Zoff in der Schiedsrichterzunft: Abstieg wegen Falschbeurteilung? - anpfiff.info
Artikel vom 17.03.2023 12:00 Uhr
Zoff in der Schiedsrichterzunft: Abstieg wegen Falschbeurteilung?

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Schiedsrichter werden von Beobachtern bewertet. Durch diese Bögen haben die Beobachter Einfluss auf den Auf- und Abstieg eines Referees. Im Spielkreis Erlangen-Pegnitzgrund wittert ein Unparteiischer nun eine absichtliche Falschbeurteilung aus persönlichen Gründen.
Von Uwe Kellner


Die strittige Situation ist einfach erklärt. Der Schiedsrichter entschied in einem Bezirksligaspiel nach einem Foulspiel im Sechzehner auf Elfmeter. Daraufhin wurde er von seinem Linienrichter darauf hingewiesen, dass es, bevor das elfmeterwürdige Foulspiel stattfand, ein Vergehen des Stürmers gab. Also nahm der Schiedsrichter den Elfmeter zurück und entschied auf Freistoß für die verteidigende Mannschaft.

Der Schiedsrichter in diesem Spiel war Bezirksliga-Qualifikant Andreas Schulz, der für den FC Dormitz pfeift. Der Linienrichter, der ihn auf das Stürmerfoul hingewiesen hatte, war Daniel Richardson vom ASV Weisendorf und auf der anderen Seite winkte Finn Hermann von der SpVgg Erlangen.

Eigentlich war das keine große Sache, wäre da nicht ein Beobachter am Spielfeldrand gestanden, der die ganze Szene aus einem anderen Blickwinkel sah. Der Beobachter verzeichnete kein Stürmerfoul, sondern notierte nur den zurückgenommenen Elfmeter. Deswegen hätte der Schiedsrichter die Partie aus seiner Sicht mit einem Schiedsrichterball fortsetzen müssen. Die falsche Spielfortsetzung, die einem Regelverstoß gleichzusetzen ist, sorgte dafür, dass Andreas Schulz eine schlechte Bewertung bekam, aufgrund derer er aus der Bezirksliga absteigen würde.

Regeltechnisch

Regeltechnisch haben beide Seiten auf ihre Weise Recht, wie Gerd Lamatsch, der langjährige Schiedsrichter und Buchautor, auf Nachfrage bestätigt. Der Nürnberger wurde von anpfiff.info als Unbefangener hinzugezogen, weil Schiedsrichter und Beobachter beide aus dem Spielkreis Erlangen-Pegnitzgrund stammen. Er erklärt: "Grundsätzlich kann der Schiedsrichter jede Entscheidung noch zurücknehmen oder revidieren, solange das Spiel noch nicht fortgesetzt war. Das ist hier gegeben. Und jetzt kommt es: Wenn es vorher - zeitversetzt zur Elfmetersituation - zu einem Foulspiel des Stürmers kam, egal wer es gesehen und angezeigt hat, und der Schiedsrichter dann wegen des Foulsspiels den Freistoß gibt, ist das logisch und korrekt!" So hat der Schiedsrichter gehandelt. "Schiedsrichterball kann es nur geben, wenn der Schiedsrichter zur Erkenntnis kommt, dass er das zunächst strafstoßwürdige Foul im Nachhinein als falsch bewertet und damit einen persönlichen Irrtum zugibt." Und so hat es der Beobachter gesehen.

Gerd Lamatsch erzählt in diesem Zusammenhang, dass er einst zu seinen Bayernliga-Zeiten ebenfalls einen Einspruch gegen einen Bewertungsbogen eingelegt habe und er einen Regelverstoß des Beobachters nachweisen konnte. Genau da liegt die Hürde für den Einspruch gegen einen Bewertungsbogen. Der Schiedsrichter muss dem Beobachter einen Regelverstoß nachweisen. Gerd Lamatsch erlaubt sich eine persönliche Bewertung dieses Falls, denn "ich finde es echt schade, dass man hier sehr bürokratische Prozesse über den gesunden Menschenverstand stellt. Ein Beobachter sollte nicht der Scharfrichter sein".

Schiedsrichter Andreas Schulz (re.) kämpft gegen einen Bewertungsbogen, aber muss einsehen, dass es beim BFV genauso ist wie beim Schafkopf: Ober schlägt Unter.
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Einspruch wegen Befangenheit


Gerd Lamatsch greift vor, was nun folgte. Weil der Beobachter auf seine Sicht bestand und das Schiedsrichtergespann eine andere hatte, wurde Einspruch eingelegt. Weil es auf dem Sportplatz keine Videoaufzeichnung gab, stehen Aussage gegen Aussage. "Fußballer müssen mit Fehlentscheidungen der Schiedsrichter leben und Schiedsrichter müssen mit Tatsachenentscheidungen der Beobachter leben", kann sich Andreas Schulz an eine Aussage aus einem Telefonat mit einem Schiedsrichterfunktionär erinnern. Sowohl der Bezirks- als auch der Verbandsschiedsrichterausschuss wollten anhand der Dokumentation der Ereignisse keinen Regelverstoß des Beobachters erkennen.

Andreas Schulz, der der Schiedsrichtergruppe Erlangen angehört, ging bei seinem Einspruch nicht nur auf die regeltechnische Komponente ein, denn er konnte sich ausmalen, dass er in dem Fall 'Aussage gegen Aussage' den Kürzeren ziehen würde. Somit dokumentierte er in seinem Einspruch ebenso die vermeintliche persönliche Befangenheit des Beobachters ihm gegenüber. Er begründete dies mit einem Gespräch zwischen seinem Linienrichter und dem Beobachter ein paar Wochen zuvor, in dem der Beobachter, so die Aussage des Linienrichters, sich kritisch zum Pfeifstil von Andreas Schulz geäußert haben soll und diesen später beim Beobachtungsspiel selbst mit dem Stil seines Obmanns Manfred Kettler verglich. "Ich bin überzeugt, dass mir der Regelverstoß wegen einer persönlichen Geschichte angehängt wurde", so Andreas Schulz.

Er genießt bei seinem Vorgehen die Unterstützung seines Obmanns Manfred Kettler, der sich an frühere Zeiten erinnert. Da habe er von einem Würzburger Beobachter eine schlechte Note reingedrückt bekommen, weil ein Würzburger Schiedsrichter zwei Wochen zuvor eine schlechte Note von einem Forchheimer Beobachter kassiert habe. "Ich dachte, die Zeiten wären vorbei. Es ist keine schöne Entwicklung, wenn uns durch solche Sachen Schiedsrichter verloren gehen. Ich stehe in diesem Fall voll und ganz hinter meinem Referee", so Manfred Kettler.

Endgültige Entscheidung steht aus


Als Bezirksliga-Qualifikant hatte Andreas Schulz vor besagtem Spiel zwei gute Bögen (236 und 242), dann kam der besagte Bogen (229) und danach nochmal ein guter (240). Die Freistoß- oder Schiedsrichterball-Entscheidung wird seinen Verbleib in der Bezirksliga bestimmen. Einen kleinen Erfolg kann der Schiedsrichter bereits vermelden, denn der Verbandsschiedsrichterausschuss merkte an, dass der Beobachter einen Fehler im Beobachtungsbogen machte, indem er die besagte Szene doppelt, sowohl unter dem Punkt Regelkonformität als auch Spielfortsetzung, wertete. Deswegen ging der Beobachtungsbogen nochmals zurück zum Bezirksschiedsrichterausschuss, der eine endgültige Entscheidung treffen muss.

"Der BSA könnte die beiden Punkte auf neutral, also auf 4, setzen. Die Voraussetzungen wären gegeben", findet Andreas Schulz. In dem Fall würde der Bogen zwar gewertet, aber der vermeintliche Regelverstoß nicht mit einfließen. Das sähe er als guten Kompromis an, ist aber nicht mehr guter Hoffnung, dass diese Geschichte für ihn ein befriedigendes Ende findet. "Wenn der Bogen so bleibt, ist meine Tendenz, dass ich aufhöre. Verarschen lassen brache ich mich nicht. Mir wurde zwar gesagt, dass die Tür, wieder in die Bezirksliga aufzusteigen, immer offen sei, aber wer sagt mir, dass dieselbe Geschichte dann nicht genauso nochmal passiert", so ein enttäuschter Schiedsrichter.

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