Artikel vom 23.02.2021 12:00 Uhr
Wir
wollen zurück auf den Platz! Immer lauter werden die Stimmen, die genau dies
fordern. Auch und besonders für Kinder und Jugendliche. Doch wie realistisch
ist eine solche Forderung und ist sie überhaupt sinnvoll und wenn ja, wie kann
die Rückkehr organisiert werden. Verbandsjugendleiter Florian Weißmann stellt
sich den Fragen von anpfiff.info.
Herr
Weißmann, uns ist zur Ohren gekommen, dass der BFV für die Jugend aktuell von einem
Trainingsstart nach Ostern ausgeht und zwei Wochen danach in die Punktspiele
starten möchte! Ist ein solcher Zeitplan nicht viel zu sportlich und angesichts
der langen Pause und der aktuellen Entwicklung kaum zu halten?
Florian
Weißmann: Wir hoffen auf einen sehr zeitigen Trainingsstart und wollen - nach
Möglichkeit - Anfang Mai mit dem Spielbetrieb wieder starten. Wobei uns hier
ganz wichtig ist, dass es nicht gleich um die Meisterschaftsspiele der
Spielzeit 1 gehen muss. Das ist ligaabhängig. Klar ist, in Ligen mit vielen
offenen Spielen müssen wir mit den Meisterschaftsspielen früher beginnen als in
anderen Ligen.
Sieht "Sehnsucht nach Punktejagd": Florian Weißmann.
anpfiff.info
Im
offenen Brief von Fritz Keller und Rainer Koch wurde am Wochenende die
Bedeutung von Sport für Kinder und Jugendliche herausgestrichen. Das ist
prinzipiell zu begrüßen. Aber macht es Sinn den Ruf nach der Rückkehr auf den
Platz gleich wieder mit dem Ruf nach Verbandsspielen zu verbinden? Bewegung und
soziale Begegnung wären ja auch mit Training gewährleistet?
Florian
Weißmann: Grundsätzlich hat das Training immer das Ziel, sich für den Wettkampf
zu rüsten. Genau das wollen wir für unsere Kinder und Jugendlichen wieder
erreichen. Ich bin überzeugt, dass unser Nachwuchs Sehnsucht nach der
Punktejagd hat.
Im
Frühjahr 2020 führte der Weg zurück über Einzel- und Kleingruppentraining ins
Mannschaftstraining und dann zurück in die Spiele - ist das auch diesmal so
geplant? Und welche Zeitschiene ist dafür vorgesehen - im Frühjahr dauerte es
von Schritt zu Schritt ja etliche Wochen.
Florian
Weißmann: Diese Frage kann nur die Politik beantworten. Persönlich würde ich
gerne sehr zügig die vollständige Freigabe des Sportbetriebs sehen und nicht
die stückweise Freigabe über Monate hinweg. Sollte dies analog dem Jahr 2020
laufen, wird ein Spielbetrieb bis zu den Sommerferien wohl nicht mehr
stattfinden. Das würde bedeuten: Zehn Monate kein Spiel!
Wäre
ein möglichst später Einstieg in den Spielbetrieb nicht auch aus
gesundheitlicher Sicht hilfreich? Stichwort: Verletzungsgefahr nach über einem
halben Jahr ohne Fußballtraining?
Florian
Weißmann: Hier muss man sicherlich die Altersklassen differenziert betrachten.
Die jüngeren Jahrgänge sind einer deutlich geringeren Belastung ausgesetzt und
haben sicher auch während des Lockdowns ihren Bewegungsdrang ausgelebt. Bei den
älteren Jahrgängen und vor allem mit zunehmender Leistungsorientierung kann bei
unzureichender Aufbauarbeit ein größeres Verletzungsrisiko einhergehen. Hier
stellt sich dann auch die Frage, welche sportlichen Maßnahmen jeder einzelne in
der Lockdown-Phase ergriffen hat. Diese Thematik haben wir auf dem Schirm.
Wann gibt es das wieder? Der Steigerwälder Lorenz Utz (re.) muss den Schweinfurter Maximilian Stahl in der U19-Bayernliga ziehen lassen.
anpfiff.info
Wäre
es nach der langen Pause nicht prinzipiell sinnvoller den Vereinen, vor allem
den Kindern und Jugendlichen, eine längere Phase von Spielen ohne Druck zu
geben, als schnell wieder den Wettbewerbsgedanken auszurufen. Zumal die
Rückkehr auch mitten in die Zeit der Abschlussprüfungen fällt?
Florian
Weißmann: Die Anzahl der „Spiele mit Druck“ - also der Wettkampfspiele um den
Auf- und Abstieg ist sehr unterschiedlich. Die Anzahl dieser Spiele ist sehr
unterschiedlich, daher wird es hier sicher eine unterschiedliche Vorlaufzeit
geben. Training und Wettkampf sind in Zeiten von Prüfungen als Erholung
wertvoll. Ich sehe hier keine Konkurrenz, sondern eher eine Chance für die
betroffenen Schüler und Schülerinnen.
Hätte
der Gedanke einer Saison ohne Auf- und Abstieg zum Wieder-Heranführen von
Kindern und Jugendlichen an den Fußball nicht auf einen gewissen Charme, zumal
ja der soziale Gedanke immer wieder betont wird vom Verband...Was wäre denn,
wenn Mannschaften sich weigern würden anzutreten, weil sie die
Ansteckungsgefahr als zu hoch erachten?
Florian
Weißmann: Wenn die Politik den
Sportbetrieb inklusive Wettkampfbetrieb freigibt, dann wird diese Entscheidung
getroffen, weil diese gut – mit Experten – abgewogen worden ist und verantwortet
werden kann. Wer sich dann noch nicht sicher fühlt zu spielen, der hat immer
die Möglichkeit sich vom Spielbetrieb abzumelden, muss allerdings auch die
daraus resultierenden Konsequenzen im sportlichen Bereich tragen.
Müsste
der Kontaktsport Fußball nicht eigentlich hintenanstehen und erst andere
Bereiche zur Normalität zurückkehren?
Florian
Weißmann: Wir als BFV sind der Interessenvertreter der Fußballvereine und damit
für die Öffnung des Sports. Die Politik ist in der Verantwortung, die
Entscheidungen zu treffen, zu welchem Zeitpunkt, welche Lockerungen richtig
sind.
Wie
lange kann denn eine Saison im Jugendbereich längstens dauern? Gibt es denn ein
Datum bis zu dem man spätestens wieder in den Spielbetrieb zurückkehren muss,
um die Saison abschließen zu können?
Florian
Weißmann: Das Spieljahr endet am 31. Juli 2021. Eine späteste Rückkehr in den
Spielbetrieb kann aktuell nicht festgemacht werden, da die unterschiedliche
Anzahl an offenen Spielen und die mögliche Nutzung der
Pfingstferien-Wochenenden auch eine Rolle spielen.
Zurück auf dem Platz: Die U17 des FC Coburg und die U16 der Würzburger Kickers im direkten Duell.
anpfiff.info
Was
entgegnen Sie Vereinen, die gegen Bundesliga-NLZ antreten müssen und Nachteile
sehen, da dort teilweise schon wieder trainiert werden darf?
Florian
Weißmann: Die Fragestellung ist zu eng gegriffen. Wie verhält es sich bei
Amateurvereinen, die im Spielbetrieb zurückkehren, aber Teile der Eltern ihre
Kinder zwar trainieren, aber nicht spielen lassen? Den Wettbewerbscharakter der
Saison 2020/2021 kann man sicher teilweise in Frage stellen, aber man muss auch
beachten, dass wir die höheren Spielklassen zum Teil deutlich aufgestockt
haben, den Übergang zum Spieljahr 2021/2022 mit einem geringen Abstieg
gestalten und zudem auf Kreisebene bayernweit die Meldeliga fortsetzen. Kurzum:
Sicher mag es unterschiedliche Nachteile geben, allerdings stehen diesen auch
einige nicht zu vernachlässigende Vorteile gegenüber.
Vielen
Dank für das Gespräch!