Artikel vom 30.05.2021 12:00 Uhr
VIDEO An Tagen wie diesen kommt alles zusammen. 2013 spielten die Toten Hosen
auch im Bayreuther Hans Walter Wild-Stadion. In dem Jahr, als der FC 05
in die Regionalliga Bayern aufstieg und Campino beim Gastspiel im
Willy-Sachs-Stadion dazu gratulierte. Gänsehaut pur. Auch als Nico
Rinderknecht im Jubelkreis gegen 16.00 Uhr sein bald anstehendes, privates
Glück verkündete.
Es folgte eine bemerkenswert kurze Ansprache von Vorstand,
Geschäftsführer und Hauptsponsor Markus Wolf. Eines von drei Zielen
hätten die Schnüdel erreicht. Erst eines. Das natürlich höchst
beeindruckend: Drei Spiele, drei Siege, 8:1 Tore in den
Play-off-Partien. Die zwei noch ausstehenden sind hinfällig, allen
Anschein nach wird kommenden Samstag in Aschaffenburg gegen Bayreuth gar
nicht mehr gekickt. Die Spvgg, die beim 0:4 gegen die Schweinfurter
eigentlich alles schuldig blieb, steht immerhin im Ligapokal-Halbfinale
am Dienstag gegen Illertissen und kam den Traum von der ersten
DFB-Pokal-Hauptrunde leichter verwirklichen als die Grün-Weißen.
Am 12. und 19. Juni geht es um alles
Denen
darf man in der Verfassung von Bayreuth zutrauen, auch die Etappen zwei
und drei zu gewinnen. Als da wären: Am 12. Juni gegen und am 19. Juni
in Garbsen bei Hannover die Aufstiegsspiele zur 3. Liga gegen den TSV
Havelse als das nun große und realisierbare Sehnsuchtsziel. Die
Niedersachsen können nur testen, spielten bei Carl-Zeiss Jena und gegen
Borussia Hildesheim jeweils 0:0. FC-Trainer Tobias Strobl und sein Team
werden sich ab sofort intensiv mit Havelse beschäftigen. Markus Wolf tat
es schon, spricht von einer "stabilen Mannschaft mit gefährlichen
Standards. Die können schon Fußball spielen!"
Der
Samstag stand nach eindrucksvoll getaner Arbeit ganz im Zeichen des
Feierns. "Ein oder zwei Bierchen im Bus, auch mit Alkohol", wollte
Strobl den Jungs genehmigen und ließ sich noch auf dem Platz selbst
eines schmecken. Ein Helles Arcobräu aus Moss in Niederbayern, eher
unpassend zwar für die Bierstadt Bayreuth. Aber scheinbar hatte jemand
vergessen, den Rothen Gerstensaft der Familie Borst mit in den Bus zu
nehmen. Egal.
"Es
gibt doch nichts Schöneres, als als den Sack hier zuzumachen vor 50
mitgereisten Fans", strahlte Strobl schon vorher und zeigte sich
beeindruckt von den Anhängern hinter den Stadiontoren, die nicht sehen
konnten, aber leidenschaftlich von draußen anfeuerten. Da war es kein
Wunder, dass der Weg der Mannschaft nur Sekunden nach dem Abpfiff
schnurstracks hinter die Abgrenzung zu dem Zaun führte, wo ausgiebig
gemeinsam mit diversem Liedgut. Das "Campione" klingt auch Stunden
danach noch gut in den Ohren.
Adam Jabiri ebnet den Weg
Beim
Hüpfen vor den Anhängern stand Adam Jabiri noch mit am ruhigsten da.
Ausschnaufend und Kräfte sammelnd. Am Fronleichnamstag wird Schweinfurts
unverwüstlicher Torjäger 37 Jahre alt. In Bayreuth staubte er nach
furchtbaren Abwehrfehlern der Hausherren zum 0:1 ab und schob zum 0:2
geschickt ein. "Weil ich immer nach dem Ball schaue und nicht abschalte.
Ab und zu hat man dann auch ein bisschen Glück", grinste der Routinier,
der bewusst Spvgg-Keeper Sebastian Kolbe in Schutz nahm. "Er war zwei
mal über 180 Minuten gegen uns der beste Bayreuther, hat sogar einen
Elfmeter gehalten. Eine Aktion schmälert da die Leistung nicht", sagt
Jabiri. "Agieren, nicht reagieren" wollte man auswärts von Beginn an,
wie im Hinspiel hätte es zur Pause schon 3:0 oder 4:0 stehen können für
den FC 05. "Wenn der Gegner nicht zur Entfaltung kommt, wenn es leicht
ausschaut, dann hat man seine Aufgabe ordentlich erledigt", resümierte
der Goalgetter. "Heute waren wir insgesamt einen Ticken seriöser vor dem
Tor", lobte Tobias Strobl.
Und
der Coach weiß: "Die Frage stellt sich aktuell nicht, weil er ja noch
da ist. Aber wenn nicht mehr, dann müssen wir uns umschauen oder einen
wie ihn ausbilden!" Es geht um den Kitzinger Jabiri, inzwischen
Architekt in Schweinfurt mit Dienst von Montag bis Donnerstag, und mit
der noch immer riesengroßen Lust, in Sascha Mölder-Manier, nur mit
weitaus athletischerem Körperbau, den Gegnern überwiegend am Wochenende
nicht reinen Wein, sondern ein rundes Leder einzuschenken.
17
Buden sind diese zweijährige Saison verzeichnet für Jabiri, 66
Punktspiel-Treffer seit 2016, als er von den Würzburger Kickers zum FC
05 zurückkehrte, für den er zum Karrierebeginn schon mal auflief und
unter Trainer Wolfgang Hau Landesliga-Meister wurde. Mit den Rothosen
stieg er 2015 nach 14 Toren in die 3. Liga auf, kam dort auf 25 Einsätze
und vier Buden, die zum Sprung in die 2. Bundesliga beitrugen. "Ich bin
sehr stolz darauf und hoffe nun, auch mit meinem zweiten Heimatverein
in den Profifußball aufzusteigen." Sein Vertrag läuft für nächste Saison
noch. "Ich mache das, so lange ich mich gut fühle, Spaß habe und der
Verein mich haben will", sagt Jabiri.
Noch ist das Ziel nicht erreicht
"Wir
haben noch nicht das erreicht, wo wir hinwollen", betonte Tobias
Strobl. "Nicht vom Gaspedal" werde man nun gehen, auch wenn die Partie
am Dienstag vor wohl 250 Fans ein reiner Freundschaftskick wird, sofern
Aschaffenburg überhaupt noch antreten wird. Verbandsspielleiter Josef
Janker kündigte die Meisterehrung an, der FC-Coach möchte das optimale
Dutzend Punkte voll machen. Und natürlich wird rotiert, "dafür ist die
Breite bei uns im Kader zu groß". Für Markus Wolf ist das die ideale
Gelegenheit für die zweite Garnitur, sich für die Niederlage letzten
Dienstag in Eichstätt zu rehabilitieren.
Die
sorgte dafür, dass an den kommenden Samstagen jeweils kleine Schlager
im Willy-Sachs-Stadion anstehen. Eine Woche vor dem Gastspiel von
Havelse müssen die Schnüdel mit einem Sieg gegen den Lokalrivalen aus
Aubstadt das Finale der Trostrunde im Ligapokal erreichen, in dem sie
dann den Einzug ins Viertelfinale des BFV-Pokals schaffen können. Ein
paar Heimspiele warten wohl noch auf die Schweinfurter, die Ende 2019
letztmals vor vielen Fans kicken durften. Das Derby gegen die Grabfelder
gilt als perfekte Generalprobe für die Partie gegen Havelse.
Klare Worte von Markus Wolf
Für
Markus Wolf, der die Unterstützung von 500 in Bayreuth zugelassenen Zuschauern
bemerkenswert fand, war das nach Spielende am Samstag ein Grund, um mal
wieder deutliche Worte zu finden. "Eigentlich ein Witz" sei es, wenn
nur 250 Fans gegen Aschaffenburg oder Aubstadt kommen dürften. Ohne
Sponsoren (und die Unterstützung der Fans bei Aktionen) wäre
Profifußball nicht mehr möglich in Schweinfurt. Staatliche Zuschüsse
bekam der FC 05 in der Pandemie nicht. "Wir nehmen das Virus natürlich
ernst. Aber lasst die Leute endlich wieder Fußball schauen", fordert er
mit Seitenhieb auf Markus Söder, der aktuell nur lockere, damit zur
anstehenden EM nach München Zuschauer ins Stadion kommen dürfen. "Wenn
dann bei uns gegen Havelse nicht wenigsten 3000 bis 5000 rein dürfen,
dann soll er das bitte begründen", sagt Wolf mit Hinblick darauf, dass
geimpfte und genesene Menschen ja eh keine Gefahr darstellen und in
Bayreuth alle anderen einen negativen Test vorweisen mussten. Trotzdem
blieben alle Stehränge leer, dafür feuerten auf der Tribüne die Fans der
Altstadt dicht an dicht stehend teils ohne Masken über Nase und Mund
ihre Elf (vorbildlich bis zum Abpfiff) an. Verstehen muss man das alles
nicht.
Auch
nicht den Modus der Play-offs. Bis Freitag gingen die Vereine, die
Medien, allesamt davon aus, im Falle einer Punktgleichheit würde der
direkte Vergleich zählen. Spätestens Samstagfrüh aber war allen Schweinfurtern
klar, dass nur ein Sieg die vorzeitige Meisterschaft bedeuten kann. "Da
war klar, dass wir gewinnen müssen und auch werden. Deshalb hatte ich
auch keinen Bammel, war nicht aufgeregt und in der Kabine ganz ruhig",
erzählte Markus Wolf. Und später im Jubelkreis emotional. Mit viel Lob,
aber auch deutlichen Hinweisen an das Team. Zwei weitere Ziele gilt es
noch zu erreichen. Um vielleicht schon im Sommer auf den 1. FC
Kaiserslautern und Bayern München zu treffen.