Kreuzschuh sesshaft zu werden, trat der Fußball für zwei Jahre in den Hintergrund. Solange bis der positiv verrückte Fußballnarr eine Anfrage des unterfränkischen SC Lussberg annahm und den A-Klassisten bis zum vorletzten Spieltag im Meisterschaftsrennen hielt. „Beim ersten Training hat damals das halbe Dorf zugeschaut“, lächelt Seidler in Erinnerung an eine weitere prägende Erfahrung wie sehr der Zusammenhalt Kräfte in der Gemeinschaft freisetzen kann. „Titel sind Schall und Rauch. Die Kameradschaft ist wichtig“, machte sich der 47-Jährige nicht erst seit dieser Zeit zum Credo. Nach zwei Spielzeiten in Lussberg beendete Seidler nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass das geplante Eigenheim vor den Toren Stegaurachs im Rohbau stand, sein Engagement in Unterfranken.

Im Sommer 2015 holten die Frauen mit Trainer Steffan Seidler (ganz rechts) erstmals das Double aus Meisterschaft in der Bezirksliga und dem Gewinn des oberfränkischen Bezirkspokals.
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Heinrich Butterhof, Wegbegleiter aus gemeinsamen BFV-Zeiten, war schließlich „Schuld“, dass Steffan Seidler den Weg zur JFG Steigerwald fand. Ein Unterfangen, das zwar unter keinem guten Stern zu stehen schien, gerade deshalb aber die Antriebskraft für Seidler darstellen sollte. „Eine Weihnachtsfeier wird es keine geben. Dafür ist kein Geld da!“ Dieses beiläufige Zitat spornte den umtriebigen Tausendsassa an, binnen weniger Jahre eine Jahresabschlussfeier auf die Beine zu stellen, bei der das Sportheim des TSV Burgebrach nahezu aus allen Nähten platzte und die Kinder mit reichlich Geschenken unter dem Arm in die Adventszeit gehen konnten. „Ich freue mich einfach doppelt, wenn ich jemanden beschenken und damit eine Freude machen kann“, so Seidler selbstlos, der fortan aus den Geschicken der JFG nicht mehr wegzudenken war. Zwei Jahre lang trainierte er die C-Junioren, ehe aus einer anfänglich als Lachnummer titulierten Schnapsidee seine zweite große Liebe entstand. Eine kleine Gruppe ambitionierter Mädchen, angeführt von Tanja Schauer, bat darum, einmal mittrainieren zu dürfen. Seidler trat diesem Wunsch mit erheblicher Skepsis entgegen, versprach jedoch ein eigenes Training abzuhalten, wenn ausreichend weiblicher Nachwuchs zur Verfügung stehen würde. Es dauerte weniger als eine Woche, bis die Mädchen erneut anklopften: diesmal in Mannschaftsstärke und mit enormem Feuereifer ausgestattet. Von der Entwicklung förmlich überrannt dauerte es nicht lange bis im März 2009 das erste Freundschaftsspiel anstand und die JFG Steigerwald zur Spielzeit 2009/10 eine erste eigene Mädchenmannschaft auf dem Kleinfeld zum Punktspielbetrieb anmeldete. Unter dem Hallendach wurden diese Newcomer prompt Dritter bei den Oberfränkischen Meisterschaften und Steffan Seidler fragte sich zum ersten Mal: „Was mache ich richtig, dass ich derart von Glück gesegnet bin?“

Das Organisationstalent

Als solches empfindet der stolze Familienvater den Umstand dereinst zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen zu sein. Um die „Gründungsmütter“ Helene Bogensperger, Mona Dippold und Tanja Schauer herum wuchs eines Mannschaft, die von Erfolg zu Erfolg eilte und nach einem Durchmarsch in die Bezirksoberliga sogar den Sprung auf Verbandsebene bis in die Landesliga schaffte. „Ich bin sehr dankbar, eine von Grund auf charakterstarke Mannschaft weiter formen zu dürfen“, so Seidler rückblickend auf die Jahre, in denen seine Liebe zum Frauenfußball geboren war und er darüber hinaus merkte, auch sportlich einiges erreichen zu können. Die Balance zu finden zwischen Familie – Sohn Raphael erblickte inzwischen das Licht der Welt – und Fußball war nicht immer leicht, denn unabhängig von den Abonement-Meisterschaften der vergangenen Jahre, galt es stets die Mannschaft zusammen zu halten und den Teamgeist zu pflegen. „Ich mache viel Drumrum“, bringt Seidler sein unbändiges Engagement außerhalb des Fußballplatzes in wenigen Worten auf den Punkt: die Organisation von Trainingslagern, Trainings-Equipment, Teamkleidung oder zahlreichen Mannschaftsabenden in geselliger Runde sind nur einige Beispiele dafür wie aufopferungsvoll sich „Papa Coach“ für seine Mädels einsetzt. Als geborener Team-Manager, der seine Stärken in der Organisation und Koordination hat, trat Steffan Seidler sein Amt als Trainer der erfolgreichen SpVgg Stegaurach, die er in fünf Jahren zu vier Aufstiegen von der Kreisklasse bis in die Landesliga führte, unlängst ab, sieht seine Zukunft aber weiterhin uneingeschränkt im Frauenfußball.

Steffan Seidler (hier li., mit Freddy Wittmann) ist ein Teamplayer.
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Voller Respekt blickt er daher auf Nachbarvereine wie den RSV Drosendorf oder den SV Frensdorf, die er aufgrund ihrer zum Teil jahrzehntelangen Tradition im Frauenfußball in höchstem Maße als große Vorbilder ansieht. „Uns gibt es erst acht Jahre und ich würde mich als nächsten Schritt schon sehr über das Erreichen des 10-jährigen Jubiläums freuen“, so Seidler, der sich künftig vermehrt auf seine Organisationsfähigkeiten im Hintergrund verlassen kann. Im kommenden Winter blickt der Aurachtaler-Ladies-Cup im vierten Jahr in Folge auf seine Ausrichtung. Der Budenzauber versprüht für Seidler ohnehin ein besonderes Flair, so dass er im mittlerweile 14. Jahr auch den angesehenen Company-Cup - ein Hallenturnier für Betriebsmannschaften organisiert - bei dem der Erlös stets sozialen Einrichtungen gespendet wird. Dieses soziale Engagement begleitet Steffan Seidler seit vielen Jahrzehnten und so verwundert es nicht, dass der von vielen Seiten geschätzte Trainer und Funktionär abseits aller sportlichen Rivalitäten jederzeit vor allem einen besonderen Wunsch hegt: „Ich möchte als Mensch respektiert werden!“

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Steckbrief S. Seidler

Steffan Seidler
Spitzname
Papa Coach
Alter
54
Geburtsort
Bamberg
Wohnort
Kreuzschuh
Familie
verheiratet, 1 Kind
Nation
Deutschland
Größe
188 cm
Beruf
Maschinenmechaniker
Hobbies
Familie, Fußball


Auf ein Wort...

Wenn ich ein Tier wäre, wäre ich ein Löwe, weil ich das Kämpferherz eines Löwen bewundere.

Wenn ich einen Tag lang Bundeskanzler wäre
, würde ich die Maut einführen, weil wir überall für die Nutzung der Straßen zahlen und ich der Meinung bin, dass gleiches Recht für alle gelten sollte.

Wenn ich eine TV-Show moderieren dürfte, wäre es die Sportschau, weil Sport seit meinem 6. Lebensjahr mein Leben ist.

Wenn ich noch einmal 18 wäre
, würde ich das Auto meines Opas nicht verkaufen. Mein Opa war mein großer Unterstützer. Er hat mir seinen Kadett vererbt, den ich neun Monate lang gefahren bin. Danach habe ich mir einen GSI gekauft.

Wenn ich mit einem Menschen für einen Tag tauschen dürfte, wäre es Uli Hoeneß. Er ist der größte Manager, den wir in unserer heutigen Zeit erleben durften. Was aus dem Verein geworden ist, hat der FC Bayern zu großen Teilen nur ihm zu verdanken.

Das letzte Geschenk, das ich bekommen habe, war Zeit mit meiner Familie bei einem ausgiebigen Urlaub in Dubai zu verbringen.

Das letzte Mal geweint
habe ich im Flugzeug auf dem Heimflug von Dubai nach Deutschland. Wir haben den Film „Collateral Beauty“ gesehen und bei solchen Dramen bin ich ein echtes Weibchen. Hauptdarsteller Will Smith hat seine Tochter verloren und schreibt in seiner Depression Briefe an den Tod, die Liebe und die Zeit.

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